Neuer DTM-Turbomotor erklärt
Leichter, stärker - und klingt auch noch gut

Mehr als 600 PS aus zwei Litern Hubraum – bei einer Laufleistung von 6.000 Rennkilometern. Die DTM-Motoren der Generation 2019 sind kleine Technik-Wunderwerke, wie wir am Beispiel des Audi-Aggregats erfahren haben.

Audi - DTM 2019 - Motor - Vierzylinder-Turbo - Prüfstand
Foto: Audi

Jeremy Clarkson bezeichnete die Vorgänge in einem Turbomotor mal folgendermaßen: „Abgasluft geht in den Turbolader und dreht ihn. Zauberei geschieht, und man wird schneller.“ Die Motoreningenieure sind tatsächlich Zauberer, oder zumindest Künstler, denn aus einem halb so großen Motor wie bisher holen sie rund 20 Prozent mehr Leistung – natürlich vor allem dank Turbo.

Die Triebwerke unter der Motorhaube sind nicht nur im technischen Sinne das Herzstück der zweiten großen DTM-Regelrevolution seit ihrem Neustart im Jahr 2000. Vor der Saison 2012 wurden Schaltwippen und Monocoques eingeführt, der V8-Sauger aber blieb der Alte. Beschlossen wurde die Einführung der Triebwerke schon 2014, geplant war sie für die Saison 2017. Pikanterweise aber intervenierte ausgerechnet DTM-Flüchtling Mercedes, sodass die „Steinzeitmotoren“ noch bis einschließlich 2018 vorhielten.

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Vier Jahre Entwicklung

Effektiv arbeitet man bei Audi seit rund vier Jahren am neuen DTM-Motor. Schon vor dem von Mercedes initiierten Moratorium – sowohl bezogen auf die Entwicklung als auch die Einführung – lief der Zweiliter-Vierzylinder-Turbo der Audianer auf dem Hightech-Prüfstand in Neuburg an der Donau.

Mittlerweile hat die neue Motorengeneration im Fall Audi und BMW neun Testtage hinter sich. Schauen wir uns also die neuen, kleinen Wunderwerke der Technik einmal an.

Audi - DTM 2019 - Motor - Vierzylinder-Turbo
Audi
Der Vierzylinder-Turbo leistet rund 600 PS - etwa 20 Prozent mehr als der alte V8. Das Leistungsgewicht der DTM-Autos liegt bei 1,6 kg/PS.

Erstens: das Gewicht. Die DTM-Autos werden in diesem Jahr 50 kg leichter, das Mindestgewicht ohne Fahrer und Sprit sinkt auf 981 kg. Ganz entscheidenden Anteil daran hat der Motor. Brachte der alte V8-Sauger noch 148 kg auf die Waage, wiegt der neue Rumpfmotor gerade einmal 85 Kilogramm. Ein Teil des Gewichtsverlusts wird durch den höheren Kühlbedarf (Ladeluftkühler) wieder egalisiert, unter dem Strich steht dennoch eine beachtliche Diät.

Beim Gewicht handelt es sich um einen Mindestwert, um die Kosten im Zaum zu halten. Weitere Mindest- bzw. Maximalwerte: Maximaldrehzahl 9.500/min. Der Motorblock muss mindestens 500 mm lang sein, die Zylinderbohrung muss in der Spanne zwischen 86 und 90 mm liegen. Der maximale Kraftstoffdurchsatz liegt bei 95 Kilogramm pro Stunde (Push-to-pass: 100 kg/h). Der Einspritzdruck ist auf 350 bar (Raildruck) limitiert. Ein hoher Wert, doch kein Vergleich zu den Diesel-Direkteinspritzern, die in Le Mans mit rund 3.000 bar operierten. Der Turbo ist ein Einheitsbauteil von Garrett, der maximal 3,5 bar Ladedruck liefert.

Anti-Lag-System für Showeffekte

Pro Saison und Team dürfen drei Motoren verwendet werden, rechnerisch stehen also jedem Fahrer 1,5 Motoren zu. Das ist bei einer erwarteten Laufleistung für zehn Events (neun Rennwochenenden plus ein gemeinsames Event mit der Super GT) von 6.000 Kilometern eine echte Herausforderung für die Entwicklungsingenieure.

Um bei diesem recht engen Korsett, das natürlich auch zur Kostenreduktion beitragen soll, trotzdem rund 600 PS aus den vier Brennkammern herauszukitzeln, muss jeder Tropfen Benzin ausgequetscht werden. „Der DTM-Motor hat einen extrem niedrigen spezifischen Verbrauch, der sich inzwischen in Regionen bewegt, die früher bei Dieselmotoren üblich waren“, sagt Ulrich Baretzky stolz. Der Audi-Motorenpapst zeichnet gemeinsam mit Stefan Dreyer, Leiter Antriebsstrang beim DTM-Auto, für den neuen Motor verantwortlich. „Der Vierzylinder ist per se kein einfacher Motor. Er ist vor allem sehr schwingungsintensiv“, sagt Baretzky, der unter anderem den Dieselmotor in Le Mans zum Sieger machte.

Zum Vierzylinder kommt der Turbo. „Man hat mehr Stellschrauben, zum Beispiel Ladedruck, Ladelufttemperatur und Anpassung an die jeweilige Umgebung“, stellt Baretzky die Unterschiede zum Saugmotor und damit die zu überwindenden Schwierigkeiten heraus.

In Sachen Sound hat sich übrigens nicht viel getan. Die alten V8 waren vom Konzept wie zwei gekoppelte Vierzylinder aufgebaut, die Klangnote ist also eine sehr ähnliche wie bei den bisherigen Motoren. Das nur etwas leisere Motorengeräusch wird durch das Anti-Lag-System (ALS) mehr als wettgemacht. Es sorgt nicht nur dafür, dass der Auspuff beim Gaswegnehmen ordentlich knallt, sondern auch für Feuereffekte. Die Show leidet also nicht. Im Gegenteil.

Wie entstehen die Showeffekte? Mit dem ALS schaufeln die Ingenieure das Turboloch zu. Indem es auch in der Schubphase Kraftstoff einspritzt, obwohl der Fahrer über das Gaspedal keine Leistung anfordert. Das Kraftstoffgemisch verbrennt im heißen Auspuff. Die dadurch freigesetzte Energie hält den Turbolader künstlich auf Drehzahl. Der Ladedruck fällt nicht ab, das Ansprechverhalten ähnelt dem eines Saugers.

Zudem wird die DTM deutlich schneller. „Die Fahrer steigen alle grinsend aus“, sagt man bei Audi. Auch das vermag ein Turbo also herbeizuzaubern.