Importracing-Nissan GT-R, Techart-Porsche 911 Turbo S
Schwäbische Tuning-Raketen im Vergleichstest

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Es gibt Autos, da hast du nachts einfach keine Lust zu schlafen. Zwei getunte Wachmacher im Vergleichstest: Der Porsche 911 Turbo S von Techart mit 620 PS trifft auf den Nissan GT-R von Importracing mit 700 PS.

Importracing-Nissan GT-R, Techart-Porsche 911 Turbo S, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Mittwoch soll der neue Montag sein. US-Forscher haben herausgefunden, dass angeblich nicht der erste Tag der Woche der schlimmste ist, sondern der dritte. Doch statt Lethargie heißt es an diesem Mittwochabend Ladedruckfestspiele zur Wochenmitte: 620 gegen 700 PS, der 911 Turbo S von Techart tritt gegen den Nissan GT-R von Importracing an.

Biturbo-Treffen zwischen Techart-Porsche und Importracing-GT-R

Leonberg (Techart) oder Benningen am Neckar (Importracing) – nur 30 Kilometer trennen die beiden Tuner aus dem Schwabenland, doch sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Hier der seit 25 Jahren etablierte Porsche-Veredler mit 70 Mitarbeitern, dort der auf Japan-Kracher spezialisierte Zweimannbetrieb. 260.496 Euro ruft Techart für den modifizierten Porsche Turbo S auf, 85.000 Euro weniger werden für den Über-GT-R von Importracing fällig.

Nicht nur preislich liegen die beiden Biturbo-Projektile so weit auseinander wie Maßanzug und lässiger Kapuzenpulli. Im Vergleichstest geht es daher auch weniger darum, wer die nüchterne Punktewertung gewinnt, sondern wie unterschiedlich die Faszination Biturbo ausgelebt werden kann.

Tür auf, rein in das Turbo-S-Interieur. Grelle Ziernähte, Carbon-Applikationen, mehrfarbige Instrumentenziffernblätter oder Aluminium- Einstiegsleisten mit beleuchtetem Techart-Schriftzug – was ab Zuffenhausen oder in der Porsche-Exclusive-Abteilung nicht geht, gibt's spätestens in den Techart-Hallen in Leonberg. BB-T 991 fährt allein im Innenraum stolz Modifikationen im Wert eines fabrikneuen Kleinwagens umher (17.546 Euro).

Techart-Porsche 911 Turbo S bollert herrlich

Nicht minder exklusiv fallen die Karosserieveränderungen am Techart-Porsche 911 Turbo S aus. Während ein fest stehender Heckflügel den verstellbaren Serienflügel des Porsche 911 Turbo S ersetzt, kommt an der Front ein Frontspoiler zum Einsatz, ohne dass dabei auf die aktive Aerodynamiklippe verzichtet werden muss.

"So bleiben trotz veränderter Optik die aerodynamischen Bestwerte des Serienmodells erhalten", erklärt Martin Schmidt, Techart-Entwicklungschef. Neben Front- und Heckflügel setzt sich der getunte Turbo S von Techart durch Aero Wings, lackierte Zierstege, Scheinwerferblenden, neue Seitenschweller, einen Heckdiffusoraufsatz sowie einen Dachspoiler und Dekorstreifen optisch von seinen Serienbrüdern ab (Preis Exterieuränderungen: 16.297 Euro).

Und wie fährt der getunte Porsche 911 Turbo S im Vergleichstest? Der Biturbo-Boxer des Techart-Porsche 911 Turbo S fasziniert mit seinem kernigeren Klang. Während sich das Serienmodell maximal zu einem präsenten Rauschen unter Volllast verleiten lässt, bollert die Techart-Abgasanlage mit Klappensteuerung nicht nur beim Motorstart, sondern auch bei Gaspedallupfern herrlich auf. 5.997 Euro sind zwar kein Schnäppchen für das Auspuff-Konzert – aber doch gut investiert.

Importracing-Nissan GT-R mit Alcantara-Innenraum

Trotz der Kombination aus Seriendämpfern und strafferen Tieferlegungsfedern (Aufpreis: 1.088 Euro) fährt sich der Techart-Porsche 911 Turbo S im Alltag ähnlich angenehm wie schon das Serienmodell. Genau jetzt, während wir komfortabel mit dem Porsche durch die Mittwochnacht cruisen, wechseln wir im Vergleichstest den Planeten und steigen in den Nissan GT-R von Importracing um.

Komfort, Alltagstauglichkeit, Kompromissbereitschaft – pah, alles Fremdwörter für den Japaner mit schwäbischem Dialekt. Startknopf drücken – und es folgt eine Komposition aus Mahlen, Sirren und Rasseln. Die mechanischen Geräusche des Serienantriebsstrangs toppt die Importracing-Version locker. Dazu gesellt sich, dank Downpipes und einer Y-Pipe mit zwei HJS-Kats, ein wummernder Auspuff-Bass, der jeden Rocker neidisch macht.

