Fehler bei der Reifentaktik
Warum bekam Alonso den schlechten Soft?

GP China 2024

Von außen sah es aus wie ein schwerer taktischer Fehler. Fernando Alonso bekam in der Safety-Car-Phase weiche Reifen. Doch Aston Martin hatte nichts anderes. Der Fehler passierte schon in der Rennvorbereitung.

Fernando Alonso - Aston Martin - GP China 2024 - Shanghai - Formel 1 - 21. April 2024
Foto: xpb

Ein Safety-Car kann ein Game-Changer sein. Weil es für die einen zum richtigen, für die anderen zum falschen Zeitpunkt kommt. In Shanghai begann alles mit einer VSC-Phase. Valtteri Bottas stellte seinen Sauber mit Motorschaden ausgangs Kurve 11 ab. Die wandelte sich zwei Runden später in ein reales Safety-Car um, weil der Sauber in einem Gang feststeckte und nur mit schwerem Gerät von der Stelle zu bewegen war.

Gelbphasen provozieren Gelbphasen. Diese alte Regel bewahrheitete sich auch hier. Nach dem Restart gerieten Kevin Magnussen und Yuki Tsunoda aneinander. Und wieder musste Bernd Mayländer auf die Bahn. Die Safety-Car-Phase dauerte inklusive Verlängerung neun Runden. Für manche zu lang.

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Prinzipiell sind VSC-Phasen oder echte Safety-Cars ein Geschenk. Man verliert in beiden Fällen zwischen acht und zehn Sekunden weniger Zeit gegenüber einem Boxenstopp unter Renntempo. Da sich unter VSC das Feld mit gleichbleibendem Tempo weiterbewegt, ändern sich die Abstände nicht. Bei einem echten Safety-Car schiebt sich alles zusammen. Das kann unter Umständen mehr Positionen bringen oder kosten. Je nachdem, ob man stoppt oder draußen bleibt.

Valtteri Bottas - Sauber - GP China 2024 - Shanghai - Formel 1 - 21. April 2024
xpb

Bottas löste mit seinem gestrandeten Sauber eine Safety-Car-Phase in China aus.

Safety-Car schenkt Norris und Leclerc einen Boxenstopp

Für Charles Leclerc und Lando Norris kam das Safety-Car zu einem perfekten Zeitpunkt. Sie konnten von einem Zweistopp-Rennen auf einen Stopp umschwenken. Die Restdistanz von 34 respektive 35 Runden war mit dem harten Reifen machbar.

Für Carlos Sainz wurde es dagegen eng. Der Spanier hatte seinen Wechsel von Medium auf Hart schon in der 17. Runde unter Renntempo abgewickelt. Ferrari widerstand der Versuchung, die Safety-Car-Phase für einen zweiten Stopp zu nutzen. Sainz wäre zu weit ins Feld gefallen. Da war ein gemäßigtes Tempo bis zum Rennende die bessere Option. Es reichte noch für den fünften Platz. Viel weiter vorne wäre Sainz sowieso nicht gelandet.

Die Red Bull-Piloten mussten wegen des frühen Stopps in der 13. Runde nur zehn Runden später schon wieder zum Reifen-Service, weil man sich die Gelegenheit eines Gratis-Stopps nicht entgehen lassen durfte. Max Verstappen behielt seine Führung. Es zahlte sich aus, dass er schon in der Anfangsphase schon genug Vorsprung herausgefahren hatte. Sergio Perez konnte das nicht, weil er zu lange im Verkehr steckte. Er fiel hinter Norris und Leclerc, die ihre Reifenwechsel bereits in der vorangegangenen VSC-Phase abgewickelt hatten.

Sergio Perez - Red Bull - GP China 2024 - Shanghai - Formel 1 - 21. April 2024
Red Bull

Red Bull holte Sergio Perez direkt nach Max Verstappen in Runde 23 an die Box.

Ferrari profitiert nicht von richtiger Reifenwahl

Wer sich wie Red Bull und Ferrari zwei harte Satz Reifen für das Rennen aufgehoben hatte, war in der Reifenwahl frei. Ferrari konnte dennoch nicht davon profitieren. Das Auto war zu sehr Richtung Reifenschonen abgestimmt und forderte die harten Pneus zu wenig. Sie kamen nie in den optimalen Arbeitsbereich.

Für McLaren passte es dagegen. Der MCL38 nahm Pirellis C2-Mischung härter ran als der Ferrari. Bei dem teils neuen Streckenbelag und den niedrigen Temperaturen war das die bessere Konstellation. Das Safety-Car kam für Lando Norris im Rückblick auch noch zum perfekten Zeitpunkt. Es hat ihm einen Boxenstopp geschenkt.

McLaren hätte für ein Zweistopp-Rennen keine zwei Garnituren harte Reifen gehabt. Norris wäre vor dem gleichen Problem wie Fernando Alonso gestanden, hätte er so früh wie der Aston-Martin-Pilot vom Medium auf Hart gewechselt. McLaren hatte sich für das Rennen einen Satz Hart, zwei Medium und einen Soft reserviert. Der Zweite des Rennens wäre bei einem frühen Boxenstopp in der Safety-Car-Phase ohne harte Reifen dagestanden.

Lando Norris - McLaren - GP China 2024 - Shanghai - Formel 1 - 21. April 2024
Motorsport Images

Lando Norris stoppte während der ersten Safety-Car-Phase und schnappte sich Platz zwei.

Alonso hatte keine harten Reifen mehr

Alonsos Wechsel auf Soft-Reifen war kein Taktikpoker von Aston Martin, sondern pure Notwendigkeit. Der harte Reifen war schon verschossen. Der Medium-Reifen hätte nach Aussage der Mercedes-Ingenieure nicht die Restdistanz von 33 Runden geschafft. Man hatte also die Wahl Medium-Soft oder Soft-Medium.

Aston Martin entschied sich zuerst für Pirellis weichste Mischung. Man hoffte, dass Alonso mit dem Reifenvorteil nach dem Restart genug Land gewinnt. Doch die Safety-Car-Phase dauerte länger als gedacht. Immerhin machte Alonso in der kurzen Pause zwischen den beiden Gelbphasen noch eine Position gegen Sainz gut.

Nicht genug – als der Spanier in der 43. Runde Medium-Reifen bekam, fiel er zurück auf den zwölften Platz. In den restlichen 13 Runden machte der Oldie noch fünf Position gut. Die schnellste Runde gab es als Zugabe.

Mercedes stand eigentlich vor dem gleichen Dilemma, hat sich aber durch eine alternative Reifenfolge das Problem vom Hals geschafft. Lewis Hamilton startete auf Soft und wechselte auf Medium. Er konnte sich vom 18. Startplatz ein bisschen Risiko leisten, das im übrigen kalkulierbar war, weil George Russell im Sprint gezeigt hatte, dass der Soft-Reifen 19 Runden überstehen kann. Mercedes hatte also Erfahrung damit.

Russell fuhr zwei Mal hintereinander Medium-Reifen. So hatten beide Mercedes-Piloten zum Zeitpunkt des Safety-Cars ihren einzigen Satz harte Reifen noch im Arsenal. Mercedes machte taktisch alles richtig. "Uns fehlte schlicht der Speed", meinte ein Ingenieur.

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