Porsche 911 (991) GT3 im Test
Auf die Drehzahl-Spitze getrieben

Maximaldrehzahl: 9.000/min. Leistung 475 PS. Von null auf 100 km/h: 3,6 Sekunden. Und das ist längst nicht alles, was der neue Porsche 911 GT3 auffährt, um Sportwagen-Fans in Schnappatmung zu versetzen.

Porsche 911 GT3, Frontansicht, Slalom
Foto: Hans-Dieter Seufert

Sie wissen nicht, was sie tun. Sie freuen sich, ohne auch nur zu ahnen, was ihnen blüht, wenn der Porsche 911 GT3 wirklich anhalten würde. Die Tramper an der Autobahnraststätte nahe Freiburg recken beim Anblick des Sportwagens ihre Pappschilder noch ein Stück höher, setzen ihr schönstes Lächeln auf, eines, das wohl nur Studenten lächeln können, die in der vorlesungsfreien Zeit per Daumen raus nach Frankreich wollen.

Der Porsche 911 GT3 möchte dort auch hin, wenngleich nicht ganz so weit gen Südwesten. Für einen von ihnen böte er genügend Platz samt ausladendem Trekking-Rucksack. Vielleicht würde er oder sie sogar den wirklich hervorragenden Komfort der Schalensitze zu schätzen wissen, der vor allem aus der langen Oberschenkelauflage und den korsettartigen Seitenwangen herrührt. Übrigens: Vollschalen aus Kohlefaserverbundwerkstoff bietet Porsche nicht mehr an, da selbst die im Testwagen montierten Sitze mit klappbarer Lehne in einigen Ländern keine Zulassung mehr erhalten. Spätestens aber, wenn der Porsche 911 GT3 auf die Autobahn herausbeschleunigt hätte, wäre es dem Mitfahrer wohl anders geworden. Hier, wo die A 5 weder tempolimiert noch baustellengepeinigt durch den Oberrheingraben fließt, darf der Porsche 911 GT3 ungeniert die Muskeln aufpumpen und zeigen, was er zu bieten hat. Erstmals bekommt das 3,8-Liter-Triebwerk seine Dosis Super Plus effizienzsteigernd direkt eingespritzt, dazu neue Zylinderköpfe mit großen Ein- und Auslasskanälen sowie einer Ventilbetätigung über Schlepphebel, was hohe Drehzahlen ermöglicht.

Porsche 911 GT3 giert nach Drehzahlen

Nach dem Start rumort es unruhig im Heck des Porsche 911 GT3 vor sich hin, die Nadel des Drehzahlmessers zittert nervös. Die beruhigende Wirkung des Zweimassenschwungrades opferten die Ingenieure auf dem Altar der Gewichtsreduktion, ebenso wie die eine oder andere Dämmmatte, weshalb Konversationen im Interieur ein seltsamer Hall dramatisiert. Nur 1.433 Kilogramm wiegt der Porsche 911 GT3. Jaja, das ist natürlich mehr als sein Vorgänger, aber immerhin noch 70 kg weniger als ein Carrera S. In jedem Fall trägt es erheblich zum Beschleunigungserlebnis bei, dessen Dramatik vermutlich die besten Theater-Regisseure an ihrer Kompetenz zweifeln lässt. Leichtes Zucken im rechten Fuß beantwortet der Boxermotor giftig bellend, sofort und unmittelbar.

Jetzt bloß nicht zögern, der Wählhebel parkt bereits in Position D, also los. Um die Anhalter so richtig zu erschrecken, böte sich die Launch-Control-Funktion des Porsche 911 GT3 an – das volle Programm mit im Begrenzer stotterndem Motor und dosiertem Schlupf an 305 Millimeter breiten Hinterrädern. Dann sprengt sich der Porsche 911 GT3 in 3,6 Sekunden von null auf 100 km/h, ein Zehntel schlechter als versprochen.

Im Gigantismus der damit einhergehenden Akustik zerfließen solche Zahlenspiele, schmelzen wie Eis in der Sonne. Bis 4.000/min schraubt sich der mit 12,9:1 verdichtete Sechszylinder brüllend empor, danach schreit er mit der Intensität, wie es sich der moderne Wutbürger nicht einmal vorzustellen vermag. Durchdringend, metallisch, hell und rau, als ob Wagner mittels Fanfaren und Kettensägen intoniert würde. Längst huschte die Drehzahlmesser-Nadel über die 6.000er-Marke, klettert ungebremst weiter, 7.000, 8.000, 9.000 – Schluss, nächster Gang, ganz ohne Schlag oder ballistische Überhöhung, einfach so. Und das Spiel beginnt von vorne, immer weiter, bis in den kurz übersetzten siebten Gang. Die Gier des Porsche 911 GT3-Triebwerks nach Drehzahl scheint unendlich, steckt selbst die turboinfiziertesten aller Fahrer an. Der eine oder andere Anhalter hätte jedenfalls längst in sein Pappschild gebissen.

Porsche GT3 kann Kurven jeder Art und in jedem Tempo

Doch wie immer gilt die reine Beschleunigung nicht als die einzig relevante Fragestellung in der Porsche 911 GT3-Philosophie. Vielmehr sucht das Elfer-Derivat nach Lösungen für jede Aufgaben, die ihm Kurvenkombinationen stellen können. Daher lenken nun die Hinterräder mit oder dagegen, je nach Bedarf, aber immer mit maximal 1,5 Grad – also anders als beim allradgetriebenen Turbo. An der Vorderradlenkung änderte Porsche gegenüber dem Carrera jedoch nichts.

Und warum, bitteschön, fühlt sich dann der Porsche 911 GT3 beim Einlenken so an, als ob ihn eine große Faust mit einem Hieb auf das jeweilige Vorderrad in die entsprechende Richtung boxt? Weil die Fahrwerkstechniker ihre Arbeit gewissenhaft erledigten. In Höhe, Spur und Sturz einstellbar, mit zwei Dämpfer-Kennlinien versehen und mit 20-Zoll-Rädern bestückt, wechselt der Porsche 911 GT3 schneller und präziser die Richtung, als es je ein Politiker vermag. Im slalomrelevanten Geschwindigkeitsbereich unterstützen ihn zusätzlich die dagegenlenkenden Hinterräder, kaschieren so den gegenüber dem Vorgänger um 10,2 Zentimeter gewachsenen Radstand. Wie es wohl jetzt dem Mitfahrer gehen würde? Ob er oder sie sich bereits in den Hörsaal zurücksehnte?

Dabei wird es jetzt erst so richtig lustig, die Cup-Reifen kleistern mit optimaler Betriebstemperatur über den Asphalt, ermöglichen zusammen mit der elektronisch geregelten Sperre kaltschnäuzige Traktion. Erst mutwillige Lastwechsel lassen sie abreißen, zwingen wahlweise die Elektronik oder den Fahrer zu entsprechender Reaktion. Bei aktiviertem ESP erfolgen die Regeleingriffe früher, jedoch deutlich sensibler als beim Carrera. Ist das System inaktiv (ESP und Traktionskontrolle können unabhängig voneinander abgeschaltet werden), öffnet sich ein Zeitfenster für den entsprechenden Reflex, in dem die meisten Piloten wohl stecken bleiben würden. Wer durchpasst, kann auch mit dem Porsche 911 GT3 wunderbar quer fahren, bejubelt von höchsten Drehzahlen – schließlich weiß er ja, was er tut.

Porsche 911 GT3 ohne Schaltgetriebe-Option

Chefreporter Jens Dralle über das Doppelkupplungsgetriebe. Ob es nun bedauernswert ist oder nicht: Weder übte ich bereits im Kinderwagen die Hacke-Spitze-Technik noch erlernte ich je perfektes Zwischenkuppeln. Also müsste mir der neue Porsche 911 GT3 mit seinem serienmäßigen Doppelkupplungsgetriebe entgegenkommen. Tatsächlich arbeitet das PDK derart grandios, dass es sogar auf einer Rennstrecke sich selbst überlassen werden kann – keine manuellen Eingriffe notwendig. Und wenn doch: Endlich passt das Schaltschema. Zum Hochschalten am verlängerten Wählhebel ziehen, zum Herunterschalten drücken, fliehkraftgemäß sozusagen. Alternativ erledigen die Schaltpaddel den Job, mit verkürzten Wegen und etwas mehr Widerstand als bei einem Carrera. Das Entwicklungsziel, den neuen Porsche 911 GT3 besser als seine Vorgänger zu machen, hat Porsche also erreicht. Doch bei aller Perfektion des PDK: Ein Auto wie den Porsche 911 GT3 möchte ich beherrschen und nicht erleben, wie es sich selbst beherrscht – völlig unerheblich, ob es dadurch eine Sekunde langsamer über die Rennstrecke brät oder nicht. Das hängt vermutlich mit dem Genuss der eigenen Hände Arbeit zusammen, in etwa so, wenn du selbst in der Panade für ein Wiener Schnitzel herummanschst und es ausbackst, statt ins Restaurant zu gehen, obwohl es dort vielleicht besser aussieht. Zumindest die Option auf ein manuelles Getriebe wäre schön – von mir aus ohne Minderpreis –, selbst für diejenigen, die nicht bereits im Kinderwagen mit Hacke- Spitze-Technik fuhren.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Porsche 911 GT3
geringes Gewicht
hohe Steifigkeit
gute Verarbeitung
ordentliche Platzverhältnisse
mäßige Übersichtlichkeit nach hinten
Fahrkomfort
hervorragende Sitze
sehr gute Ergonomie
einfache Bedienung
eingeschränkter Federungskomfort
hohes Geräuschniveau
Antrieb
extrem drehfreudiger und sehr kräftiger Saugmotor
gleichmäßige Leistungsentfaltung
sehr spontanes Ansprechverhalten
passende Getriebeübersetzungen
schnelle Gangwechsel
Fahreigenschaften
extrem sportliches Handling
agiles Einlenkverhalten
sehr direkte Lenkung
hohe Seitenführungskräfte
viel Traktion
mäßiger Geradeauslauf
Sicherheit
exzellente Bremsen
feinfühliges ESP
schlechter Nassgrip
Umwelt
angemessener Testverbrauch
erfüllt nur Euro 5
Kosten
voraussichtlich geringer Wertverlust
hohes Preisniveau
hohe Vollkaskoeinstufung
jährliche Inspektionen
zwei Jahre Garantie

Fazit

Extrem agil und emotional motorisiert bucht sich der teure GT3 im Sportwagen-Olymp ein. Und der Alltag? Den meistert er problemlos, trockene Straßen und einen Fahrer mit Selbstbeherrschung vorausgesetzt.

Technische Daten
Porsche 911 GT3 GT3
Grundpreis137.303 €
Außenmaße4545 x 1852 x 1269 mm
Kofferraumvolumen125 l
Hubraum / Motor3799 cm³ / 6-Zylinder
Leistung350 kW / 475 PS bei 8250 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h
0-100 km/h3,6 s
Verbrauch12,4 l/100 km
Testverbrauch13,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten