Hybrid- und Elektroantriebe bei Porsche
Techniktransfer von der Rennstrecke auf die Straße

Am 18. Juni 2017 siegte Porsche mit dem 919 Hybrid zum dritten mal in Folge beim legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Die dabei eingesetzte Technologie findet auch ihren Weg zum Kunden, aber wann und in welchem Umfang?

Porsche Hybrid Flotte
Foto: Porsche

Wenn Visionen in der Automobilentwicklung wie Raketen aufsteigen, um prompt auf dem mit harter Realität gepflasterten Boden krachend aufzuschlagen, sieht das in etwa so aus: „Zusammen mit den Kollegen aus der Serienfertigung haben wir zudem unsere Prüfstände so optimiert, dass wir Rennrunden simulieren können – mit dem kompletten Antriebsstrang des LMP1. Dabei stolperst du dann schon mal über Kleinigkeiten, beispielsweise wenn ein Brandschutzexperte dir sagt, dass du die Batterie hier jetzt nicht einfach so reinrollen kannst. Dann überlegst du dir, wie das Problem zu lösen ist, und stellst dabei fest, dass es im gesamten Konzern dafür keine Lösung gibt“, erzählt Martin Füchtner, verantwortlich für Porsches rollendes Versuchslabor, den 919 Hybrid.

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Porsche 919
Porsche
919 Hybrid: Im Le-Mans Siegerfahrzeug steckt ein Zweiliter-V4-Turbobenziner, der rund 500 PS leistet. Ein Elektromotor an der Vorderachse liefert zusätzlich über 400 PS. Er bezieht Energie aus der Rekuperation und aus dem Abgas.

In diesem steckt ein Zweiliter-Turbobenziner als Mittelmotor mit vier Zylindern in V-Konfiguration. Allein dieses Triebwerk leistet rund 500 PS, was bei einem Mindest-Fahrzeuggewicht von 875 Kilogramm für bemerkenswerte Fahrleistungen reichen würde. Ein Elektromotor an der Vorderachse liefert zusätzlich über 400 PS. Die nötige Energie stellt eine flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie bereit, die über Hunderte einzelner Zellen verfügt, jede sieben Zentimeter hoch sowie 1,8 im Durchmesser und eingeschlossen in einer eigenen zylindrischen Metallkapsel.

Sie wird durch Rekuperation gespeist – sowohl beim Bremsen als auch unter Last. Dazu ist im Abgasstrang ein zweiter Turbolader mit variabler Turbinengeometrie integriert, der nicht einen Verdichter für die Ansaugluft, sondern einen Generator antreibt. Eine weitere Besonderheit: Im 919 muss diese Energie möglichst schnell in den Speicher gelangen und ebenso schnell von dort wieder abgerufen werden können. Daher nutzt Porsche 800 statt der sonst üblichen 400 Volt Spannung – eine Grundsatzentscheidung, von der mit der Serienversion des Mission E ab Anfang 2020 erstmals auch jemand profitieren kann, der nicht mal eben das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewinnen will.

Geht das in Leicht und Schnell?

Wegbereitend für die aktuellen Entwicklungen war jedoch der 918 Spyder. „Wir hatten ja den Cayenne Hybrid. Dann kam die Frage auf: Geht das auch in Leicht und Schnell?“, erinnert sich Füchtner. Aus diversen Ideen kristallisierten sich der 911 GT3 R Hybrid mit Schwungradspeicher für den Motorsport sowie der 918 für die Straße heraus. Die rein elektrisch angetriebene Vorderachse übernimmt der Spyder übrigens vom R Hybrid. Der 129 PS starke E-Motor bietet also nicht nur zusätzliche Leistung, er sichert auch die Traktion ohne mechanische Verbindung zur Hinterachse. Ein zweites, sowohl luft- als auch wassergekühltes Aggregat mit 156 PS sitzt an der Hinterachse, der bis 8.700/min drehende 4,6-Liter-V8-Sauger davor – macht insgesamt 887 PS. Das Drehmoment gibt Porsche mit 1.280 Nm an, spricht jedoch vom Kurbelwellen-Äquivalent (wenn also alle drei Motoren auf die Kurbelwelle einwirken würden).

Dieses Antriebs-Layout ermöglicht eine besonders präzise Steuerung der Kraft, um schnelles und sicheres Beschleunigen aus Kurven heraus zu gewähren.Trotz seiner Exklusivität unterliegt der 918 Spyder den schnöden Anforderungen, die an ein Serienmodell gestellt werden. „In Le Mans muss die Batterie genau 24 Stunden und eine Sekunde halten, in den Straßenfahrzeugen dagegen mindestens zehn Jahre“, sagt Otmar Bitsche, Leiter der Elektrik- und Elektronik-Entwicklung bei Porsche. Obwohl im 919 das Hybridkonzept extrem zugespitzt wird, helfen die Erfahrungen – wenngleich nicht immer sofort.

Beispiel Thermodynamik: „Die Frage ist, wie funktioniert so ein Antrieb auf der Rennstrecke, ohne zu verglühen? Hier haben wir eine sehr progressive Lösung gefunden, die in der Serie zur Anwendung kommen kann – aber noch nicht im ersten Schritt. Diese Kühlart spart Gewicht, macht die E-Maschine leistungsfähiger und haltbarer. Damit lässt sich auch die Nordschleife ohne Leistungsverlust bewältigen. Verglichen mit der heutigen Technologie verdoppelt sich damit in etwa die Dauerleistung“, ergänzt Füchtner. Aktuelle Modelle hingegen wie der neue Panamera Turbo S E-Hybrid profitieren vor allem von den Antriebs- und Ladestrategien. Sie ermöglichen auch, einen Plug-in-Hybrid als sportliches Topmodell der Baureihe zu positionieren – mit einer Systemleistung von 680 PS.

Porsche Mission E – Konsequente Elektrifizierung


Der Energiegehalt der Batterie liegt bei 14 statt 9,4 kWh (brutto) wie noch beim 918 – bei identischem Gewicht. Die elektrische Reichweite steigt so von 36 auf 50 Kilometer. In 2,4 Stunden kann der Akku wieder geladen werden – mit dem optionalen 7,2-kW-On-Board-Lader, der eine 230V/32A-Steckdose benötigt. Mit 10 Ampere dauert der Ladevorgang sechs Stunden. Das alles versinkt in Irrelevanz, wenn der Viertürer mit selbstverständlicher Gewalt aus dem Startblock berserkert. In 3,4 Sekunden soll er von 0 auf 100 km/h beschleunigen, woran seit der ersten Mitfahrt niemand zweifelt.

Übrigens: „Während der 24 Stunden von Le Mans wird die Batterie um den Faktor 1,5 häufiger ge- und entladen als während der Lebensdauer eines Serienfahrzeugs, wenn man die reine Zyklenzahl berücksichtigt“, sagt Füchtner. Und was kommt nun als Nächstes? Der Mission E. Bis Ende dieser Dekade soll der rein elektrisch angetriebene viertürige Sportwagen serienreif sein – mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern und über 600 PS Leistung. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, erhält der Mission E die im 919 Hybrid erprobte 800-Volt-Technik.

Porsche mission-e
Porsche
Mission E: Permanent erregte Synchron-E-Motoren an Vorder- und Hinterachse über 600 PS, 800-Volt-Spannung für schnelles Laden.

„So stellen wir auch sicher, dass unser Fahrzeug seine gesamte Leistung nicht nur einmal, sondern mehrfach hintereinander abrufen kann“, erklärt Otmar Bitsche. Das bedeutet: In weniger als 3,5 Sekunden soll Tempo 100 erreicht sein, in weniger als zwölf Sekunden fällt die 200-km/h-Marke. Und die obligatorische Nordschleifen-Runde steht natürlich auch im Lastenheft, inklusive notwendiger Aufwärm- und Abkühlrunde. Hinzu kommt, dass durch die hohe Spannung der Ladevorgang entsprechend kurz ausfällt: In rund 15 Minuten reicht die nachgetankte Energie wieder für eine Strecke von etwa 400 Kilometern nach NEFZ. Der Speicher: eine im Fahrzeugboden sich über die gesamte Länge zwischen Vorder- und Hinterachse erstreckende Lithium-Ionen-Batterie.

Ladeinfrastruktur: Partner gesucht


Und wo bekommt der Mission-E-Besitzer Strom mit einer derart hohen Spannung? Aus einer Ladesäulen-Infrastruktur, für deren Aufbau Porsche derzeit einen Partner sucht. Wichtig dabei: Stehen mehrere Säulen zur Verfügung, soll gewährleistet sein, dass jedes Fahrzeug mit der maximalen Ladeleistung von 300 kW versorgt wird. Die Zellen kauft Porsche ein, fügt sie mit eigenem Know-how zum entsprechenden Paket mit Kühlung zusammen.

Die Lade- und Leistungsstrategie stammt ebenfalls aus dem Entwicklungszentrum Weissach, wo auch die Motorsportfahrzeuge konzipiert und gebaut werden. Einige Ingenieure sind gleichzeitig für beide Abteilungen tätig. Daher dürfen die Käufer eines Mission E davon ausgehen, dass der Viertürer agil durch Kurven feuert – dank des Torque-Vectoring-Konzepts, das die Kraft der E-Motoren zwischen den einzelnen Rädern verteilt. Diese Aggregate kommen übrigens nicht von der Stange, wie Otmar Bitsche betont: „Ähnlich wie bei Verbrennungsmotoren benötigen in Zukunft auch Elektrofahrzeuge maßgeschneiderte Antriebe. Entsprechend variieren wir über unterschiedliche Blechschnitte und die Anzahl der Windungen.“ Besonders sportliche Fahrzeugkonzepte bekommen dann hochdrehende Aggregate (16.000/min); ist mehr Drehmoment aus dem Stand gefragt, lässt sich das ebenfalls realisieren.

Doch bevor eine vollständige Modellpalette mit Elektroantrieb entsteht, muss zunächst der Mission E den Weg zur Serienreife gehen – ein Weg, auf den die Realität immer wieder große und kleine Felsbrocken schiebt. „Es gab kein kleines, leichtes Steckerkonzept, das mit dieser Spannung und unseren Sicherheitsvorstellungen funktioniert hat. Also mussten wir uns selbst was überlegen. Das kann man natürlich auf die Serie übertragen, nur dort darf so ein Stecker eben nicht mehrere Hundert Euro kosten“, erzählt Ingenieur Füchtner.