Caterham Project V Elektro-Revolution
Erste Sitzprobe im elektrischen Caterham

Caterham hat einen völlig neuen Elektro-Sportwagen vorgestellt. Der ist nach Art des Hauses sehr leicht und bietet ordentlich Fahrspaß.

Nach Vorab-Ankündigungen und einigen Teaserbildern hat Caterham nun den völlig neuen Elektrosportler "Project V" vorgestellt. Wie bereits vor der Premiere zu erkennen war, handelt es sich um ein geschlossenes Sport-Coupé mit einer ziemlich feschen Formensprache. Und wir konnten bereits darin Platz nehmen, siehe Absatz "Sitzprobe".

Der Project V bleibt der Linie des Hauses verbunden: Leicht, fahraktiv und ausreichend motorisiert, um vor allem im Kurvengeschlängel gute Laune zu verbreiten. "Ein elektrischer Caterham in jeder Form und Größe muss dem treu bleiben, was uns von allen anderen unterscheidet: leicht, einfach und mit einem unvergleichlichen Fahrerlebnis – das ist unsere DNA", sagt dazu Bob Laishley, der Caterham-CEO. Die von Caterham gewohnten spektakulären Leergewichte im Bereich von 500 bis 600 Kilo lassen sich bei einem E-Auto mit der schweren Batterie natürlich nicht realisieren, doch im Strom-Auto-Umfeld kann man die angekündigten 1.190 Kilo leer ohne Übertreibung spektakulär nennen. Den Leichtbau erreicht Caterham mit einem Fahrgestell aus Kohlefaser- und Aluminiumverbundwerkstoff sowie einer Verbundwerkstoff-Karosserie.

Goodwood 2023

1.190 Kilo treffen auf 272 Elektro-PS

Befeuert wird das Leichtgewicht von einem Permanentmagnet-Synchronmotor, der die Hinterachse antreibt und es auf 200 kW/272 PS Leistung bringt. Der Strom kommt aus einer 55 kWh-Batterie, die laut Caterham für 400 Kilometer Reichweite gut sein soll. Für Caterham-Verhältnisse ist der Project V ein richtig großes Auto: 4.255 mm Länge und 1.893 mm Breite entsprechen ungefähr der Grundfläche eines aktuellen VW Golf. Die Höhe ist dagegen nicht so sehr Golf: Angesichts der 1.226 Millimeter dürfen die zukünftigen Besitzer selbst eine gewisse Grundsportlichkeit für den unfallfreien Einstieg mitbringen.

Caterham Project V Elektro-Sportwagen
Caterham
Der Caterham Project V bringt es ungefähr auf die Grundfläche eines VW Golf. Bei der Einstiegshöhe dürfen die Nutzer allerdings selbst eine gewisse Sportlichkeit mitbringen.

Exklusive Sitzprobe im Caterham Project V

Die angegebenen Fahrleistungen des Project V versprechen Vergnügen, speziell der Nullhundert-Wert von 4,5 Sekunden. 230 km/h schnell darf der Project V auf der Autobahn unterwegs sein, was aber sicher nicht das bevorzugte Einsatzgebiet dieses Elektro-Sportlers sein dürfte. Neuland für Caterham-Fans dürfte zudem das Cockpit sein, das sich fast schon wohnlich zeigt. Also gleich einmal eingestiegen zur ersten Sitzprobe.

Dafür, dass der Projekt V nur 1,22 Meter hoch ist erfolgt der Einstieg erstaunlich leicht und ohne große Akrobatik. Groß gewachsene Autofahrer dürften sich dennoch mehr Kopffreiheit wünschen. Einmal eingestiegen, möchte man eigentlich direkt losfahren. Dazu tragen vor allem die äußerst bequemen Schalensitze bei. Das Armaturenbrett ist aufgeräumt, ohne dabei kahl zu wirken. Alle Instrumente sind gut ablesbar und der Retrolook überzeugt trotz digitaler Anzeigen. Er passt gut zum Fahrzeug, welches sich im Innenraum sonst wenig verspielt zeigt. Hier steht die Gewichtsreduzierung klar im Vordergrund, woran beispielsweise auch die Schlaufen zum Öffnen der Türen erinnern. Sie sind aus griffigem Leder gefertigt und fühlen sich wie auch der Rest der Interieurs hochwertig und gut verarbeitet an.

Für dieses Showcar hat sich Caterham merklich richtig viel Mühe gegeben. Es bleibt zu hoffen, dass es die blau-graue Kombination aus Alcantara, Carbon und Leder auch ins Serienmodell schafft. Die größte Überraschung versteckt sich unauffällig im Fond: Der Projekt V ist der erste Caterham mit mehr als zwei Sitzen. Das 2 + 1 Layout spart Gewicht gegenüber der Variante mit zwei Notsitzen, außerdem habe man in der mittleren Position mehr Beinfreiheit und eine bessere Sicht nach vorne, erklärt der Pressesprecher.

Was bisher geschah ...

Caterham baute bisher puristische Sportwagen im Stil des Lotus Seven. Graham Nearn, ein Lotus-Händler aus dem englischen Örtchen Caterham, kaufte die Lizenz zum Bau der Autos 1973 direkt von Lotus-Gründer Colin Chapman. Kleine Verbrennungsmotoren (früher von Rover, heute von Ford) waren bisher immer essenzieller Bestandteil von Caterhams Leichtbau-Konzept. Im Mai 2021 hatte der damalige Caterham-Chef Graham Macdonald die Entwicklung von elektrischen Caterhams angekündigt. Fans waren verunsichert – schließlich passte für sie ein Elektroauto mit schwerer Batterie nicht zu ultraleichten Seven Cars. Bob Laishley, seit Juni 2022 neuer Chef bei Caterham, hatte die Seven-Car-Fans damals beruhigt: Der Neue "wird definitiv kein Seven." Allerdings: Ein zusätzlicher elektrischer Seven kommt jetzt doch. Zu sehen sind die beiden Elektro-Caterhams auf dem Goodwood Festival of Speed (Donnerstag, 13. Juli bis Sonntag, 16. Juli 2023).

Neuer Designchef bei Caterham ist der Franzose Anthony Jannarelly, der beim neuen Elektroauto mit dem Turiner Designstudio Italdesign zusammenarbeitet. Letztere sind auch für den Aufbau des Conceptcars verantwortlich. Jannarelly ist für genau das Gegenteil von leichten, einfachen Autos bekannt – seine berühmteste Kreation ist mit dem Lykan HyperSport ein 791 PS starker Mittelmotor-Supersportwagen des libanesischen Herstellers W Motors, der sein Hauptquartier in Dubai hat. Als Jannarelly wegen der Arbeiten am Lykan HyperSport nach Dubai ging, hat er sich nach eigenen Angaben seinen ersten Caterham gekauft, weil er unbedingt ein einfaches Auto wollte.

Geld für die Entwicklung kommt zum Teil auch von Caterhams neuem Eigentümer: Die 1983 als Honda Verno Tokai gegründete japanische Händlergruppe VT Holdings hat sich inzwischen den britischen Sportwagenhersteller einverleibt. Obwohl noch nichts Konkretes zum Design des Caterham-Elektroautos an die Öffentlichkeit gelangt ist, hat VT-Holdings-Chef Kazuho Takahashi angedeutet, dass das Auto bereits 2026 in Produktion gehen könnte. Caterham geht davon aus, dass das Elektroauto dann das meistverkaufte Modell der Marke ist – und es wird teurer sein als die bisher bekannten Seven Cars.

elektrischer Caterham Seven
Caterham
Auch von seinem legendären Seven baut Caterham eine reine Elektro-Variante.

Technische Daten zum Elektro-Seven

Inklusive Antriebs-Akku soll der elektrische Caterham Seven nur 700 Kilogramm wiegen. Für ein Seven Car ist das zwar ein hohes Gewicht, aber für ein Elektroauto ist es wiederum sensationell wenig. Zum Vergleich: Selbst der kleine Dacia Spring wiegt etwas mehr als eine Tonne. Für den Vortrieb ist ein an der Hinterachse sitzender Elektromotor mit 240 kW (326 PS) zuständig – macht 2,9 Kilogramm pro Kilowatt (2,1 kg pro PS). In 3,4 Sekunden soll der Spurt auf 100 km/h gelingen und angeblich sind dauerhaft 20 Minuten "Vollgas" auf der Rennstrecke drin. An einem 150-kWh-Lader soll die Batterie innerhalb von 15 Minuten wieder aufgeladen sein. Dies ist möglich, da eine dielektrische Flüssigkeit während des Ladens den Akku kühlt. Bei der Hinterradaufhängung haben sich die Ingenieure für eine de-Dion-Konstruktion entschieden, da diese kompakter ist als ein Mehrlenker-Aufbau.

Caterham Seven 620 R, Frontansicht
Rossen Gargolov
Der Caterham Seven 620 R spurtet in 2,79 Sekunden auf Tempo 100 - die neuen EV-Sevens sollen genauso schnell sein.

Irrwitzige Beschleunigungszeit

Graham Macdonald war nach eigenen Angaben bereits einen elektrischen Caterham-Prototyp gefahren. Wegen des bei einem Elektromotor bereits im Stand anliegenden maximalen Drehmoments stellt er für die Beschleunigung von null auf 100 km/h eine Zeit von 2,79 Sekunden in Aussicht – so schnell wie ein Caterham 620 R, der 310 PS stark ist, aber nur 602 Kilogramm wiegt. Allerdings ist unklar, ob Macdonald damit den Elektro-Seven oder das Auto mit der neuen Karosserieform gemeint hat.

CCK-Westfield Sport 300, Exterieur
Rossen Gargolov
Caterham-Konkurrent Westfield aus dem englischen Kingswinford baut bereits seit über zehn Jahren einzelne Trackmodelle auf Elektroantrieb um (im Bild ein Westfield Sport 300 mit Verbrennungsmotor).

Der neue Elektro-Caterham soll frühestens 2026 in Serie gehen. Trotz einiger Kundenanfragen kommt der elektrische Caterham Seven ebenso nicht kurzfristig auf den Markt. Caterham-Chef Bob Laishley betont, dass das Elektroauto auf den Markt kommt, wenn es für den kleinen Hersteller wirtschaftlich am sinnvollsten ist. Allerdings gibt es bereits eine Preisansage für den Project V-Caterham. Dieser soll ab rund 80.000 Pfund kommen, umgerechnet nach aktuellem Kurs sind das rund 94.000 Euro.

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Fazit

Caterham nutzt den Übertritt ins Elektroauto-Zeitalter, um sich aus seiner winzigen Seven-Car-Nische zu befreien. Einen solchen Ausbruch haben die Briten 1994 mit dem Roadster Caterham 21 zwar schon einmal probiert, aber das Auto war unterentwickelt – auf seine Existenz ist der Hersteller heute nicht allzu stolz. Auch der zweite Versuch schlug fehl: Caterham und Renault wollten die neue Alpine gemeinsam entwickeln – zerstritten sich aber im Laufe des Projekts. Während der angekündigte Elektro-Seven der Marken-DNA treu bleibt, schlägt die Firma mit dem Project V ein völlig neues Kapitel auf. Das könnte sich lohnen, denn vielen Sportwagen-Enthusiasten sind die klassischen Caterhams zu radikal.