Von Ferrari F50, Mazda RX-7 und BMW (E36) M3
Helden der 90er

Die 1990er-Jahre können mehr als fragwürdige Musik und schräge Mode. In diesem Jahrzehnt wurden auch einige automobile Meilensteine geboren. Eine Übersicht.

Helden der 90er Aufmacher Skyline M3 Diablo F1
Foto: Hersteller / Patrick Lang

Das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat es in sich. Der Vertrag von Maastricht wird als Grundlage der EU unterzeichnet, Drogenboss Pablo Escobar wird gefasst, die E-Mail macht dem Fax Konkurrenz und Deutschland erhält fünfstellige Postleitzahlen. Fast schon ein bisschen viel Aufregung für ein Jahrzehnt. Als wäre das nicht genug, hat sich die Autoindustrie mächtig ins Zeug gelegt und uns Fahrzeuge beschert, die noch heute Kinderzimmer-Wände schmücken können.

Unsere Highlights

Kleiner Hubraum, große Leistung

Der Unterschied zur heutigen Zeit liegt vielleicht auch in der weniger intensiven Nutzung von Plattformen, Gleichteilen und Kooperationen. Nicht, dass das etwas Schlechtes wäre, so werden schließlich Zeit und Ressourcen gebündelt. Aber früher gab es schlicht mehr Raum für automobile Individuen. Solche, wie etwa den Mazda RX-7 der dritten Generation mit dem Kürzel FD, gebaut von 1991 bis 2002. In Deutschland steht der Wankelmotor-Sportwagen allerdings nur von 1992 bis 1996 im Autohaus. Der Grund dafür erscheint sehr gegenwärtig: Neue Abgasvorschriften machen dem Verkauf in der Bundesrepublik den Garaus. Das dürfte die hiesigen Mazda-Fans mehr geschmerzt haben als den Hersteller selbst. Auch weil der RX-7 rund 85.000 Mark kostet, kaufen ihn hierzulande nicht viele Kunden. Aber noch etwas erscheint gegenwärtig: Die Kombination aus kleinem Hubraum und großer Leistung. 1,3 Liter treffen auf 239 PS.

Dass es von null auf 100 nur flinke 5,3 Sekunden braucht, liegt auch am Leergewicht von circa 1.300 Kilo und dem cW-Wert von 0,31. Bei all diesen Daten bleibt die Besonderheit des RX-7 dennoch sein Zwei-Scheiben-Wankelmotor, der bei entsprechender Pflege locker über 200.000 Kilometer marschiert. Keine Selbstverständlichkeit für einen Sportwagen und schon gar nicht für einen aus den 90ern.

Zeit für Diven

Ferrari F50 (1995)
RM Sotheby's
Nur 349 Exemplare des Ferrari F50 werden gebaut.

Andere sind da schon etwas zickiger, eigensinniger. Keine Frage führt uns der einleitende Satz nach Italien, wo uns Ferrari F50 und Lamborghini Diablo erwarten. Wer hat nicht schon mal beim Quartett einen Stich mit einem der beiden gemacht? Den F50 schenkt sich Ferrari im Jahr 1996 selbst anlässlich des 50-jährigen Bestehens. Gebaut werden lediglich 349 Exemplare und die wiederum gehen nur an ausgewählte Kunden. Die Wahrscheinlichkeit einen zu besitzen, ist entsprechend gering. Das Sahnestück des F50 ist die der Formel 1 entlehnte Konstruktion. Konsequenter Leichtbau, glatter Unterboden und ein 4,7-Liter-V12 der dir mit 520 PS die Locken aus der Frisur föhnt. Fünfventil-Technik auf Stahlgussblock – gut genug für einen Sprintwert von 3,9 Sekunden bis Tempo 100. Wenn wir nochmal einen Blick zurück auf den RX-7 werfen, ist es umso verblüffender, sich das Gewicht von 1.300 Kilo vor Augen zu führen. Beide Fahrzeuge bringen tatsächlich gleich viel auf die Waage. Hätten Sie das gedacht?

Ein Auto, das zweifelsfrei den 90er-Jahren zugeordnet werden kann, ist der bereits erwähnte Lamborghini Diablo, denn er wurde von 1990 bis 2001 gebaut und hat damit gleich das komplette Jahrzehnt aus erster Hand erlebt. Die Italiener wollen mit dem Sportwagen nicht einfach nur einen Nachfolger des Countach auf die Räder stellen, sondern nicht weniger als das schnellste Serienauto der Welt bauen. Wenn's weiter nichts ist – 320 km/h Spitze sind also das angestrebte Minimum. In Nardo soll eines der ersten Exemplare gar 337 Sachen gelaufen sein. Mit etwas mehr als 2.900 gebauten Exemplaren ist der Diablo nicht ganz so exklusiv wie sein Kontrahent von Ferrari. Dafür aber diversifizierter, denn es gibt ihn in 16 Versionen vom Standardmodell bis hin zum GTR.

Volksnaher Sportler

Etwas weniger abgehoben ist der nächste Kandidat, was vor allem daran liegen dürfte, dass man seine zivilen Pendants in den 90ern überall auf der Straße sieht. Selbst heute ist er keine Seltenheit im Land- und Stadt-Verkehr: Der BMW 3er der Baureihe E36. Heldenhaft wird er als M3, der von 1992 bis 1999 in drei unterschiedlichen Ausführungen gebaut wird. Der E36 M3 beerbt den E30 M3 und soll ein breiteres Publikum ansprechen als sein für den Motorsport konzipierter Vorgänger.

Die erste Ausführung der Sportlimousine bringt es dank dem neuen Hochdrehzahl-Reihensechser (SB50, bis 7.300 U/min) auf 286 PS und fetzt laut unseren Messungen in 5,8 Sekunden auf Tempo 100. Wie, das haut Sie heute nicht mehr um? Vielleicht schafft es dieses nette Detail: Der M3-Saugmotor verfügt Anfang der 90er über die höchste Literleistung der Welt. 95,7 PS pro Liter gibt es bei keinem Ferrari, Lambo oder Musclecar und trotzdem lässt sich der M3 auch ganz entspannt im Stadtverkehr fahren, als sei er das normalste Auto der Welt.

Ab 1994 gibt es den M3 als Viertürer und als limitiertes Sondermodell GT mit Heckspoiler und 295 PS. Auch ein Cabrio bietet BMW an. Die größere Entwicklung folgt ein Jahr später. Ab 1995 verbaut BMW einen komplett überarbeiteten SB50-Motor (SB50B32) mit mehr Power, Hubraum und – Fans wissen es längst – der variablen Nockenwelleneinstellung Doppel-Vanos. Neben einer modifizierten Ölversorgung gibt es als Update zudem sechs statt fünf manuelle Gänge und die thermisch weitestgehend unempfindliche Compound-Bremse. Insgesamt wurden etwas mehr als 71.000 BMW M3 der Baureihe E36 gefertigt, als Gebrauchtwagen sind sie heute schon für unter 10.000 Euro zu finden. Volksnah eben.

Außergewöhnliches Sitzkonzept

Die Überschrift verrät den Kennern bereits, um welches Auto es jetzt gehen muss. Natürlich kann es nur der McLaren F1 sein. Jener britische Supersportwagen, der den Fahrer vorne mittig platziert zum Gebieter über 627 PS aus einem V12-Motor von BMW macht. Bis heute das schnellste von einem Saugmotor angetriebene Serienauto – in 3,4 Sekunden fliegt der Dreisitzer auf Tempo 100. Die Vmax liegt bei atemberaubenden 386 km/h.

Der Zwölfzylinder entsteht unter Leitung von Paul Rosche. Jenem Mann, der seinerzeit auch für die Formel-1-Turbomotoren von BMW verantwortlich ist. Dass ausreichend Motorsport-Gene im McLaren F1 stecken, beweist spätestens der Le Mans-Gesamtsieg im Jahr 1995. An der Leistung allein liegt es aber nicht. Auch das komplett aus Karbon gefertigte Monocoque ist bei der Präsentation 1992 eine echte Revolution. Als Gebrauchtwagen ist der F1 heutzutage auch deshalb kein Schnäppchen – da steht auf jeden Fall eine Zahl mit sechs Nullen. Vor dem Komma.

Zukunftsweisende Technik

Auch wenn er es wegen seiner Einführung 1999 fast nicht mehr in diese Übersicht geschafft hätte, kommen wir doch nicht an ihm vorbei: Der Nissan Skyline GT-R R34 ist Technikwunder, Tuning-Legende und begehrtestes Exemplar seiner Modellfamilie. Nur rund 11.000 Autos wurden gebaut, vorwiegend als Rechtslenker. In Deutschland gab es den Skyline offiziell nie, nur wenige haben den Sprung nach Europa geschafft. Spannend ist an dem Auto eigentlich alles. Der 2,5-Liter-Biturbo-Sechszylinder ebenso wie die Hinterradlenkung oder das elektronisch gesteuerte und variable Allradsystem ATTESA, das im Normbetrieb die komplette Power an die Hinterachse schickt. Erkennt das System ein Übersteuern, gehen 50 Prozent der Kraft nach vorne, was eine enorme Querbeschleunigung ermöglicht.

Fortschrittliche Technologie gibt es auch im Cockpit. Dort können jede Menge Daten über ein 10,5-Zoll-LCD-Display abgerufen werden, darunter Pedalstellung, Ladedruck, g-Kräfte oder Drehmomentverteilung. Bei der Konkurrenz ist man da noch vorwiegend analog unterwegs. Wer so zukunftsweisend unterwegs ist, darf mit Fug und Recht als Held der 90er bezeichnet werden.

Giftig und gefährlich

Nun, wir wollen die 90er nicht ohne einen Ausflug in die USA abschließen. Während dort in den 90ern vor allem vergleichsweise dröge Modelle aus dem Hause Cadillac populär sind, erwacht auch eine automobile Urgewalt mit acht Litern Hubraum. Wie gut, dass Lamborghini einst noch Tochterfirma von Chrysler ist – sonst hätte es die Dodge Viper in dieser Form vielleicht nie gegeben. Die Italiener überarbeiten den Zehnzylinder und entlocken dem großenteils aus Aluminium gefertigten Aggregat 408 PS und 664 Newtonmeter maximales Drehmoment.

Das wirklich wahnsinnige an dem Auto ist allerdings gar nicht mal die Leistung, sondern der konsequente Verzicht auf elektronische Helfer. ABS, ESP oder Traktionskontrolle gibt es nicht für Geld noch gute Worte. Erst 2001 ist ABS serienmäßig an Bord, aber da haben wir die 90er dann ja schon verlassen. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie sich ein derart potentes Auto mit Hinterradantrieb im Regen fährt? Genau: Im Kreis. Wer nicht genau weiß was er tut, legt die giftig übersteuernde Viper so schnell im Straßengraben ab, dass er gar nicht weiß wie ihm geschieht. Da wirkt es nur noch wahnsinniger, dass in den Folgejahren mit der GTS-Ausführung noch mehr Leistung unter der langen Haube wütet. In Europa wird die Viper mit Chrysler-Badge und reduzierter Leistung angeboten, doch das tut dem Mythos keinen Abbruch.

Fazit

Wie oft wird über die 1990er-Jahre geschimpft? Schlimme Klamotten, noch schlimmere Musik – aber unsere Übersicht zeigt: Es gab da auch so ein paar Dinge, die wir auf keinen Fall missen wollen.