Fahrbericht & Vorstellung Seat Leon Cupra R (2017)
Kompaktsportwagen mit 310 PS und besserem Fahrwerk

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Für den Bau des limitierten Cupra R reaktivierte Seat einen alten Technik-Fuchs und konsultierte einen schwedischen Supersportwagenbauer. Am stärksten arbeitete man am Fahrwerk, um den Kompaktsportwagen wendiger zu bekommen.

Seat Leon Cupra R - Kompaktsportwagen - Sonderserie - Fahrbericht
Foto: Seat

Der Nebel im bergigen Hinterland von Barcelona hat sich aufgelöst, die Sonne dominiert. Der Seat Leon Cupra R sonnt sich noch an der Startlinie. Es erwartet den Kompaktsportwagen gleich eine gut 6,5 Kilometer lange Wegstrecke bergauf, auf der sich schnelle Richtungswechsel, langsame Kurven und Spitzkehren mischen wie Nüsse, Mandeln und Rosinen in einer Packung Studentenfutter.

Startknopf drücken, der Vierzylinder-TSI knurrt auf, bevor es durch die zwei runden Endrohre knallt. Schnell noch in den Cupra-Modus wechseln. Dafür muss man einfach zweimal auf die Zielflagge auf der linken Seite der Mittelkonsole drücken. Jetzt leuchtet der Schalter gelb. Erster Gang, der Cupra spannt das Drehzahlband vor auf 2.500/min, Kupplungspedal langsam zurückziehen, dafür mit dem Gaspedal das Gegenteil machen. Die Antriebswellen treiben die Vorderräder mit leichtem Schlupf an, der Cupra R stürmt über eine lange Gerade auf die erste Kurvenkombination zu. Der Fahrer reißt den von Alcantara ummantelten Kopf des Handschalters von einer Schaltstufe in die nächste. Im Idealfall, verspricht Seat, beschleunigt der 310 PS und 380 Newtonmeter starke Kompaktsportwagen aus dem Stand in 5,8 Sekunden auf 100 Sachen. Also genauso flott wie der Cupra 300.

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Aero-Anbauteile mit Koenigsegg entwickelt

Fürs Geradeausfahren hat Seat ihn nicht nachgeschärft. Sondern fürs Kurvenfahren. Der R erreicht auf dem Geradeausstück 180 km/h, kurz anbremsen, einlenken: Die Vorderachse folgt dem Lenkeinschlag, der Cupra fädelt auf der Ideallinie ein, verbeißt sich auf der Kurveninnenseite und hält auch auf einer feuchten Asphaltstelle die vorgegebene Spur. Den Richtungswechsel in die folgende Rechts verkraftet er, ohne in Rollbewegungen zu verfallen.

Seat Leon Cupra R - Kompaktsportwagen - Sonderserie - Fahrbericht
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Mehr Anpressdruck dank neuer Aerodynamik-Teile: Der Cupra R erzeugt bei Höchstgeschwindigkeit sogar Abtrieb an der Hinterachse.

Die Hinterachse haftet dank der Semi-Slicks vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2. Einen Teil trägt aber auch die verbesserte Aerodynamik bei. Der Seat Leon Cupra R erzeugt mit seinem Carbon-Spoiler und Carbon-Diffusor im Gegensatz zum 300er sogar Anpressdruck auf der Hinterachse. In Zahlen: Statt 140 Newton Auftrieb sattelt er 60 Newton Abtrieb. An der Vorderachse reduzierte man den Auftrieb von 340 auf 240 Newton. Die Werte ermittelte Seat jeweils bei der Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h.

Aus dem Stoßfänger wächst dem Kompakten eine Carbon-Spoilerlippe, die für eine bessere Straßenlage sorgt. Die Kohlefaser-Bauteile entwickelte Seat mithilfe von Supersportwagenbauer Koenigsegg. Die Schweden betreiben in der Nähe von Barcelona ein Entwicklungszentrum. Unweit davon ist auch Seat Sport niedergelassen. In Martorell schmecken die Ingenieure und Entwicklungsfahrer um Jordi Gene den R ab. Die Tests führten den Kompakten auf drei Rennstrecken – neben zwei spanischen auch auf die Nürburgring. „Vor allem auf der Nordschleife spürst du die bessere Aerodynamik. Ich war überrascht, wie das Auto auf die Straße gepresst wird“, sagt Gene.

Heinz Hollerweger überwacht das R-Projekt

Seat kleidet den R auffälliger als den Cupra 300. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind die verbreiterten Radhäuser, die Kupfereinlagen in den Kühlöffnungen, die kupfernen 19-Zoll-Leichtmetallfelgen, Spiegel und Logos. Seat legt vom R insgesamt 799 Stück auf. 360 Exemplare der Sonderserie gehen nach Deutschland. Alle 360 mit Sechsgang-Handschalter. Zu einem Verkaufspreis von knapp unter 45.000 Euro. Für andere Märkte bietet der spanische Autobauer das DSG (47.980 Euro) an. Dann jedoch mit 300 PS. Im Innenraum finden sich die Kupferakzente an den Lüftungsdüsen, dem acht Zoll großen Bildschirm und der Schaltung wieder. Kupferfarbige Kontrastnähte verzieren die Schalensitze mit Alcantara-Bezug auf der Sitzfläche und an der Rückenlehne. Den Lenkradkranz bezieht man ebenfalls mit Alcantara. Kurzum: sanft und griffig.

Seat Leon Cupra R - Kompaktsportwagen - Sonderserie - Fahrbericht
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Kupfer-Stich für eine hochwertigere Anmutung im Innenraum.

Für die Entwicklung des Cupra R reaktivierte Seat einen alten Technik-Fuchs, der eigentlich schon in Rente ist. Seat-Chef Matthias Rabe klingelte bei Audi-Urgestein Heinz Hollerweger durch mit der Frage, ob der Ex-Quattro-Chef für ein halbes Jahr Zeit habe, das R-Projekt zu betreuen. Unter der Voraussetzung, es müsse lohnenswert sein und die Stückzahl dürfe 799 nicht übersteigen. Da steckt wohl folgender Gedankengang dahinter: Begrenze die Anzahl und erwecke damit automatisch Begehrlichkeiten.

Nach ein paar schnellen Kurven im ersten Abschnitt stürzt sich der Cupra R jetzt in langsamere Kehren. Teilweise mit einem Radius von 180 Grad. Die schwarzgefärbten Vierkolbensättel packen entschlossen die 370er Bremsscheiben an. Man würde sich auf den ersten Zentimetern auf der Bremse einzig etwas mehr Widerstand für ein besseres Druckgefühl wünschen. Im Cupra 300 muss die größere Bremsanlage über das Performance-Paket bestellt werden, das in Verbindung mit den Semi-Slicks den Preis von 34.730 Euro (5-Türer) um über 4.000 Euro erhöht. Ohnehin ist der R großzügiger ausgestattet. Assistenten wie die automatische Distanzregelung heben zwar den Komfort, aber auch das Gewicht. Zwischen Cupra 300 und Cupra R, der 1.453 Kilogramm wiegt, liegen über 50 Kilogramm.

Das ändert sich am Fahrwerk

Haben sie bei Seat auch über die andere Entwicklungsrichtung diskutiert? Also Gewicht rauszunehmen, um den Kompaktsportwagen zu radikalisieren? „So etwas hast du immer im Hinterkopf“, sagt Hollerweger. „Aber aktuell gibt es dafür keine Pläne. Für die Positionierung der Marke Cupra war es erst einmal wichtig, ein wertigeres Auto auf die Beine zu stellen. Es gibt nur wenige Freaks, die wirklich ohne Klimaanlage durch die Gegend fahren. Die Mehrzahl bestellt obendrauf.“

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Breitere Spur, mehr Sturz, direktere Lenkung: Seat hat den Cupra für mehr Agilität und Sportlichkeit nachgeschärft.

