Mercedes F-Cell World Drive Tag 18
Rekordfahrt mit Brennstoffzelle

Mercedes schickt drei Brennstoffzellen-Autos um die Welt. auto motor und sport ist immer dabei. Der 18. Tag des F-Cell World Drive ist mit 632 Kilometern auch der längste. Für auto motor sport ist er sogar noch länger. Wagen zwei stellt einen neuen Distanzrekord auf.

Mercedes F-Cell World Drive, 18. Etappe
Foto: Markus Stier

Heute ist der Tag, vor dem sich die Treckführung am meisten fürchtet. Mit 632 Kilometern, unterteilt in zwei Teilstücke mit jeweils über 300 Kilometern, ist die Fahrt durch New Mexico und den Osten Arizonas das bisher längste Teilstück der gesamten Reise. Wie so oft, wenn es mit den Wasserstoffvorräten in unseren B-Klassen knapp werden könnte, wird zunächst Konvoi-Fahrt hinter dem Führungsfahrzeug befohlen.

Vorbei am Riesenvogel und dem Raketenzentrum der Armee

Die Reise in der Chain Gang zerrt an den Nerven, vor allem, weil wir am Wegesrand die größten Attraktionen rechts und links liegen lassen müssen. Schon bei der Ausfahrt aus Las Cruces weckt ein gigantischer Vogel auf einer Interstate-Böschung die Neugier. Das Ding hat die Ausmaße eines Tyrannosaurus. Auf die Entfernung ist aber nicht auszumachen, ob der Vogel aus Pappmachee ist, oder ausgestopft. Nicht allzu weit entfernt in den San Andres-Bergen liegt ein Raketentestzentrum. Wer weiß, was die Armee da sonst noch alles treibt.

Unsere Highlights

Touristennepper, seht euch vor! Der Stier kommt

Und dann locken nach 80 Kilometern gleich ein Dutzend Reklametafeln ins Akela Flat ein. Von Mokassins, über Türkisschmuck, von T-Shirts bis Töpferware und frischen Käsekuchen protzen die Schilder von der Größe einer deutschen Einzimmer-Wohnung mit den Sensationen des Touristen-Kaufhauses. Hinter einer bunten Speerholzfassade, die wie ein Westernstädchen bemalt ist, versteckt sich der lang gestreckte Bau.
 
Wie gern wären wir mit klingelnden Sporen durch die Schwingtür marschiert, hätten mit der rechten Kauleiste den Zigarillo einmal um die Längsachse rotieren lassen und die Augen zu Schlitzen geformt, um den nächstbesten Touristennepper ordentlich einzuschüchtern. Wir hätten die staubigen Hüte auf den Tresen gelegt und in knurrigem Bass gefragt: "Haben Sie Schulterholster für Brotschneidemaschinen und ein ledernes Futteral mit Fransen für meinen Rasenvertikutierer?" Wir haben es nicht getan. Zum einen müssen wir ja im Konvoi fahren, zum Zweiten war die Angst zu groß, dass der Verkäufer gesagt hätte: "Selbstverständlich Mr. Eastwood. Die Brotschneidemaschine: Privileg oder Krups, und was den Vertikutierer angeht: Bevorzugen Sie Alko oder Wolf?"

Vorbei an der Geisterstadt Steins

Den verpassten Einkaufsbummel können wir noch verschmerzen, aber die verfallenden Häuser der Geisterstadt Steins achtlos am Seitenfenster vorbeirauschen zu sehen, tut weh. Noch dazu, wo doch ein Kleinplanet im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter den gleichen Namen trägt. Sind die Außerirdischen hier gelandet und haben alle mitgenommen? Wir jedenfalls werden es nie erfahren.
 
Als endlich nach 100 Meilen der Anruf von Mission Control kommt, dass von nun an freies Fahren gestattet ist, schert Wagen zwei blitzschnell aus der Kolonne aus und macht sich auf die Erkundung des südlichen Höhenzuges bis zu den Ruinen des historischen Fort Bowie. Angesichts der ohnehin zu bewältigenden 321 Kilometer bis zum Tankstopp in Willcox wirkt das Schild "Fort Bowie, 13 Meilen" etwas abschreckend. Am Steuer sitzt Mirco aus Mailand: "Was sollen wir machen?", fragt er.

Bordcomputer wird ignoriert - wir wollen den Rekord

Nun ist vom Rücksitz Führungsqualität gefragt. Kurzer Blick auf das Command System mit dem Durchschnittsverbrauch, Begutachtung der Wasserstoffrestmenge im Armaturendisplay, schnelles Vergleichen der angegebenen Restreichweite mit der eigenen Kalkulation, Abwägen der persönlichen Schande bei Liegenbleiben nach Extratour oder triumphaler Heimkehr. Es läuft am Ende wie bei Apollo 11. Wenn der Bordcomputer kurz vor der Mondlandung Alarm schlägt, einfach ignorieren.

Mit Schleichfahrt geht es Richtung Süden in die Dragoon Mountains, und Schleichen ist auch angesagt, denn das hier ist Cochise County, benannt nach dem berühmten Häuptling der Chiricahua-Apachen, der in den Achtzigern des 19. Jahrhunderts die US-Armee ein Jahrzehnt auf Trapp hielt. Der einst in den Regionen New Mexicos und Arizonas ansässige Stamm ist immer noch die gefürchtetste Eingeborenen-Truppe der Geschichte. Eigentlich nannten sie sich "Inde", was übersetzt einfach nur "Menschen" bedeutet. Das Wort Apache ist ein Spitzname, den ihnen die benachbarten Zunis einst verpasst haben, und der an Ihnen hängen blieb. Es bedeutet: "Feinde".

500 Apachen-Krieger zwingen zum Halt

Unsere Fahrt geht zu einem legendären Ort, dem Apache Pass. Einst betrieb hier der ehemalige Armeescout Thomas Jeffords die schwungvoll laufende Butterfield-Postkutschenlinie. Weil er sich mit Häuptling Cochise ganz gut vertrug, gestattete der ihm sogar, die Dragoon-Berge zu durchfahren. Aber wie immer, gab es Ärger zwischen den Apachen und weißen Siedlern, und so rückte Captain Thomas Roberts 1862 mit zwei Regimentern aus, um die Zwangsumsiedlung der Widerspenstigen voranzutreiben. Die Apachen erwarteten ihn an der Passhöhe, unweit von Fort Bowie und einer Postkutschestation.

Von den umliegenden Hängen zwangen 500 gut versteckte Krieger die Truppen zum Halt und hielten die nach dem Anmarsch in sengender durstigen Soldaten von der Quelle auf der Passhöhe fern. Die Schlacht am Apachenpass war die erste, bei der die Armee Haubitzen gegen die Indianer einsetze. Erst als sie in der Nacht auf umliegenden Anhöhen brauchbar in Stellung gebracht worden waren, zogen sich die Apachen am zweiten Tag der Schlacht zurück. Danach befahl Roberts Mittagspause und ließ frisches Trinkwasser ausgeben.

Mirco, der Italiener, entpuppt sich als Spartalent

Apropos Durst: Der Anstieg, zum Schluss gar auf geschotterter Straße, hat unsere Reichweite drastisch zusammenschnurren lassen. Allerdings sollte ein Kilo Restwasserstoff für die rund 40 vor uns liegenden Meilen bis zu Mittagsrast reichen. Da sagt man den Italienern immer ein nicht zubändigendes Temperament und einen undisziplinierten Gasfuß nach, aber Mirco ist ein wahres Spartalent und rollt die ersten sechs Meilen zurück ausschließlich mit Batteriestrom. Insgesamt hat unser Ausflug läppische 220 Gramm Wasserstoff verbraucht. Als Äquivalent in Rindfleisch gewogen, wäre diese Menge für einen ausgewachsenen Texaner nicht einmal ein halbes Steak, allenfalls ein Gruß aus der Küche.

Ein Hoch auf die Bohnen vom Vortag

"Restmenge?" fragt Mercedes-Tankchef Thomas Werner. "Sir, 0,49 Liter, Sir" lautet die Antwort. "Uih, der schlechteste Wert", sagt Werner. Jetzt schlägt unsere Stunde: "Tja, die anderen sind ja auch nur auf der Interstate rumgekrebst." Mit 360 Kilometern bis Willcox haben wir auf der bisherigen Tour den absoluten Distanz-Rekord aufgestellt. Der Durschnittsverbrauch lag bei bisher ungeschlagenen 0,89 Kilo auf 100 Kilometern, die andern Autos haben 0,91, beziehungsweise 0,93 gefahren.

Was niemand weiß: Nach zwei mexikanischen Essen am Vortag haben wir einen Rest unverdauter Bohnen übrig behalten und können uns jetzt mit dem Rückstoßprinzip zusätzlichen Vortrieb verschaffen. Nur die Aerodynamik steigt zuweilen ein wenig, wenn wir lüften müssen.

400 Kilometer Reichweite sind ohne Bummeln machbar

Am Nachmittag warnt Konvoi-Chef Stefan Reiff noch vor dem zweiten langen Teilstück, wegen des langsamen Anstiegs Richtung Phoenix. Hilfreich ist allerdings, dass die riesigen Ebenen mit den umliegenden Bergen ein Hochplateau  bilden, das über 1.000 Meter über Meereshöhe liegt. Der niedrigere Luftwiderstand macht Traumverbräuche möglich. Stefano und Stier legen am Nachmittag 0,88 Kilo Verbrauch vor, das gleiche schafft das Schwesterauto. F-Cell-Chefentwickler Adrian Wieser schafft sogar 0,87. "Nach so vielen Prüfstandsversuchen weißt du halt, wie du es optimal hinkriegst", sagt er.

Fest steht: 400 Kilometer sind unter guten Bedingungen machbar, und das auch ohne zu bummeln. Fest steht aber auch: Bei Tempo 100 oder 110 bist du auf den Interstates Arizonas der langsamste, denn das Tempolimit erlaubt 75 Meilen, oder 120 km/h. So richtig gut wird es erst, wenn du im Verkehr mitschwimmen kannst und trotzdem 400 Kilometer schaffst. "Warte mal ab, das kriegen wir auch noch hin", sagt Wieser.

Cameron warnt uns vor der Ölmafia

Das sind gute Nachrichten für Cameron. Der Kanadier begegnet uns unterwegs, um ein Foto der schönen Aussicht zu machen. "Wow, Wasserstoff! Könnt Ihr mir das auf meine Enduro bauen?". Na ja, das mit der Tankkapazität könnte ein kleines Problem sein. "Sagt mir, wann Ihr soweit seit, ich würde so ein Motorrad sofort kaufen." Er ist mal eben von Toronto heruntergeritten, in den USA ist der Sprit immer noch so schön billig. Und so lange das so ist, sieht Cameron schwarz: "Die Ölmafia hat doch gar kein Interesse daran, dass Ihr mit eurem Projekt Erfolg habe. Ihr passt besser auf, dass Ihr hier lebend rauskommt. Irgendwer hat vor zehn Jahren schon mal 50 Elektroautos gebaut. Die haben sie auch alle verschwinden lassen."
 
Wir sehen es schon vor uns. In den Bergen werden nach 20 Jahren drei verrostete B-Klassen gefunden. Von den Insassen hat man nie wieder etwas gehört oder gesehen. Die Spurensucher vom CSI San Carlos sind sich bei der Tätersuche nicht sicher: Exxon oder Apachen?
 
Von den legendären Kriegern haben wir keinen gesehen. Aber das muss ja nichts heißen. Das Sprichwort sagt: Éin Apache, der nicht gesehen werden will, den siehst du auch nicht. Es gibt Dutzende Berichte, wie die grimmigen Krieger inmitten flacher Steppe plötzlich aus dem aus dem Boden wuchsen und vor ihnen standen. Es ist genauso mysteriös wie das dritte Bier, das am Abend in Phoenix plötzlich auf dem Tisch wie aus dem Nichts auftauchte. Nun ja, wo es jetzt schon mal dasteht...