Konzeptvergleich Super-Hybrid vs. E-Sportwagen
AMG GT 63 S E Performance oder Porsche Taycan?

Der Mercedes-AMG Performance-Hybrid wiegt 2305 kg, ein Porsche Taycan 10 kg weniger. Ist der Elektro-Porsche mit flinker geregeltem Allradantrieb und ohne schweren V8 womöglich jetzt schon das bessere Konzept? Ein Vergleich auf Basis aktuell bekannter Daten.

Konzeptvergleich Mercedes-AMG GT Viertürer V8 Hybrid Taycan Elektro Sportwagen Collage
Foto: Hersteller / Patrick Lang

Auf der IAA 2021 hat Mercedes-AMG den GT 63 S E Performance (siehe Bildergalerie) vorgestellt. Sein aufwendiges Plug-in-Hybrid-Konzept beschert ihm die Leistungskrone im Segment: Satte 843 PS und mehr als 1400 Nm (angeblich 1470 Nm) bringt die Kombination aus V8-Biturbo mit alleine 14 PS starker Riemenstarter-Maschine plus 204 PS starker E-Maschine an der Hinterachse, die ihre Kraft an ein eigenes Zwei-Gang-Getriebe weitergibt, während das 9-Gang-Getriebe die 639 PS des V8 sortiert und sie an alle vier Räder weiterreicht.

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Klingt kompliziert, ist es auch und hat seinen Preis: das hohe Gewicht. Das Gesamtpaket wiegt 185 Kilo mehr als der AMG GT 63 S ohne Elektrounterstützung hinten.

PHEV schwerer als E-Auto

Wie im Januar 2022 bekannt wurde, wiegt der AMG-Power-Hybrid nach DIN 2305 Kilogramm, während Porsche zwar für den Panamera Turbo S E-Hybrid satte 45 Kilogramm mehr nennt, für den Taycan Turbo S aber 2295 kg und somit 10 kg weniger angibt. Dabei galt gerade das Gewicht immer als der große fahrdynamische Nachteil von E-Autos – klar, die Batterie des Taycan wiegt 650 kg, der Hybrid-Akku des AMG bringt trotz enormer Leistungs- (nicht Energie-)dichte nur 89 Kilo auf die Waage, sein 66-Liter-Tank dürfte da noch drunter bleiben.

Was zudem für den Taycan spricht: Die tief eingebaute Batterie senkt den Schwerpunkt – 2 Zentimeter tiefer als beim 911. Was das bringt? "In der Querbeschleunigung, in Landstraßenkurven, fühlt sich der fast fünf Meter lange und samt Spiegeln 2,14 Meter breite Wagen eine halbe Tonne leichter an", schreibt Andreas Haupt über den Taycan im Vergleich mit BMWs M8 Competition. Da dürfte der AMG nicht ansatzweise rankommen. Außerdem ist er das größere Auto mit den längeren Überhängen: Auf 5,05 Meter bringt er 2,95 Meter Radstand unter, der Taycan ist gut 9 Zentimeter kürzer, hat aber nur 5 Zentimeter weniger Radstand zu bieten.

Mehr Leistung als der AMG-Performance-Hybrid hat keiner

Den Leistungsvergleich entscheidet der Hybrid aber locker für sich: Der Taycan Turbo S schafft seine 761 PS Boostleistung nur für 2,5 Sekunden (sonst 625 PS) und hält damit gut 80 PS Abstand zum AMG, beim maximalen Drehmoment lässt es der Taycan bei 1050 Nm bewenden. Obwohl die Kraftentfaltung als Domäne der E-Autos gilt, liegt der Hybrid hier um gut 400 drüber – allein die Differenz entspricht dem Maximal-Wert eines sehr gut gemachten 2,0-Liter-Turbodiesels.

Aber obwohl die Boost-Dauer beim Taycan Turbo S nicht mal für einen ganzen Beschleunigungsvorgang aus dem Stand bis 100 km/h reicht, ist er dort schneller: In 2,8 Sekunden schnalzt er auf 100 km/h, wenn’s denn sein muss auch 10 mal hintereinander, Mercedes-AMG verspricht 2,9 Sekunden. Vielleicht profitiert das Elektroauto hier von den bis zu 10 mal schnelleren Regeleingriffen der Traktionskontrolle.

Anders sieht es naturgemäß bei der Höchstgeschwindigkeit aus: Der Taycan erkauft sich seine gute Beschleunigung auch mit der entsprechenden Übersetzung seines 2-Gang-Getriebes und macht bei 260 km/h Schluss, der AMG darf 316 km/h rennen. In der Praxis wird man beides selten brauchen. Ordentlich Reichweite bei hohem Tempo wäre eher eine Anforderung an einen großen GT.

E-Auto um ein Vielfaches sparsamer

Der AMG GT-4-Türer trägt die große Reise sogar im Namen, der Taycan ist letztlich im selben Segment positioniert. Wer weit und dabei zügig reist, braucht viel Energie. Der Energiespeicher des Porsche fasst 93,4 kWh – für ein E-Auto ordentlich, aber umgerechnet entspricht das nur 11 Litern Benzin. Der AMG käme damit in der Praxis keine 100 Kilometer weit, der elektrische Taycan macht daraus immerhin 390 bis 416 km Reichweite nach WLTP – dazu gehörte ein Verbrauch von etwa 25 kWh, umgerechnet also nur gut 3 l/100 km. Die Maximalgeschwindigkeit beim WLTP beträgt allerdings 120 km/h und liegt während des Zyklus nur kurz an – das entspricht also nicht dem Profil einer zügigen Reise.

Was diesbzüglich mit dem Taycan möglich ist, illustriert die Rekordfahrt von auto motor und sport mit dem E-Porsche: Gut 3000 rein elektrische Kilometer in 24 Stunden schafften die Kollegen, Durchschnittsgeschwindigkeit rund 127 km/h – bei verbrauchsförderndem Regen. Der Verbrauch blieb trotz Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h unter 40 kWh, umgerechnet 4,9 Liter. Problem: Der Taycan brauchte 30 Ladestopps – auch weil seine Ladegeschwindigkeit schon ab 49 Prozent Füllstand des Akkus stark abnimmt und "nachtanken" darüber hinaus deutlich länger dauert – schlecht für die Reisedauer.

Reichweite? Egal! – Tanken geht schneller als Laden

In der Batterie des AMG-Super-Hybrid stecken nur 6,1 kWh, was für lediglich 12 bis 14 Kilometer elektrische Reichweite genügt. Aber der Viertürer aus Affalterbach hat halt zusätzlich noch einen 66 Liter-Tank an Bord – das sind zwar 14 Liter weniger als im GT ohne Hybrid, aber das ist angesichts der Tankgeschwindigkeit (unabhängig vom Füllstand) zweitrangig, genauso wie der Umstand, dass der V8 im Zweifel wenig energiesparend auch mal einen Teil seiner Kraft dazu verwendet, den Ladezustand des Akkus nicht unter ein bestimmtes Niveau fallen zu lassen.

Schon nach WLTP verbraucht der AMG (ausgehend von einer vollen Batterie) 8,6 Liter pro 100 Kilometer, bei einem schweren Gasfuß ist durchaus vorstellbar, dass der V8 nach 200 Kilometern zum Tanken mahnt – eine solche Distanz könnte ein rasant gefahrener Taycan auch schaffen. Dann allerdings braucht er im besten Falle 5,5 Minuten, um die Strom für 100 Kilometer (WLTP-Reichweite) nachzuladen, um die Batterie von 5 auf 80 Prozent zu bringen, sind mindestens 22,5 Minuten nötig – aber nur unter idealen Bedingungen. Und das heißt, dass immer zum richtigen Zeitpunkt der Reise in der realen Welt (nicht nur während Rekordversuchen auf der Rundstrecke) eine richtig schnelle Ladesäule zur Verfügung steht.

Hybridtechnik mit mehr Luftwiderstand und Platzbedarf

Trotz vier Türen dürften Taycan und AMG GT vermutlich eher Reisen mit zwei Personen dienen. Trotzdem sollen Packaging-Vorteile des E-Autos nicht unerwähnt bleiben. Porsche hat beim Taycan mit einer aufwendig gestalteten Batterie (Fußgaragen) trotz einer 6 Zentimeter geringeren Außenhöhe ordentlich Beinraum auch im Fond geschaffen. Zudem weist er mit 0,25 den deutlich besseren cW-Wert auf als der Mercedes mit seinem luftgierigen V8 (0,32). Und der Porsche hat einen gut 30 Liter größeren Kofferraum hinten sowie 81 Liter Kofferraum vorn (Frunk). In Summe bietet der Porsche 122 Liter mehr Kofferraumvolumen als der 9 Zentimeter längere Mercedes-AMG GT, dessen 335 Liter eher an die Kompaktklasse erinnern und gegenüber dem AMG GT 63 S ohne E-Motor hinten um 120 Liter kleiner sind.

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Fazit

Mercedes-AMG hat beim GT 63 S E-Performance bewusst die maximale Leistung aus dem Hybrid-Konzept herausgeholt, rein elektrisch fahren kann er kaum. Das lässt nur erstaunlich wenig objektive Vorteile gegenüber dem Elektro-Porsche zu: Der AMG kann schneller und länger fahren, erlaubt einfaches und schnelles Nachtanken von Energie. Vermutlich wird er den Taycan auch auf der Rennstrecke in die Tasche stecken, das lassen zumindest bisher bekannte Rundenzeiten von Taycan und AMG GT 63 S vermuten, wobei es da noch auf die Reifen ankommt.

Emotional kann der Mercedes zudem mit seinem Biturbo-V8 sowie dessen Sound begeistern und vielleicht mit der freien Gangwahl, wenn auch kein manuelles Getriebe im Angebot ist.

Der Elektro-Porsche hingegen beschleunigt aus dem Stand müheloser und minimal schneller, ist erheblich leiser für Reisende und Umwelt, verbraucht dabei viel weniger Energie und fährt lokal emissionsfrei. Er hat zudem gute Voraussetzungen für ein agileres Handling und bietet trotz kürzerer Karosse mehr Platz fürs Gepäck. Sein größter Nachteil: Das in der Praxis im Vergleich zum Verbrenner immer noch umständliche und langsamere Laden/Tanken.