Der Cupra R arbeitet Kehre um Kehre ab. Die Lenkung stimmten die Ingenieure wie die elektronisch geregelten Stoßdämpfer für den Cupra-Modus neu ab. Man spürt den Unterschied zwischen den Modi Komfort und Sport gegenüber den Cupra-Kennlinien. Die Lenkung arbeitet schwergängiger, ohne zu verspannen, und lässt die Vorderräder bei gleichem Lenkwinkel stärker einschlagen. Um die Mittellage würde sie aber noch mehr Handmoment vertragen, um das Gefühl zu verbessern. In Komfort und Sport ist sie deutlich schwammiger.

Die Dämpfung härtete man sowohl in der Zug- als auch Druckstufe. Auf kurzen Bodenwellen und Unebenheiten hoppelt der Kompaktsportwagen schon mal. Damit der Cupra vehementer in die Kurven schneidet, erhöhte Seat den Radsturz an der Vorderachse um etwa ein Grad auf insgesamt 2 Grad. An der Hinterachse stecken sie um 1,85 Grad gekippt auf dem Radträger. „Durch die neuen Sturzwerte gewinnen wir ein paar Millimeter bei der Spur. Den Rest macht eine andere Einpresstiefe aus“, erklärt Hollerweger. Die Räder an beiden Achsen stehen um 3,2 Zentimeter weiter voneinander entfernt: Vorne wächst die Spur von 1.536 auf 1.568 Millimeter, hinten von 1.510 auf 1.542 Millimeter. Das optimierte Fahrwerk ergänzen härtere Motoren- und Getriebelager. Damit das angestrebte direktere Fahrverhalten nicht durch ein zu freizügiges Eigenleben im Motorraum zerstört wird.

380 Newtonmeter übermannen die Vorderachse

Für den gewöhnlichen Sportfahrer reichen diese Maßnahmen aus, um sich zwischen Leitplanken und Felswänden bergauf zu hangeln, ohne über die quergesperrte Vorderachse zu schrubben. Über die Vorderachse schiebt er erst, wenn man wirklich zu tief in die Kurve bremst oder ein bisschen zu schnell einbiegt. Interessant wäre es, wie sich die R-Version auf einer Standard-Bereifung verhält. Das Griplevel der Semi-Slicks sorgt für höhere Seitenführungskräfte.

Am Kurvenausgang sprudeln die 380 Newtonmeter schon ab 1.800/min über die Vorderachse. Unter Volllast übermannt das Drehmoment die Vorderachse und der R scharrt nach Traktion. Das ist bereits vom Cupra 300 bekannt. Ein Allradantrieb wie im Golf R Hatchback, der mit 310 PS und 400 Newtonmeter auftritt, würde auch dem Seat-Pendant gut stehen. Dritter Gang, vierter Gang, fünfter Gang: Sobald der linke Fuß kuppelt und die rechte Hand den nächsten Gang einlegt, rotzt der Vierzylinder-Turbo durch die Abgasanlage. Gleiches Spiel, sobald man Gas wegnimmt. Für Lastwechsel muss man den Cupra R wirklich provozieren.

Auf dem letzten Kilometer öffnen sich die Kurven, der Cupra R legt wieder an Tempo zu. Der Vierzylinder dreht über die 6.000er Marke. Die Maximalleistung liegt ab 5.800/min an, also 300 Umdrehungen später im Vergleich zum Cupra 300, zieht sich dafür aber auch bis 6.500/min. Nach gut vier Minuten schlängelt sich der Kompaktsportwagen durch die letzten Kurven: unaufgeregt und trotzdem unterhaltsam. Reserven scheinen noch reichlich vorhanden.

Fazit

Der R kostet gut 10.000 Euro mehr als der Standard-300 mit Standard-Ausstattung. Seat verbesserte das Fahrwerk, die 10-Mehr-PS sind mehr was für den Stammtisch. Es wäre eine Überraschung, wenn die Spanier nicht alle 799 Modelle an den Mann oder die Frau bringen. Mir wäre der andere Weg noch lieber: reißt die Dämmmaterialien raus, vielleicht noch die Rückbank und verzichtet auf ein paar Assistenten und eine Klimaanlage. Ja, das ist was für die Freaks. Aber auch ein Imageträger. Man darf auch mal unvernünftig sein. Da sollte die Konzernmutter mal ein Auge zudrücken.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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