Porsche 911 Turbo S (2020)
Nicht nur stärker, sondern besser!

Ist der neue Turbo S noch ein richtiger Turbo? Oder wieder ein richtiger? Oder gar der beste aller Zeiten? Nun, mit 650 PS, 800 Newtonmetern Plus talentierter Peripherie könnte das klappen. Viel Spaß dabei!

Porsche 911 992 Turbo S
Foto: Achim Hartmann

So ein Porsche Turbo kann einem fast schon leid tun. Bei seinem Start 1975 Sehnsuchtsort fast aller Automobilisten. Schwer zähmbar trennte er Memmen von Männern. Damals gern brustbehaart, pilotenbebrillt und pitralonumwölkt. Sein Name erfurchtsvoll geraunt, der Turbotritt legendär. 260 PS, Vierganggetriebe, 250 km/h. Ähemm, damit holst Du heute nicht mal mehr auf dem Berufschulparkplatz einen Lorbeerkranz.

Die Welt drehte sich halt weiter, auch die automobile, die Nummer mit dem Sehnsuchtsort ist rum. Spätestens seit hier noch ein paar andere anlandeten, ohne das Dogma, ihren Motor ins Heck flanschen zu müssen. Mittelmotor, Karbonchassis, Transaxle et cetera. Selbst im eigenen Haus lauert ein böser Onkel, der mit dem Kabel tankt. Und während du dich als traditioneller Turbo mit Ottopartikelfilter, Euro sechs tüddelü, Stickoxyd-Stress und Akustik-Gemoser rumärgern musst, summt der Taycan mit seinem E-Maschinen entspannt vorbei, boostet in Zweiacht auf 100.

Unsere Highlights

Turbo S. Den Namen benutzt dieser Stromer auch noch. Das schmerzt. Doch die Elfer-Guerilla, weiß, was sie ihren Fans schuldig ist. Nicht nur denen, die sich schon in den Achtzigern die Automatikzwiebeln vom Handgelenk schütteln ließen sondern auch allen, die immer noch so richtig fürs Auto brennen.

2,7 Sekunden auf 100. Ciao, Taycan…

Los geht‘s. Abholung in Zuffenhausen, ein schneller Kaffee mit der freundlichen Pressetruppe und ab nach Hockenheim zum Experience Center. Trocken, Sonne. Es könnte blöder kommen. 650 PS, 800 Newtonmeter, 2,7 Sekunden auf 100. Klare Dampfansage an die externe und interne Konkurrenz. Glauben Sie uns, die Elfer-Jungs ruhten nicht, bevor ihr 911 Turbo S unter der Zwoachter-Latte des Taycan Limbo tanzte.

Porsche 911 992 Turbo S
Achim Hartmann

Dazu übernimmt der Top-Elfer vieles vom 992 Carrera, stellt sich aber spurmäßig breiter auf, genauer 42 Millimeter vorn und zehn hinten, das ganze auf neuen Radgrößen 20 Zoll vorn, 21 hinten samt eigenständiger Reifendimension 255/35 vorn. Die Grundfesten Sechszylinder-Boxer im Heck, Biturbo-Aufladung mit variabler Ladergeometrie, Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb mit Torque-Vectoring, Allradlenkung, adaptive Motorlager, Wankstabilisierung sowie aktive Aerodynamik blieben, wenn auch modifiziert.

Neu: umstrukturierte Atmung und Kühlung, Piezo-Einspritzung, Otto-Partikelfilter, Achtgang-PDK, verstärktes wassergekühltes Verteilergetriebe mit stärkeren Lamellen (überträgt bis zu 500 Newtonmeter), Zehnkolbenbremszangen vorn.

