Adrian Newey wertvoller denn je
Weltmeister-Auto 2026?

Adrian Newey verlässt Red Bull im ersten Quartal 2025. Genug Zeit, um für sein künftiges Team das 2026er-Auto mitzugestalten. Die Geschichte zeigt, dass Newey bei großen Regeländerungen immer besonders wertvoll war.

Adrian Newey - Red Bull - GP USA 2023 - Austin - Formel 1
Foto: Red Bull

Adrian Newey zählt neben Colin Chapman und John Barnard zu den Ikonen unter den Formel-1-Konstrukteuren. Kaum ein anderer hat mit seinen Ideen die Entwicklungsrichtung der Formel 1 so beeinflusst. Kein anderer hat so viele Weltmeister-Autos verantwortet. Kein Ingenieur der heutigen Generation hat seinen Gesamtüberblick. Und keiner hat über 40 Jahre in diesem Geschäft ohne Abnutzungserscheinungen überlebt.

Deshalb wird sein Abschied Red Bull treffen. Auch wenn er schon lange nicht mehr die Autos im Detail konstruiert. Auch wenn er bei Red Bull ein top-besetztes Designbüro zurücklässt, das mit Pierre Waché, Paul Monaghan und Enrico Balbo in den verantwortlichen Positionen in der Lage ist, Siegerautos zu bauen.

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Ein Vordenker mit Gesamtüberblick

Doch Neweys Rolle bei Red Bull war eine andere. Er war ein Vordenker, der mit seiner Erfahrung viele Fehlerquellen von vornherein erkannt und zugeschüttet hat. Und einer, der das komplette Auto im Blick hatte. Das beste Beispiel sind die Groundeffect-Autos. Er wusste aus seiner Erfahrung von 1980, dass Autos mit einem dreidimensionalen Unterboden nur dann den gewünschten Abtrieb liefern, wenn sie mechanisch gesund sind.

Viele von Red Bulls Konkurrenten hatten sich bei der Konstruktion der 2022er-Autos zu stark auf die Aerodynamik fokussiert. Für Newey war von Anfang an das Paket entscheidend: "Die Aerodynamik muss in Harmonie mit der Mechanik des Autos arbeiten. Zum Beispiel die Unterbringung bestimmter mechanischer Elemente auf eine Weise, die es dir erlaubt, die aerodynamische Form zu bauen, die du haben willst. Oder das Design der Aufhängung, das die Aerodynamik unterstützt und eine gewisse Gewichtsverteilung sicherstellt. Ich sehe immer noch Autos, bei denen diese Harmonie gestört ist. Wie zwei Parteien, die nicht miteinander sprechen."

Adrian Newey - Formel 1 - 2022
Red Bull

Adrian Newey arbeitet seit über 40 Jahren in der Formel 1 und verfügt über einen unschätzbaren Erfahrungsschatz.

Ab 2026 ist Minimalismus Trumpf

Red Bull wird der Abgang von Newey doppelt schmerzen. Erstens, weil man ihn nicht mehr hat. Zweitens, weil ihn ein anderer bekommt. Und der andere kann auf das Wissen und die Kreativität des 65-jährigen Engländers in einem Moment zugreifen, in dem es besonders wichtig ist. Newey ist spätestens nach dem ersten Quartal 2025 frei. Und damit kann er an seinem neuen Landeplatz noch entscheidend mit in das Design des 2026er-Autos eingreifen.

Die Regeländerungen für 2026 betreffen das Auto mindestens genauso wie den Motor. Es werden immer noch Groundeffect-Autos sein, die allerdings in bestimmten Momenten effizienter arbeiten müssen als die aktuellen. Es werden die ersten Autos mit einer aktiven Aerodynamik sein. Und die Reifen werden wieder etwas schmaler, was alte Probleme mit Reifennutzung und Überhitzung neu aufwärmt.

Das Mindestgewicht soll um bis zu 40 bis 50 Kilogramm sinken. Das wird für die Konstrukteure eine neue Herausforderung, weil vermutlich keiner diese Gewichtsreduktion auf Anhieb erreichen wird. Minimalismus ist dann Trumpf. Und für all diese Aufgaben ist Newey der Mann mit der größten Expertise.

F1-Technik - Rendering - F1-Auto 2026
ams

Der Reglement-Wechsel 2026 stellt die Teams vor neue Herausforderungen – Adrian Newey könnte die Trumpfkarte sein.

Schon der March 881 war wegweisend

Die Geschichte zeigt, dass der Star-Designer aus der Shakespeare-Stadt Stratford-upon-Avon immer dann besonders wertvoll war, wenn sich das Technik-Reglement stark geändert hat und die Autos neu gedacht werden mussten. Das war schon bei seinem ersten Eigenentwurf 1988 der Fall. Der March 881 war ein Vorgriff auf die Saugmotor-Ära von 1989, weil er bereits mit einem Judd-V8 unterwegs war.

Das türkisblaue Auto hat immer noch einen speziellen Platz in Neweys Herzen. Obwohl March damals mit fünf Ingenieuren im Designbüro zu den kleinen Teams im Feld zählte, belegte der Rennstall am Ende mit 22 Punkten Rang sechs. Auch wegen des Autos, dessen Konstruktionsmerkmale wegweisend werden sollten.

Der March 881 war ein Minimalist. Newey erinnert sich: "Die Turbos waren am Ende ihrer Zeit. In dieser Ära entstanden ziemlich langweilige Autos. Das Einzige, was den Konstrukteuren einfiel, war, immer größere Flügel ins Heck zu schrauben, um die massive Power auf die Straße zu bekommen. Bei unserem March war alles auf viel engerem Raum integriert. Mit viel mehr Gewicht auf die Aerodynamik des Gesamtpakets."

Adrian Newey - Neil Oatley - Mario Illien - McLaren-Mercedes - Formel 1
xpb

Adrian Newey (links) entwarf unter anderem für McLaren-Mercedes Weltmeister-Autos.

Der Trick mit dem Radstand

Obwohl sich March 1990 von Newey trennte, hatte Williams sein Potenzial entdeckt. In seiner neuen Heimat war Newey für die Meister-Autos von 1992, 1993, 1996 und 1997 zuständig, bevor er zu McLaren wechselte, wo er 1998 nahtlos mit dem Gewinnen weitermachte.

Beim Wechsel zu McLaren kam ihm eine Regelreform zu Hilfe, die die Autos 20 Zentimeter schmaler machte, die Seitenkästen 20 Zentimeter länger und von Slicks auf Rillenreifen umstellte. Newey fand mit dem McLaren MP4-13 das beste Rezept für die neuen Rahmenbedingungen und machte McLaren wieder zu einem Siegerauto. Williams verschwand im Verfolgerfeld.

Newey verlängerte den ohnehin schon langen Radstand des McLaren und senkte so nicht nur den Schwerpunkt, sondern schaffte Platz zwischen den Vorderrädern und den Seitenkästen, um dort mit gewaltigen Leitblechen die Turbulenzen des Vorderbaus zu beruhigen. Er verlagerte so viel Gewicht wie möglich nach vorne, um die Vorderreifen zu belasten und auf Temperatur zu bringen.

Mercedes baute auf Drängen von Newey den kleinsten und leichtesten Motor, um im Heck Platz zu gewinnen. Das schlanke Heck vergrößerte gleichzeitig die Diffusor-Fläche. Die Konkurrenz merkte erst beim vierten Rennen in Imola, dass ihnen McLaren konzeptionell überlegen war. Da war es bereits zu spät.

Red Bull GP Japan 2012 Newey
xpb

Von 2010 bis 2013 feierte Sebastian Vettel in den Newey-Autos vier WM-Titel in Serie.

Batterien ins Getriebe

Etwas Ähnliches passierte 2009, als der Frontflügel vergrößert, der Heckflügel verkleinert, sämtliche Aufbauten auf der Verkleidung verboten und die Slicks wieder eingeführt wurden. Newey stellte mit dem Red Bull RB5 das beste Konzept auf die Räder. Der Trumpf stach erst mit einem Jahr Verspätung, dann aber gleich vier Mal in Folge. Ross Brawn und sein nach ihm benanntes Team hatte ihn mit dem Doppeldiffusor ausgetrickst.

Entscheidend bei Red Bulls RB5-Entwurf war die Verpackung im Heck. Newey stellte die Hinterradaufhängung von Pushrod auf Pullrod um und verstaute die Batterien für das KERS im Getriebegehäuse. "Der Pullrod an der Hinterachse oder die Position der Batterien bei den KERS-Autos hat es uns erlaubt, Motor und Getriebe ganz anders zu verpacken. So hatten wir im Heck mehr Freiheiten für die Aerodynamik. So etwas gibt mir einen Kick. Und so eine Idee ist auch schwer zu kopieren."

Mit dem Einläuten des Hybrid-Zeitalters 2014 wurde Newey vom besseren Mercedes-Motor ausgebremst. Erst als Red Bull von Renault zu Honda wechselte und die Japaner ihre Lektionen gelernt hatten, herrschte beim Antrieb wieder Gleichstand. Das dauerte immerhin sieben lange Jahre.

Max Verstappen - Red Bull - GP Bahrain 2022 - Rennen
Motorsport Images

Seit der Rückkehr der Groundeffect-Autos 2022 dominiert Red Bull die Formel 1 nach Belieben.

Beim zweiten Test war das Bouncing weg

Die Rückkehr zu Groundeffect-Autos warf Newey wieder einen Stein in den Garten. Er war unter den Konstrukteuren im Feld so ziemlich der einzige, der mit dieser Art von Rennauto schon einmal zu tun hatte. Und auch der einzige, der es schon einmal erlebt hatte, wenn sich ein Auto aufschaukelt, weil es ab einer bestimmten Geschwindigkeit zu viel Abtrieb produziert, sich dabei an die Straße saugt, bei Bodenkontakt diesen Abtrieb aber wieder verliert.

Newey wusste nach drei Testtagen in Barcelona Bescheid. Es war für ihn ein Déjà-vu. Beim zweiten Test war das Bouncing verschwunden. Andere haben zwei Jahre gebraucht, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen. "Man muss bei den unterschiedlichen Strömungsstrukturen unter dem Auto die herausfiltern, die zu dem Bouncing führt", erzählte der Meister.

Doch auch er kann irren. So wie 1994, als die Formel 1 von aktiver Aufhängung auf passive Fahrwerke umstellte. Der Williams FW16 wurde mit schweren Kinderkrankheiten geboren, wie Newey auch unumwunden zugibt: "Ich hatte mich bei der Aerodynamik des Autos verrechnet. Das Fenster an Bodenfreiheiten, in dem das Auto funktionierte, war zu klein. Das wurde uns bei einem Test in Nogaro klar, den Damon Hill vor dem unheilvollen Wochenende in Imola durchführte."

Da zeigte sich, dass Newey ein Mann der Praxis ist. "Ich stand an der Strecke und habe unser Auto beobachtet. Mir wurde sofort klar, was das Problem war. Die Seitenkästen waren zu lang. Dadurch riss beim Eintauchen des Autos vorne der Luftstrom im Diffusor ab, weil das vordere Ende der Seitenkästen der Strecke zu nah kam. Aus heutiger Sicht hört sich das lächerlich an, aber wir hatten damals noch nicht die Werkzeuge, um das Problem vorher im Windkanal zu erkennen."

Das Rennen um den begehrtesten Ingenieur der Formel 1 ist längst eröffnet. Wer es gewinnt, steht für 2026 mit guten Karten da. Außer, das neue Antriebsreglement wird wie 2014 wieder eine Ära, die man auch mit dem besten Motor gewinnen kann.

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