Statt der GT-R-Seriensessel umschlingen uns dabei Recaro-Poleposition-Schalensitze, die nicht nur besseren Seitenhalt bieten, sondern auch 32 Kilo gegenüber den Seriensitzen einsparen. "Wir haben den Innenraum komplett mit Alcantara ausgekleidet", erzählt Importracing-Chef Alex Wutzke. In der Tuningversion kann keiner mehr über die vermeintliche Plastikhöhle aus Japan jammern.

Tuner müssen nachsitzen

Statt der Optik sind uns die Fahrleistungen wichtiger. Nach der nächtlichen Fotofahrt ruft traditionell im Vergleichstest unser Testflugplatz in Lahr (Beschleunigungs-, Brems- und Slalomtests) sowie der Kleine Kurs in Hockenheim zur Ermittlung der Rundenzeiten. Dass Tuningfahrzeuge zuweilen Geduld erfordern, stellen dabei sowohl der Techart-Porsche 911 Turbo S als auch der Importracing-Nissan GT-R unter Beweis.

Der getunte Porsche rollte gleich zweimal jeweils nach Lahr und nach Hockenheim, bevor die Messwerte im Kasten waren. Einmal Lahr, zweimal Hockenheim – auch der Importracing-GT-R musste nachsitzen.

Dank der Leistungssteigerung (4.641 Euro) schiebt der Turbo S statt mit 560 PS nun mit 620 PS an. Doch das Tuningmodell aus Leonberg muss sich den Vergleich mit einem besonderen Turbo-S-Zeitgenossen gefallen lassen: Der bereits getestete Pressetestwagen (sport auto 2/2014) lieferte auf dem im Supertest genutzten Leistungsprüfstand eine Höchstleistung von 607 PS und 784 Nm ab.

Im ersten Anlauf tobte die Techart-Version in 3,0 s respektive 10,0 s über die Marken von 100 und 200 km/h – damit lag der getunte Turbo S exakt auf dem Niveau des Porsche-Testwagens. Außerdem verpokerte sich Techart bei der Reifenwahl und trat zunächst mit Michelin-Pilot-Super-Sport-Bereifung an. Trotz unveränderter Keramik-Bremsanlage verzögerte das Tuningmodell aber nur mit mittelmäßigem Bremswert von 35,0 Metern.

Techart-Porsche 911 Turbo S in 2,9 Sekunden auf 100 km/h

Beim zweiten Redaktionsbesuch sattelte Techart auf leichtere Zentralverschlussräder sowie Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Bereifung um. Eine vielversprechende Rad-Reifen-Wahl. Mit 32,7 Metern bremste der Techart-Porsche 911 Turbo S im Vergleichstest nun deutlich besser und auf dem Niveau des Pressetestwagens (31,9 m). Viel wichtiger ist dem Porsche-Tuner jedoch die Beschleunigung.

Ein lässiger Launch-Control-Start, und die Fabelwerte des Pressetestboliden sind endlich pulverisiert – der Techart-Turbo S stürmt in 2,9 Sekunden auf 100 km/h, überfliegt nach 9,5 Sekunden Tempo 200 und klopft nach 28,8 Sekunden an die 300-km/h-Schallmauer. Das ist eine Ansage, letztere Speedmarke knackt die Tuningversion über zwei Sekunden früher als das Pressemobil (0–300: 31,0 s).

Und in Hockenheim? Insgesamt verhält sich der getunte 620-PS-Allradler – wie schon das Serienmodell – im Grenzbereich erstaunlich umgänglich. Der mit Dunlop Sport Maxx Race besohlte Werkstestwagen aus Zuffenhausen agierte jedoch am Limit noch etwas neutraler. Mit einem leichten Kurveneinlenkuntersteuern verschenkt der Techart-Porsche 911 Turbo S wertvolle Zehntelsekunden. Mit 1.08,9 Minuten umrundet er den Kleinen Kurs zwei Zehntelsekunden langsamer als der Werks-Turbo S.

Spezialisten wissen jedoch die unterschiedlichen Vorzeichen richtig zu interpretieren – der Pressetestwagen trat bei idealen 17 Grad Außentemperatur an, während der Techart-Turbo S bei wohligen 27 Grad in Hockenheim kämpfen musste.

Importracing-Nissan GT-R in 8,8 Sekunden auf Tempo 200

Wir beamen uns gedanklich zurück ins Nissan- GT-R-Cockpit von Importracing. Schmiedepleuel, Hochleistungskopfdichtungen und Stage-1-Hybrid-Turbolader züchten den 3,8-Liter-V6-Biturbo auf 700 PS hoch. Unter Volllast kapituliert die eigentlich nur bis 1,5 bar ausgelegte Serien-Ladedruckanzeige und schlägt einmal um. Kein Wunder angesichts des Ladedruck-Peaks von bis zu 1,6 bar im Importracing-GT-R. Angesichts des massiven Drehmoment-Punchs von maximal 950 Nm (Serie: 632 Nm) setzt Importracing unter anderem auf eine Achtscheibenkupplung sowie verstärkte Kupplungskörbe. Kein billiges Vergnügen: Die Änderungen am Antriebsstrang kosten rund 32.000 Euro.