Und innen so? Bis auf ein paar Insignien wie Schriftzüge und gesteppte Sitzbahnen Carrera wie gehabt. Keine Show, adäquate Verarbeitung, perfekte Sitzposition. Halt: sind die Hauptinstrumente sehr gut ablesbar, verschwinden die zwei äußeren hinter dem Fahrerhänden. Blöd für alle, die gern der Ladedruckanzeige zusehen. Umso besser: Die Lenkung mit griffigem Alcantara-Kranz, griffigem Handmoment und stets präziser Rückmeldung. Natürlich kommt immer irgendwer unter einem Stein hervor, beklagt dies oder das, zu leicht, zu schwer – und überhaupt: elektrisch. Wir sagen: Diese Lenkung ist top Vom ersten Rangieren übers Landstraße-Gondeln bis zum Sporteln und der ernsten Attacke.

Druckvoller Motor, flinkes Getriebe

Ziehen wir das Tempo mal an. Autobahn. Dreispurig, frei. Ran ans Gas und ab. Hui, das geht flink. Nach wie vor mit drehmomentsattem Turbo-Charakter, jedoch ohne störende Verzögerung. Der 3,8-Liter baut blitzschnell Druck auf, das neue Achtgang-PDK legt die Stufen nach.

Porsche 911 992 Turbo S
Achim Hartmann

Das konnte der Vorgänger mit sieben Gängen nun auch nicht sooo schlecht, doch beim Neuen kommt das alles einen Tick würziger rüber. Ob es an der kräftig umgestrickten Technik liegt? Fakt ist: obwohl ottopartikelgefiltert, tunnelt der 992 den 991 beim Sprint auf 200 um eine Sekunde. Da müssen selbst die Herren in 50er-Leder mit nervöser Gashand und Schleifern am Ellenbogen gaaanz konzentriert einkuppeln.

Auch sonst zeigt der Elfer klare Kante, hält die Fahne des klassischen Sportlers hoch. Zumindest mit dem (erstmals erhältlichen) optionalen Sportfahrwerk und der Sportabgasanlage. Das Teil klingt so richtig nach Verbrennungsmotor, ohne den Fahrer ins soziale Aus zu brandmarken. während das Sportfahrwerk den Turbo S vom Vorwurf des Langstrecken-Softie freispricht. Bodenwellen stellt er realistisch durch, egal ob auf Landstraße oder Autobahn.

Untersteuern? Nö. Rückmeldung? Aber ja!

Auch auf der Strecke kommt der Neue gefühlsecht rüber. Sobald die Reifen warm sind (jetzt im Display ablesbar) hilft er mit feiner Rückmeldung und klaren Hinweisen Richtung Grenzbereich. Hart anbremsen und spät reinlenken? Check. Untersteuern? Kaum. Das neue Paket funktioniert. Der allradgelenkte, wankstabilisierte Turbo S akzeptiert enge Radien, reagiert gern auf Lastwechselangebote, dreht sich je nach Fahrmodus und Intensität spürbar ein – um beim Herausbeschleunigen effizient zu reagieren. Neutral und schnell, statt mit ausschwenkendem Heck Zeit zu vertändeln.

Die 800 Newtonmeter stellen die 315er hinten jedenfalls vor keine Prüfung. Ähnlich wie die Bremse mit 420er-Scheiben mit Zehnkolbenzangen vorn, die fest und konsistent ankert, bei hohem Tempo von ausfahrendem Front- und aufstellendem Heckspoiler unterstützt wird (Aero Brake). Und hohes Tempo kann er: 330 km/h. Für den Fall, dass irgendwo Lorbeerkränze abzuholen wären.

Fazit

Ganz oben ist die Luft dünn. Da hilft eine trainierte Atmung. Dachte sich auch Porsche und modifizierte bei der siebten Turbo-Generation Ansaugung, Kühlung und den Aufbau der Turbolader. Unter anderem. Denn auch sonst feilten sie ordentlich am 650 PS starken Top-Elfer, also an Fahrwerk, Aerodynamik, Vernetzung, Komfort. Und am Charakter, den man zukünftig mit Sportfahrwerk und Sportabgasanlage schärfen kann. Sinnvoll für alle, deren Daily Driver auch mal Kante zeigen darf. So verbindet der neue Turbo S charmant Vergangenheit und Zukunft, bietet nicht nur Gusseisernen eine bis zu 330 km/h schnelle Allrad-Herberge.