Le Mans Classic
Rock around the Clock

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Mehr als 450 klassische Sportwagen und GT-Autos, die rund um die Uhr im Renntempo unterwegs sind – das bietet nur Le Mans Classic. Insgesamt werden 18 Rennen ausgetragen. Natürlich mit Le Mans-Starts.

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Foto: Dino Eisele

Le Mans ist noch immer ein mythischer Ort für Rennsport-Fans – auch wenn Audi mit 13 Siegen seit 2000 dort das Hausrecht hat . Dass bis zur erdrückenden Dominanz der Ingolstädter noch viele andere, oft legendäre Marken den Ruhm des 24-Stunden-Rennens mehrten, davon zeugt die nur alle zwei Jahre ausgetragene Le Mans Classic.

Natürlich lassen der Initiator Patrick Peter und der veranstaltende ACO (Automobile Club de l'Ouest) nicht alle 456 teilnehmenden Rennwagen der Jahre 1923 bis 1979 gemeinsam auf die 13,629 Kilometer lange Originalpiste. Sie werden entsprechend ihres Alters in sechs Startfelder (englisch: Grid) zu je 76 Rennwagen aufgeteilt. Jedes Grid geht nacheinander und einzeln für 43 Minuten ins Rennen und kommt drei Mal an die Reihe. Le Mans Classic besteht also aus 18 Einzelrennen, die praktisch ohne Pause rund um die Uhr ausgetragen werden. Und wehe, wenn sie losgelassen.

Unsere Highlights

Wahnsinnige Klangkulisse

Fliegender Nachtstart von Grid fünf (1966–1971). Wir sitzen auf einer Tribüne gegenüber der Betonfestung "Grande Tribune" mit Boxenanlagen und Pressezentrum, die wie eine Landestation auf dem Mars wirkt. Direkt vor uns die Boxen-Ausfahrt. Von rechts eilen zuerst nur die Lichterpaare heran, die sich kreuzen und überschneiden. Dann folgt die einzigartige Lärmwolke der Le Mans Classic: eine Sinfonie aus Bollern, Trompeten und Mixer-Kreischen.

Erst wenn sie vorbeifahren, erkennt man die Akteure dieser wilden, lärmenden Horde und kann den Motor-Sound den Rennwagen zuordnen. Die kernig grummelnden Chevy-V8 der führenden Lola T70; dazwischen das helle Singen der wenigen Zwölfzylinder wie Matra 660 und Ferrari 312; dann das nölende Trompeten der flinken Chevron B8 mit BMW-Vierzylinder, denen die Siebenliter-Corvette nur mit Mühe hinterherballern. Und es nimmt bei der Le Mans Classic überhaupt kein Ende, bis die 76 Krachmaschinen im Wahnsinnstempo vorbei sind, unter ihnen auch einige Porsche 906, 911 und 914 sowie Ferrari 365 GTB/4 Daytona.

Ein weiteres grandioses Schauspiel ereignet sich jedes Mal bei der Le Mans Classic, wenn die Rennwagen aus der Boxengasse herausbeschleunigen und sich wieder in den hektisch fließenden Rennverkehr einfädeln. Der Boxenstopp mit vorgegebener Mindestdauer von einer Minute und 30 Sekunden soll zwischen der 15. und 30. Minute der einzelnen Rennen erfolgen. Der Motor muss dabei abgestellt und neu gestartet werden. Fahrerwechsel ist möglich, Tanken jedoch nicht erlaubt.

Cobra jagt Porsche

Jetzt fädeln sich nacheinander ein Porsche 911 und eine Shelby Cobra aus der Boxengasse in den fließenden Verkehr ein. Beide sind im Grid vier (1962–1965) der Le Mans Classic unterwegs. Dabei wird der schmächtige Zweiliter-Elfer von der dunkel grollenden Cobra dicht bedrängt, die den Begrenzungsstrich der Boxen-Ausfahrt nicht überfahren darf. Außerdem fliegen jetzt von hinten mehrere Ford GT40 und ein Bizzarrini 5300 GT heran, die sich im weiten Rechtsbogen der schnellen Dunlop-Kurve vor den tapfer beschleunigenden Porsche setzen. Dann verschwindet die Rotte in Richtung Dunlop-Schikane, wo sie sich in Reih und Glied sortieren muss.

Auch hier spielen sich dramatische Szenen ab, wenn in der schnellen S-Kombination kleine Bremsen- und Handlings-Könige den PS-starken Le-Mans-Helden zusetzen. In Grid 3 (1957–1961) hängen sich beim Anbremsen die flinken Lotus-15-Leichtgewichte regelmäßig an die runden Hintern der hubraumstarken Jaguar D-Type und Lister. Erst auf der Hunaudières-Geraden lassen sich die lästigen Lotus wieder abschütteln – bis zur nächsten Schikane.

Manche der hier geschilderten Szenen der Le Mans Classic sind jedoch historisch nicht ganz verbürgt. Zum Beispiel die Dominanz der englischen Lola T70 mit ihren Fünfliter-V8 von Chevrolet, denen früher in Le Mans kein einziger Sieg gelang. Die angloamerikanischen Sportwagen profitieren von ihrer simplen, heute noch leistungsfähig en Antriebstechnik und von der Minderzahl ihrer einstigen Bezwinger Porsche 917 und Ferrari 512. Jeweils nur ein Exemplar findet sich 2014 bei Le Mans Classic ein. Der Grund: Ihre Zwölfzylindermotoren erfordern deutlich mehr technischen und finanziellen Aufwand als die V8 von Chevrolet.

Mit 300 auf der Hunaudières

Auch Jürgen Barth, Le-Mans-Sieger von 1977, muss sich im Porsche 907 Langheck von 1967 den schnellen Lola beugen, obwohl er auf der Hunaudières-Geraden mit rund 300 km/h unterwegs ist. Sein auf Höchstgeschwindigkeit getrimmter Zweiliter-Sportwagen erzeugt dagegen in den Kurven zu wenig Abtrieb und damit Tempo. Außerdem seien an der Spitze der Le Mans Classic oft Fahrer unterwegs, "denen es vor allem darauf ankommt, für relativ wenig Geld Rennsport zu betreiben". Bestimmte Modelle, sagt Barth, böten hierfür gute Voraussetzungen: "Lola T70, Ford GT40 und die frühen Frontmotor-Lotus lassen sich im Rahmen des geltenden Reglements deutlich einfacher und kostengünstiger unterhalten und teilweise optimieren als zum Beispiel ein Porsche 917."

Sogar äußerst seltene Le-Mans-Helden aus Frankreich wie Renault Alpine A 442 mit V6-Turbo und Matra 660 mit Dreiliter-V12 müssen weniger bekannten Marken den Vortritt lassen, was aber den Spaß am Zuschauen und beim Gang durch die sechs Fahrerlager nicht schmälert. Hier kann man sich an Sportwagen und GT aus sechs Jahrzehnten erfreuen, sie in Ruhe bestaunen und auf dem Weg zum Start im Getümmel von Menschen und Motorrollern erleben. Zum Beispiel die beiden NASCAR-Bomber Dodge Charger und Ford Gran Torino. Und das Ganze bei der Le Mans Classic ohne den Auftritt der großen Werke, ohne Marketing-Rummel und Jubiläumsgetöse.

Trotzdem sind fast 40 Porsche am Start. Le Mans Classic gründet allein auf die Leidenschaft der Rennwagenbesitzer und -fahrer, die uns zu einer großen Party einladen, für die man gerne bereit ist, 88 Euro auszugeben (ein Erwachsener, Wochenende mit Fahrerlager). Dafür nimmt man auch die hohen Fangzäune neben der Strecke, gesalzene Imbisspreise und einen etwas undurchsichtigen Lageplan in Kauf. Wir kommen trotzdem in zwei Jahren wieder.

Ergebnisse auf www.lemansclassic.com

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