Während der getunte Turbo S Launch-Control-Starts mit fast nüchterner Routine abspult, geht im Importracing-Nissan GT-R mehr der Punk ab. Etwas Schlupf an allen vier Rädern verhindert einen noch besseren 0–100-Wert als die in den Boden gestanzten 2,9 Sekunden (550-PS-Serienmodell: 3,3 s). Nach 8,8 Sekunden stürmt der Power-Allradler über den 200-km/h-Gipfel (Serie: 11,5 s), bevor nach 26,8 Sekunden die 300-km/h-Marke Geschichte ist. Wer sport auto-fremde Sprintzeiten zum Vergleich bemüht, darf nicht vergessen, dass bei uns längsdynamische Messwerte immer mit zwei Personen und randvollem Tank ermittelt werden.

Die mit Toyo-Proxes-R888-Semislicks und der hauseigenen Importracing-Big-Brake-Bremsanlage – mit größeren Bremsscheiben sowie Sechskolben-Sätteln rundum – ermittelten Bremswerte unterbieten die des Serien- GT-R ebenfalls (Serie: 100–0 km/h warm: 34,7 m; Importracing-GT-R: 33,2 m).

Für die Rennstrekce ausgelegt

Bereits auf der Anreise nach Hockenheim merkt man, dass die Fahrwerksabstimmung des dreifach verstellbaren KW-Clubsport- Fahrwerks für die Rennstrecke ausgelegt wurde. Im Vergleich zum Techart-Porsche 911 Turbo S mit ruhigem Geradeauslauf wird der Importracing-Nissan GT-R im Alltag von Spurrillen fast magisch angezogen. Für den Trackeinsatz gab's außerdem härtere Stabis an der Vorder- und Hinterachse sowie modifizierte Achslager, um einen größeren Einstellbereich bei Sturz und Nachlauf zu ermöglichen (Preis Fahrwerksänderungen komplett: 6.500 Euro).

Wie bereits erwähnt, besuchte uns der Importracing-Nissan GT-R zweimal in Hockenheim. Das erste Mal mit 20-Zoll-HRE-Rädern und Toyo-Proxes-R888-Bereifung im Format 285/ 35 vorne und 315/30 hinten. Während der Toyo auf leichteren Fahrzeugen relativ gut funktioniert, arbeitet er auf dem schweren Allradmonster in Hockenheim jedoch nur eine schnelle Runde verlässlich. Danach baut der R888 spürbar ab.

Speziell beim Anbremsen und Einlenken merkt man das nachlassende Gripniveau im Vergleichstest schnell. Trotz insgesamt direkterem Einlenkverhalten im Vergleich zum Serienfahrzeug geht auch der Importracing-GT-R spätestens dann ins Untersteuern. Die eine schnelle Runde mit der Toyo-Bereifung reicht jedoch locker, um den zuletzt gemessenen Serien-GT-R (sport auto 8/2013: 1.09,6 min) in 1.08,9 Minuten sofort niederzustrecken.

Importracing-Nissan GT-R etwas schneller in Hockenheim

Doch da geht noch mehr. Für den zweiten Versuch wechselt Importracing von Toyo R888 auf Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Bereifung (Format: 295/30 vorne und 305/30 hinten). Leider keine flammneuen Reifen, sondern Pneus, die bei einem vorherigen Rennstreckenbesuch bereits angeglüht worden waren. Unglücklich, denn die Reifen verlieren dadurch ihren Peak für eine absolute Bestzeit. Im Vergleich zu den Toyos liefert der Michelin Cup 2 jedoch ein präziseres Fahrverhalten an der Vorderachse – der Importracing-Nissan GT-R lenkt nun messerscharf ein und bremst deutlich besser.

Dafür wird die Hinterachse nun zur Baustelle. Plötzlich kämpft der Importracing-Nissan GT-R bei der kleinsten Gaspedalbewegung mit zackigem Übersteuern unter Last. "Ups, da hab ich beim Mapping aus Versehen ein Häkchen falsch gesetzt, sodass die ganze Zeit der volle Ladedruck anliegt", erklärt der Import-Chef anschließend. Die Rundenzeit kann sich trotz der nicht ganz idealen Bedingungen sehen lassen: 1.08,7 Minuten. Fazit: Selten war das Sprichwort "Probieren geht über Studieren" so zutreffend wie bei diesem Tuningtest.

Technische Daten
TechArt 911 Turbo S Turbo SImportracing GT-R Black Edition
Grundpreis197.041 €96.400 €
Außenmaße4506 x 1880 x 1296 mm4670 x 1895 x 1370 mm
Kofferraumvolumen375 l315 l
Hubraum / Motor3800 cm³ / 6-Zylinder3799 cm³ / 6-Zylinder
Leistung456 kW / 620 PS bei 6000 U/min515 kW / 700 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit328 km/h332 km/h
0-100 km/h2,9 s2,9 s
Verbrauch9,7 l/100 km11,8 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten