Mustang-Tuner

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Jeff Chapman sammelt „Fox-Body“-Mustangs und haucht ihnen durch Tuning neues Leben ein. Die vor 30 Jahren vorgestellte sechste Mustang-Generation besitzt heute Kultstatus. Sie war so schnell, dass sogar Polizei und Air Force auf den Geschmack kamen.
 

Mustang-Tuner in Kanada
Foto: press-inform

Rund 50 Ford Mustangs, manche davon schrottreif, stehen sich auf einer Wiese im kanadischen Georgetown die Reifen platt. Manche sehen aus, als habe man sie dort zum Sterben zurückgelassen. Doch der Schein trügt: Die Autos werden wieder aufgebaut oder warten zumindest als Organspender darauf, anderen Artgenossen zu neuem Leben zu verhelfen. 

„Fox-Body“- Der Ford Mustang war das langlebigste Ponycar

Jeff Chapman besitzt das Unternehmen „Mustang Specialteaz“, eine halbe Autostunde von Toronto entfernt. Ford Mustang-Fans aus ganz Nordamerika und Kanada kommen zu Jeff, um sich seltene Ersatzteile zu besorgen oder ihr Auto ordentlich tunen zu lassen. Jeff hat neben seiner Werkstatt ein Lagerhaus mit zehntausenden Teilen. Und alle gehören nur zu einer einzigen Mustang-Generation – dem „Fox-Body“-Mustang aus den 80er und frühen 90er Jahren. In Europa sind diese Autos kaum bekannt. Dabei war keine Generation des berühmten Ponycars so langlebig wie diese. Von 1979 bis 1993 lief der Wagen ohne große optische Änderungen vom Band.

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Zu Beginn war das Auto ein typisches Produkt der Ölkrisen-geschüttelten 70er Jahre: Klein und kantig, erschreckend gewöhnlich gestylt und bei den Motoren eher an Spritökonomie orientiert als an schwarzen Streifen auf dem Asphalt. Das klassische Mustang-Logo, das galoppierende Pferd auf dem Kühlergrill, war verschwunden und musste einem schnöden Ford-Schriftzug weichen. Optisch konnte der neue Mustang also nicht mit seinen legendären Vorgängern aus den 60ern mithalten, die sich durch Filme wie Steve McQueens „Bullitt“ ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben und bis heute in jedem billigen Musikvideo als Blickfang dienen.

Der „Fox Body“-Ford Mustang ist praktisch und vielseitig

Doch der „Fox“ – so hieß die Ford-Plattform, auf der das Auto gebaut wurde – teilte entscheidende Tugenden des Originals: Er war praktisch und vielseitig, bot innen viel mehr Platz als man ihm von außen ansah und blieb vor allem auch für kleinere Geldbeutel erschwinglich. Mit den Verkaufszahlen konnte Ford hochzufrieden sein. „Viele meiner Kunden sind um die 40 Jahre alt. Mit dem Fox-Body-Mustang verbinden sie viele Erinnerungen – oft war es das erste Auto, das sie in ihrer Highschool-Zeit besaßen“, sagt Jeff Chapman. Der gelernte Kfz-Mechaniker begann 1992 mit dem Mustang-Tuning, betrieb es zunächst nur als Hobby. „Die Autos sind leicht und wendig. Sie schreien gerade zu danach, ordentlich aufgemotzt zu werden“, sagt Jeff.

Heute ist der 80er Jahre-Ford Mustang auch bei jungen Autofans schwer im Kommen, die ein günstiges Tuning-Objekt im Understatement-Look suchen. Und Jeff hat sein Hobby längst zum Beruf gemacht. Unter der Haube der sechsten Mustang-Generation ging es in den ersten Produktionsjahren allerdings gemächlich zu. Der Basismotor scheuchte mit vier Zylindern mühsam 88 schlappe Pferdchen aus dem Stall. Etwas flinker ging es mit dem 2,8 Liter großen V6 voran, der aus Deutschland stammte und dort den Ford Capri antrieb. Das Aggregat blieb in den USA allerdings nicht lange im Programm.

Sport-Look für den Ford Mustang mit grellen Farben

Der erste V8, der im neuen Ford Mustang angeboten wurde, war klein und schwach. Ford experimentierte mit Vierzylinder-Turbomotoren, die aber ein gewaltiges Turboloch aufwiesen und den Ruf extremer Unzuverlässigkeit hatten. Aus Mangel an Leistung sollten grelle Lackierungen und „Cobra“-Pakete mit Spoilern, Lufthutzen und Schlangen-Grafiken auf der Haube Sportlichkeit vermitteln. „Der große Durchbruch kam mit dem Fünfliter-V8“, erzählt Mustang-Experte Jeff. Das Aggregat hatte den Beinamen HO (High Output), auch wenn 157 PS im Vergleich zu den amerikanischen Bigblock-Monstern der späten 60er Jahre nicht gerade beeindruckend erschienen.

Doch der neue V8 machte den leichten Ford Mustang schnell genug, wurde im Laufe seiner Produktion auf mehr als 200 PS gesteigert und bietet Bastlern und Tunern bis heute eine beliebte Basis. „Die Möglichkeiten, diesen Motor zu tunen, sind praktisch unbegrenzt“, sagt Jeff Chapman. Mit speziellen Auspuffanlagen und geänderter Achsübersetzung – der Mustang hat natürlich Hinterradantrieb – lässt sich noch mehr Performance aus dem Ponycar kitzeln. Beliebtes Extra ist die „Cowl Induction“-Haube mit einer riesigen rückwärts gerichteten Lufthutze, die die Motorhitze ableitet. „Dieses Baby hier bringt gut und gerne 400 PS auf die Straße“, grinst Jeff und zeigt auf den schwarzen Ford Mustang mit Lufthutze und extrabreiten Reifen, der vor seiner Werkstatt steht.

Der Ford Mustang half Flugzeugen beim Landen

Auch die Polizei wurde schnell auf das Potenzial der kantigen Ponycars aufmerksam. Die Highway Patrol in Kalifornien ersetzte in den frühen 80er Jahren ihre Camaros durch Stufenheck-Mustangs, ausgerüstet mit einem „Special Service Package“. Sirenen und Suchscheinwerfer, verstärkte Federung, Ölkühler, Sperrdifferenzial an der Hinterachse oder die Gewehr-Halterung im Kofferraum machten die Mustangs fit für den harten Polizeialltag. Den Spurt von 0 auf 100 km/h schafften die Fahrzeuge in weniger als sieben Sekunden. Sogar die amerikanische Luftwaffe erwarb einige Ford Mustangs, und zwar um damit buchstäblich Flugzeuge zu jagen: Der Spionage-Jet Lockheed U2 war mit seinen langen Tragflächen und dem kleinen Fahrwerk am Rumpf extrem schwer zu landen. Daher raste ein zweiter Pilot in einem Ford Mustang hinter der U2 auf der Landebahn her, um dem Piloten im Flugzeug kurz vor dem Aufsetzen per Funk Steueranweisungen zu geben.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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