Fahrbericht Nissan Juke-R 2.0
600 PS im Mini-SUV? Läuft.

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Zum zweiten Mal transplantiert Nissan den Antrieb des GT-R in sein Kompakt-Crossover – und legt dabei noch mal 50 Extra-PS oben drauf. Wir sind den 600 PS starken Nissan Juke-R 2.0 gefahren.

Nissan Juke-R
Foto: Nissan

Eine Kreuzung aus Supersportler, Brot und Butter – so verrückt sich das auch anhören mag, es ist nichts neues: Denken Sie nur mal an den Golf mit W12-Mittelmotor, an BMWs Le-Mans-Prototypen im X5-Gewand! Oder nehmen sie Mercedes, die vor ein paar Jahren mal einen 5,5-Liter-AMG-V8 in die B-Klasse gequetscht haben.

Verrückte Kreuzungen gab's schon überall – auch bei Mercedes

Motto jeweils: Kann man mal machen, sorgt für Furore, für Presse, für Image – und verschwindet dann ganz schnell in der Tiefgarage, ehe irgendwer auf dumme Gedanken kommt. So, und genau das ist der entscheidende Unterschied zu diesem Krümelmonster hier: Nissan hat es nicht nur gemacht, sie haben es auch gebracht. Ganz im Ernst, damals 2011, die Nippon-Fraktion erinnert sich

Und wie das eben so ist, nach ein paar Jährchen ist es Zeit für eine Modellpflege, oder in diesem speziellen Fall für ein Update auf Version Zwei-Punkt-Null. Nicht aus irgendeiner Notwendigkeit heraus, sondern einfach aus Lust und Laune, weil es für den Gag nun eine neue Pointe gibt. An der Story an sich ändert sich jedenfalls nichts. Drüber die Karosserie des Juke, etwas dramatisiert, etwas aerodynamisiert, etwas gewichtsoptimiert; drunter die Anatomie eines GT-R, die man des kompakteren Formats entsprechend zurechtstutzte.

Das Resultat: keine 4,20 Meter lang, Allradantrieb, Doppelkupplungsgetriebe und natürlich der V6-Biturbo, der – jetzt kommt’s –statt wie einst 550 PS nun die vollen 600 der Nismo-Ausbaustufe bekommt. Nur nochmal zum Verständnis, wir reden hier von einem Auto in der Größenordnung von Mini Countryman, Skoda Yeti und Fiat 500 X. Und ja, ich gebe Ihnen Recht, wirklich vorstellen kann man sich das nicht.

Nissan Juke-R 2.0 kostet mehr als 250.000 Euro

Umso grotesker, dass es hier in England nun leibhaftig dasteht, ungeduldig vor sich hin röchelt, knistert, knackt, duftet, und einem dabei fast ein wenig Furcht einflößen würde, wenn es nicht gar so ulkig aussähe. Bevor wir Baby-Godzilla auf den Rücken springen, aber noch was Wichtiges: ich kenne die Ursprungsversion von Bildern, aus YouTube-Clips, durch Erzählungen, aber nicht aus eigener Erfahrung – wahrscheinlich wie die überwiegende Mehrheit hier.

Sollte sich also einer deren Besitzer – es sei eine Handvoll, allesamt mit Garagen in den Emiraten – von dieser Geschichte eine detaillierte Abhandlung darüber erwarten, ob es sich wegen der 50 Mehr-PS nun lohnt, noch mal einen unbekannten Betrag jenseits einer viertel Million Euro locker zu machen, ehrlich gesagt: keine Ahnung, aber: Ja!

Denn nach wie vor ist der Monster-Juke ist das Auto, wenn man alles andere bereits hat – und selbst dann noch ein Erlebnis. Beine über die Käfigstreben fädeln, reinschlüpfen, sacken lassen in die Schalensitze, Vierpunktgurte festzurren. Ambiente? Zweckmäßig, ungeschminkt, und ein bisschen provisorisch. Mit anderen Worten: man merkt dem Cockpit-Mobiliar stellenweise an, dass die verschiedenen GT-R-Komponenten nicht von vornherein vorgesehen gewesen sind. Aber genau das macht seinen Reiz zu einem ganz besonderen: der Juke-R ist keiner dieser Perfektionisten, keiner den sie in endlosen Evaluierungsprozessen rundgelutscht haben, sondern einer, der noch allein nach dem Wille-Weg-Prinzip entstand.

Nissan Juke-R 2.0 ist zunächst schneller als der GT-R

Und sobald du das erste Mal losboostest, wird klar, dass neben Humor und Leidenschaft auch noch eine gehörige Portion Wahnsinn Teil der Entwicklung gewesen sein muss. Schon ein normaler GT-R ist das ziemlich genaue Synonym für Maximaldynamik, als Nismo sowieso, aber dieses Ding hier geht noch mal einen Tick bestialischer – zumindest geradeaus, zumindest dem Vernehmen nach. Beweise dafür gibt es keine, nur die Zeugenaussagen der Gentlemen Instruktoren, die es am Vorabend rausgefahren haben wollen – in einem Dragrace, wie Männer das halt machen, sagen sie: Bis in den vierten Gang habe der Juke-R die Nase vorn, erst dann spiele der GT-R Nismo seinen geringeren Luftwiderstand aus und ziehe vorbei.

So oder so, an Spektakel mangelt es nicht. Die geweitete Frontschürze schlürft nun deutlich mehr Luft in 3,8-Liter hinein, während die diabolische Maschinerie den Innenraum ruckzuck auf das Temperaturniveau eines Dampfgarers erhitzt; am Heck schaukeln sich der Auspuffbass und das apokalyptische Fauchen der Lader zu einer Symphonie der Vernichtung hoch, und in der Mitte sitzt man selbst, und wolpertingert durchs Infield von Silverstone.

Der Biturbo braucht ein Weilchen um Luft zu holen, ein recht ausgedehntes Weilchen sogar, dann jedoch fegt er die rund 1.750 Kilo vorwärts. Taifunartig, bewusstseinserweiternd, und je nach Lenkwinkel zielstrebig oder unterhaltsam. Geradeaus wandelt der Allrad das enorme Drehmoment stur in Vortrieb um, Kurvenausgangs übermannt es ihn ein wenig, bürstet über alle Viere in herrliche Slides. Soweit, so GT-R. Doch es gibt zwei Unterschiede, zwei gravierende: der eine ist die erhabenere wenngleich nicht überhöhte Sitzposition; der andere entsteht durch den kurzen Radstand.

Einen GT-R bedient man, nach dem Juke-R bist du bedient

Normalerweise, also im originären Körper, ist Godzilla ein echtes Performance-Tier. Permanent richtet er sich neu auf die Ideallinie ab, misst Gierraten, Lenkwinkel, G-Kräfte, verschiebt Drehmomente, phasenweise schon im Vornherein, um das Limit bis in den hintersten Winkel auszureizen. Als direkter Verwandter agiert der Juke-R zwar nach dem gleichen Prinzip, nur bekommt das Antriebssystem seine gedrungenere Anatomie nicht ganz so in den Griff. Er ist unruhiger, beim Bremsen ebenso wie beim Einlenken, hoppelt, zappelt, zickt, muss immer wieder korrigiert, bisweilen eingefangen werden und büchst auch schon mal mit der Hinterachse aus, wenn man ihn man ihn zu sehr mit Lastwechseln drangsaliert.

Dazu der Sprengsatz unter der Fußsohle, die stocksteife Karosserie, der Klang, die Bullenhitze – bestimmt kennen Sie das ebenso oft wie voreilig bemühte Bild vom Ritt auf der Kanonenkugel: bei allem Respekt vor den ganzen Anderen, über die wir das schon geschrieben haben, so nah wie der Juke-R war hundertpro noch keiner dran.

Technische Daten
Nissan Juke-R Nismo
Grundpreis500.000 €
Außenmaße4135 x 1910 x 1665 mm
Hubraum / Motor3799 cm³ / 6-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit275 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten