BMW iX und Mercedes EQS SUV im Test
Mächtige Elektro-SUV im Duell

Lange genug gewartet, jetzt geht es Schlag auf Schlag in der elektrischen Oberklasse. Diesmal gehen die mächtigen deutschen Top-SUV in die Bütt.

BMW iX, Mercedes EQS SUV
Foto: Achim Hartmann

Es ist ein Weilchen her, da warf das Fazit des Einzeltests Mercedes EQS 580 SUV den imaginären Fehdehandschuh nach München: "Wer einen Elektro-SUV mit viel Platz, hoher Reichweite und gutem Reisekomfort sucht, findet derzeit kaum ein überzeugenderes Angebot." Ach ja, ganz hart auf jeden Cent achten sollte man bei der Nummer nicht unbedingt. Wobei … daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Astronomische Preise deutlich nördlich von 135.000 Euro, astronomische Gewichte, astronomische Umweltversprechen.

Der große E-Ratgeber

Na, frustriert? Wozu? Setzen wir uns direkt rein in den wohl schärfsten Mitbewerber des EQS, den BMW iX M60. Das Ding aus Dingolfing, als Topmodell mit M-Abzeichen – das dürfte interessant werden. So wie der iX ohnehin, mit seinem Aluminium-Spaceframe plus Dach-, Seiten- und Heckteilen aus carbonfaserverstärktem Kunststoff. Bereits beim Öffnen der Softclose-Türen mit den rahmenlosen Scheiben sieht man diese schwarz schimmernden Flächen. Ziemlich cool und mitverantwortlich für die Gewichtsdifferenz von 213 kg gegenüber dem EQS. Modern und leicht erscheint auch die reduzierte Innenraumgestaltung mit dem flachen Armaturenträger und dem darauf aufgesetzten Curved Display, den schmalen Lüftungsausströmern und dem freien Durchstieg vorn.

1.100-Nm-Strubbler

BMW iX, Mercedes EQS SUV
Achim Hartmann
515 Kilometer weit kommt der BMW unter realistischen Fahrbedingungen, der EQS braucht mit 24,9 im Schnitt zwei kWh mehr auf 100 Kilometer und kommt nur 477 Kilometer weit.

Zu weiteren Details kommen wir noch – doch vorher gilt es, mit 1.100 Newtonmetern das Raum-Zeit-Kontinuum zu verstrubbeln. Launch Control, Pedal an den Boden und ab: 3,8 Sekunden auf 100. Ohne viel Schlupf, ohne große Regelei. Die beiden von BMW selbst gebauten fremderregten Synchronmaschinen (ohne seltene Erden) verstehen sich bestens mit den Pirelli P Zero Elect. Und die Hinterköpfe der Insassen mit den integrierten Kopfstützen, in die sie zuvor schnellten. Mit Schmackes, denn das Moment der beiden Elektromotoren hält sich nicht lange mit Entwickeln auf, es ist da. Einfach so. Wie Mutti im schummrigen Teenie-Zimmer, kurz bevor es beim Rendezvous interessant wird.

Interessant? Ran an den Mercedes, die in Tuscaloosa gefertigte SUV-Variante der EQS Limousine, karosseriemäßig zwischen SUV und Van changierend. Und neben der äußeren glattflächigen Dezenz auf 5,13 Metern innen eine ziemliche Wucht. Zum einen wegen des schieren Platzangebotes, der Siebensitzoption und des bis zu 2.100 Liter großen Kofferraums. Zum anderen mit dem hoch aufragenden Armaturenträger, weit nach oben reichenden Türverkleidungen, der breiten Mittelkonsole, Lüftungsturbinen und dem scheinbar durchgehenden Display von den Instrumenten über den Mittenbildschirm bis zum separaten Beifahrer-Schirm.

Im Vergleich zum BMW wirkt dieser 1,41 Meter breite, beim 580 serienmäßige Hyperscreen in brillanter OLED-Technik mit selbstleuchtenden Pixeln und der bei 650 Grad heiß geformten und 3-D-gebogenen Deckglas-Fläche wie MediaMarkt/Saturn gegen Fernseh-Müller. Wobei man Letzteren nie unterschätzen sollte. Bleiben wir beim EQS, den Bonding-Fans wegen des Dry-and-wet-Verfahrens für einen einheitlichen Verlauf des Brechungsindexes des Glases auf ihre Kosten feiern, Haptiker wegen der acht Aktuatoren zur Vibrationsrückmeldung, während metallisierter Schaum als Kraftsensor dient, um unterschiedliche Reaktionen je nach Druck auszulösen. Zudem wird die Alterung der Pixel überwacht und kompensiert; eine unmerkliche Rotation verhindert Dauerbelastungen. So viel zum Thema simple Displays.

Das Mercedes im Übrigen auch sorgfältig bespielt. Unter anderem mit dem Zero-Layer-Prinzip. Dabei wird mithilfe Künstlicher Intelligenz eine jeweils passende erste Ebene zum Bedienen angeboten, mühsames In-Ebenen-Tauchen entfällt. Überdies helfen ein Schnelleinstieg für ausgewählte Inhalte und insgesamt aufwendige Grafiken bis hin zur 3-D-Navikarte beim Bedienen. Zudem arbeitet die Sprachsteuerung hervorragend, versteht Freitext in 21 Sprachen und erfüllt die meisten Bedienwünsche.

Kein Pedal-Gefühl im EQS SUV

 Mercedes EQS SUV
Achim Hartmann
Im Test zeigt der EQS indiskutable Schwächen beim Pedalgefühl.

Während sich der EQS selbst hervorragend aufs Erfüllen von Komfortwünschen versteht. Es gibt zwar noch besser stützende, vielfacher einstellbare Sitze, doch das Federungs- und Geräuschniveau beeindrucken. Das konsequent sanftmütige Set-up von Fahrwerk, Luftfedern und Adaptivdämpfern zahlt sich ebenso aus wie die aufwendige Geräuschdämmung samt versteifender Akku-Box im Boden plus Schäumen und Tilgern.

So flüstert der Mercedes EQS SUV mit seinen insgesamt 544 PS starken Synchronmaschinen geschmeidig und quasi unhörbar los, und im Testerkopf rattern die Punktzahlen nach oben. Wenn da nicht die Bremse wäre, konkret: das Pedalgefühl, bei dem man sich fragt, wie so etwas die Genehmigungsschleifen passieren konnte. Die Anlage liefert bei Pedalvolldruck zwar gute Werte, doch beim langsamen Heranbremsen an eine Ampel bleibt regelmäßig gefühlsmäßig die Bremswirkung weg. Man tritt aufs Pedal, und es taucht ab, während der 2,8-Tonner weiterrollt und erst nach einer kurzen Pause weiter verzögert. Puls 180 selbst bei hartgesottenen Fahrensleuten. Wenn wir nicht wüssten, dass das beim EQS (wie auch bei anderen Baureihen mit Stern) normal ist, würden wir an einen Defekt glauben. Zumal das Bremspedalgefühl auch beim sonstigen Fahren schwankt, nie eine konstante Transparenz, einen verlässlichen, gleichbleibenden Druckpunkt liefert. Schwach, Mercedes!

Strammer Mix im BMW iX M60

BMW iX, Mercedes EQS SUV
Achim Hartmann
Der BMW ist schneller (250 zu 210 km/h), dafür aber nicht so kultiviert wie der EQS.

Im Gegensatz zum BMW, der ganz konkret, trocken und konsistent auf den Punkt verzögert, Vertrauen aufbaut. Insgesamt. So federt und dämpft der iX etwas strammer als der Mercedes, rollt eine Nuance straffer ab, vermittelt jedoch eine etwas weniger beeindruckende Stille im Innenraum mit den etwas hoch positionierten, aber seitenhaltigen Sitzen. Dafür kommt hinterm eckigen Hexagonal-Lenkrad aber echte Freude auf. Am Fahren. BMW eben. So wie sich der 2,6-Tonner an Kurven ranmacht, sie mit der präzisen Allradlenkung (hinten drei Grad im Gegensatz zu zehn beim EQS) anvisiert, um mit sehr geringem Untersteuern zu vollstrecken.

Der Fahrer spürt regelrecht in den Handflächen, wie sich die 22-Zoll-Räder abstützen, Grip aufbauen, Rückmeldung geben. Das ganze Fahrwerk mit Doppelquerlenkern vorn, Fünflenkerachse hinten und Zweikammer-Luftfederung ist so fein abgestimmt, dass man eine elektronisch gesteuerte Wankstabilisierung statt lediglich härterer Stabis hinten vermuten könnte. Gute mechanische Traktion verschmilzt beim BMW iX M60 mit schneller Motorregelung zu einem kaum wahrnehmbar elektronisch reglementierten Dynamik-Spaß, der den Komfort nicht vergisst. Längs- und Querdynamik vereint, rückmeldungsfreudig abgestimmt – klasse!

Unser EQS 580 möchte der noch kommenden AMG-Version scheinbar noch Differenzierungsluft lassen und bleibt ein ganzes Stück weg vom trockenen Abstützen, Reinhalten und Rausbeschleunigen. Der 2,8-Tonner zeigt mit etwas früherem Untersteuern, wann er genug hat, legt mehr Wert aufs Filtern als auf Transparenz und schiebt nicht ganz so ansatzlos aus mittleren Geschwindigkeiten wie das BMW-Katapult.

Distanz wahren

BMW iX, Mercedes EQS SUV
Achim Hartmann
34,2 Meter Kaltbremsweg braucht der Mercedes aus 100 km/h. Damit steht er 1,9 Meter früher als der BMW.

Für sich genommen schnell und unangestrengt, fällt er im Vergleich zum flitzigen BMW auf der Straße zurück – anders als bei den Fahr- dynamik-Messwerten. Seine Allradlenkung schrumpft den EQS beim Rangieren auf Kompaktklasse-Niveau (Wendekreis 10,9 Meter), führt ihn insgesamt jedoch distanziert und rückmeldungspassiv. Um die Mittellage verlangt sie stets leichte Korrekturen, was den Geradeauslauf etwas stört, beim zügigen Kurvenfahren teils höhere Haltekraft, ohne sich mit entsprechender Transparenz zu revanchieren.Petitessen, zumindest für Fahrdynamik-Resistente, die der EQS mit seinen elektrisch betätigten Rücksitzlehnen, einer per Wippen leicht bedienbaren Rekuperationssteuerung, die freies Rollen, normale sowie adaptive Rekuperation beherrscht, hochauflösendem Digitallicht, Offroad-Fahrmodus und ausgeprägten Relax-Programmen kompensiert. Einfach "Ich bin gestresst" sagen, und schon beginnt das Programm "Freude mit regenerativem Charakter".

Denken Sie jetzt, was ich denke? Nein, ich denke an den Akku des Mercedes, der seine netto 108 kWh entweder in Pouch- oder Hardcase-Zellen bunkert. Je nach Verfügbarkeit, was ein Indiz für die grundsätzliche Gleichwertigkeit der beiden Systeme liefert. Bei einem Durchschnittsverbrauch von rund 33 kWh/100 km sind damit Reichweiten um 360 Kilometer drin, wobei er die Laderei gut im Griff hat.

Etwas langsamer, aber immer noch flott zieht der BMW seinen Strom aus dem Schnelllader. Sein netto 105 kWh großer Akku reicht beim Durchschnittsverbrauch von knapp 31 kWh/ 100 km für rund 380 Kilometer Reichweite. Bei Ladestrategie samt Zielführung schenken die beiden sich wenig. Hier wie dort findet man per Fremd-App bisweilen bessere Lademöglichkeiten. Und wo Mercedes beim LED-Licht mit je 1,3 Millionen Mikro- spiegeln arbeitet, setzt BMW einen Laser als Reichweitenbooster ein. Seine ebenfalls touchlastige Bedienung, ergänzt durch Dreh-Drück-Steller, Lautstärkewalze und hervorragende Sprachsteuerung, funktioniert nach Eingewöhnung problemlos, wenn auch im Vergleich zu früheren BMW-Systemen kleinteiliger und komplexer.

Detailliert und komplex zugleich musiziert die Bowers-&-Wilkins-Surroundanlage. Reichlich Hochtöner plus Bass-Shaker im Sitz liefern Räumlichkeit und Tieftongewalt, stellen dynamischen Hörspaß übers letzte Fitzelchen Präzision. Was am Ende nichts daran ändert, dass der iX den Handschuh zwar aufnimmt, die Fehde jedoch knapp verliert.

Umfrage
Elektro-SUV egal welcher Marke sind ...
81503 Mal abgestimmt
.. ein "must-have"!... überflüssig

Fazit

1. Mercedes EQS 580 SUV
642 von 1000 Punkte
2. BMW iX M60
639 von 1000 Punkte
Technische Daten
BMW iX xDrive M60 Mercedes EQS SUV 580 4Matic
Grundpreis143.100 €147.923 €
Außenmaße4953 x 1967 x 1696 mm5125 x 1959 x 1718 mm
Kofferraumvolumen500 bis 1750 l645 bis 2100 l
Höchstgeschwindigkeit250 km/h210 km/h
0-100 km/h4,5 s
Verbrauch23,0 kWh/100 km20,0 kWh/100 km
Testverbrauch33,1 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten