Porsche 911 (992) GT3 RS im Supertest
Der schnellste Porsche auf der Nordschleife

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Für den Porsche 992 GT3 RS müsste eigentlich eine neue Schulnote erfunden werden, oder was kommt vor einer Eins plus mit drei Fleiß-sternchen? Dank aktivem Aero-konzept und massig Abtrieb glänzt das Flügelmonster mit Grandioser Fahrdynamik.

Kann der fliegen?", wird die Nachbarin fragen, als das Flügelmonster später knisternd im Wohngebiet parkt. Eine auf den ersten Blick nicht ganz unberechtigte Frage, als BB-PO 8003 jetzt auf der Döttinger Höhe wie auf einer Startbahn Anlauf nimmt, um im Tiefflug über die legendäre Nordschleifen-Gerade bis zur Hohenrain-Schikane zu stürmen. Erst ein freisaugendes Volllast-Konzert bei Hochdrehzahl, dann ohne anzubremsen mit fast 270 km/h durch die Links-Rechts-Wechselkurve nach der Tiergarten-Senke. Ready for Take-off im Downforce-Denkmal BB-PO 8003 alias Porsche 911 GT3 RS.

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Das Aero-Wunder von Flacht

Porsche 911 GT3 RS
Hans-Dieter Seufert
Mehr als 300 Stunden haben Aero-Spezialist Mathias Roll und seine Kollegen mit dem RS im Windkanal verbracht. Grandioses Ergebnis: In Low Downforce generiert der RS einen Gesamtabtrieb von 138 kg bei 200 km/h (VA: 32 kg, HA: 106 kg). In High Downforce liegt der Gesamtabtrieb bei 406 kg.

Von 2003 bis 2023, von 996 GT3 RS bis 992 GT3 RS – seit mittlerweile 20 Jahre erschaffen sie in Weissach-Flacht Querdynamik-Kaiser, die zu Lebzeiten schon zu Ikonen werden. Höher, schneller, weiter – es würde mich nicht wundern, wenn das Kürzel GT3 RS bald als Synonym für Perfektion und Vollkommenheit in den Duden aufgenommen werden würde.

Der bis 9000 Touren jubilierende Vierliter-Sauger mit seiner Gasannahme wie per Gedankenübertragung – grandioser, mechanischer Grip, eine satte Portion Abtrieb, eine famose Lenkpräzision und eine hohe Fahrstabilität führen zu einer herausragenden Fahrbarkeit im Grenzbereich, die im Konkurrenzumfeld ihresgleichen sucht. All das kennen wir bereits vom 992 GT3 ohne RS-Logo. Wie gelingt es dem GT3 RS jetzt mit moderaten 15 Extra-PS, alles Dagewesene fahrdynamisch in den Schatten zu stellen?

Das Wunder von Flacht basiert auf einem aktiven Aerodynamik-System und einem Drag Reduction System (DRS). Beides Premieren in einem Serienfahrzeug von Porsche. Jetzt machen sie in Flacht mal richtig ernst.

Zurück auf die Döttinger Höhe, zurück in BB-PO 8003 mit dem Spitznamen oder besser gesagt mit dem Callsign "Maverick". GT-Boss Andy Preuninger ist nicht nur ein großer Fan des 80er-Jahre-Kultstreifens "Top Gun", sondern er kennt auch Joseph Kosinski, den Macher von "Top Gun 2", persönlich, der privat 911 GT3 fährt. Regisseure unter sich – der eine für Jets auf der Leinwand, der andere für Jets auf Straße und Rennstrecke.

Porsche 911 GT3 RS
Hans-Dieter Seufert
High Downforce: Steilste Stellung des Flügels für maximalen Abtrieb.

Daher tragen auch sämtliche 992-GT3-RS-Entwicklungsfahrzeuge aus Flacht die Callsigns aus dem legendärsten Fliegerfilm mit einem Aufkleber auf der Heckscheibe. Neben Maverick nutzte Test- und Entwicklungsfahrer Jörg Bergmeister für die offizielle RS-Rundenzeit auf der Nordschleife auch Iceman (BB-PV 4002). Am Rekordtag fuhr Jörg insgesamt fünf schnelle Runden mit fünf frischen Reifensätzen, bis die offizielle RS-Zeit im Kasten war. Mit 6.44,84 Minuten war Iceman dabei übrigens einen Tick fixer als Maverick (6.46,27 min), der jetzt zum Supertest antritt.

Rausbeschleunigen aus dem Galgenkopf. Während die Drehzahlnadel bis zur Redline tobt, leuchtet im Display links neben dem Drehzahlmesser der Hinweis "Aerodynamics Dynamic Downforce DRS ready" auf. Knopfdruck auf die linke Lenkradtaste mit DRS-Schriftzug. Im Display steht nun in Grün "DRS active".

Porsche 911 GT3 RS
Hans-Dieter Seufert
Low Downforce: Das obere Heckflügelprofil und die beiden Flaps in den Seiten des Bugteils sind flachgestellt für einen niedrigeren cW-Wert.

Das obere Flügelprofil des monumentalen Doppelheckflügels, dessen umströmte Fläche 40 Prozent größer als beim 992 GT3 ist und dessen Oberkante sogar 5 mm höher als die des Carbondachs liegt, wechselt von der steilen in seine flachste Stellung. Genauer: 34 Grad flacher. Noch genauer: von "High Downforce" auf "Low Downforce" innerhalb von 650 bis 700 Millisekunden, um auf der Döttinger Höhe mit dem minimal möglichen cW-Wert (0,39) einen hohen Topspeed zu erzielen.

Um eine ideale, aerodynamische Balance zwischen Vorder- und Hinterachse zu garantieren, verändert das PAA (Porsche Active Aerodynamics) genannte System nicht nur die Stellung des oberen Heckflügelprofils, sondern auch synchron von zwei Flaps, die in den Seiten des Bugteils sitzen. Die Flaps sind Richtung Unterboden platziert. Statt der bisherigen drei Kühler setzt Porsche beim 992 GT3 RS daher auch auf ein Mittenkühler-Konzept, um Platz für die aktiven Aero-Elemente im Bugteil zu schaffen. Durch den großen Mittenkühler fällt dafür der Kofferraum unter der Fronthaube weg. Kein Drama, Wechselunterhosen muss man jetzt halt ins Handschuhfach stopfen.

Während das obere Flügelprofil des Heckflügels wegen der hohen Kräfte elektrohydraulisch gesteuert wird, erfolgt die Ausrichtung der beiden Flaps vorn via Elektromotoren. Die dafür genutzten E-Motoren werden ansonsten bei der Ladeklappe des Taycan eingesetzt. Die neuen Türgriffe stammen übrigens vom Cayenne und sind deutlich funktioneller.

Porsche 911 GT3 RS
Hans-Dieter Seufert
Der Heckflügel ist nur ein Detail des Aero-Konzepts von vielen. Die Luft aus dem Mittenkühler strömt über Öffnungen und Luftleit-Elemente (Nüstern) auf der Fronthaube aus und wird nach rechts und links geleitet. Finnen auf dem Dach lenken die Luft zusätzlich nach außen und sorgen für 5 bis 10° C kühlere Ansaugtemperaturen am Heck.

Das Ziel der variablen Aerodynamik ist klar: möglichst viel Abtrieb in schnellen Kurven oder beim Anbremsen erzeugen, aber auf den Geraden den Abtrieb und damit auch den Luftwiderstand minimieren. Kurz: das Beste aus zwei Aerodynamik-Welten in einem Konzept vereinen.

Vielfältige Individualisierungsmöglichkeiten

Das System lässt sich nicht nur per Knopfdruck ansteuern, sondern der RS kann die Flügel- und Flap-Stellung auch automatisch stufenlos und präzise auf die jeweilige Fahrsituation, die Geschwindigkeit und das gewählte Fahrprogramm anpassen.

Am RS-Lenkrad befinden sich nun vier Drehregler. Drei Fahrprogramme stehen zur Wahl: Normal, Sport und Track (Drehregler "Drive Mode"). Neben der aktiven Aero feiern im RS weitere Techniken ihre Premiere. Im Track-Modus können unter anderem Druck- und Zugstufe der Dämpfer an Vorder- und Hinterachse separat und mehrstufig verstellt werden (− 4 bis + 4). Auch die Hinterachs-Quersperre PTV+ (− 4 bis + 4) und die Traktionskontrolle (sieben Stufen und off) lassen sich nun über Drehregler justieren.

Porsche 911 GT3 RS
Hans-Dieter Seufert
Diverse Fahrdynamikeinstellungen können über die vier Drehregler direkt am Lenkrad eingestellt werden.

Da die Supertest-Rundenzeit auf der Nordschleife innerhalb von nur fünf Runden und in Hockenheim innerhalb von vier Runden realisiert wurde, habe ich auf Jörgs Einstellungen vertraut (PASM: Vorderachse Zugstufe + 3, Druckstufe 0, Hinterachse Zugstufe + 4, Hinterachse Druckstufe 0, PTV+ Coast 0, Power 0). Und TC? Nordschleife: DSC off, TC 3, Hockenheim: DSC off, TC 3.

Zurück zur Aero. Im Fahrmodus "Normal" befinden sich Flügel und Flaps für den Alltagsbetrieb dauerhaft in der flachen Low-Downforce-Stellung. Es sei denn, man muss eine Vollbremsung auf der Autobahn hinlegen. Dann schnellen Flügel und Flaps blitzschnell nach oben, um die Verzögerung mit Abtrieb zu unterstützen. In Sport und Track arbeitet die Aero dauerhaft aktiv mit.

Es gibt zwei Fahrstrategien, wie man die Aero auf der Rennstrecke nutzen kann. Erstens: Man fährt im Track-Modus und lässt das Dynamic-Downforce-Programm für sich arbeiten, das heißt, man betätigt den DRS-Knopf am Lenkrad nicht. Die Flügel-Flap-Position passt sich dabei automatisch je nach Fahrsituation an. Flaps und Flügel liefern dabei genauso viel Abtrieb, wie gerade für die jeweilige Fahrsituation nötig ist. Erst bei Kurvenfahrten mit hoher Querbeschleunigung und Geschwindigkeiten über 190 km/h oder beim Anbremsen über 190 km/h gehen Flaps und Flügel automatisch in die steilste Stellung für maximalen Abtrieb.

Insgesamt ist die dynamische Regulierung auf möglichst viel Abtrieb ausgelegt, verfügt jedoch auch über eine automatische DRS-Funktion (Flügel und Flaps in der flachsten Position), die sich automatisch aktiviert, wenn folgende Faktoren eintreten: Geschwindigkeit über 80 km/h, Gaspedalstellung größer als 95 Prozent, Drehzahl größer als 5500/min, Querbeschleunigung kleiner als 0,9 g oder Gaspedalstellung größer als 95 Prozent für länger als 0,75 Sekunden. Der GT3 RS passt in der Auto-Aero-Funktion die Aero zum größten Teil der gegebenen Fahrsituation richtig an. Nun gibt es aber Streckenpassagen auf der Nordschleife, da stehen Flügel und Flaps im Auto-Modus vielleicht noch leicht hoch oder schon wieder hoch, an denen ein geübter Fahrer lieber Low Downforce, also die flachste Flügel- und Flap-Stellung, bevorzugen würde, um den minimal möglichen Luftwiderstand in idealen Vortrieb und damit in eine bessere Rundenzeit umzumünzen.

Perfekte Flügeleinstellung für jede Kurve

In manchen Nordschleife-Passagen bringt der RS nämlich bereits in Low Downforce mit flacher Flügel-Flap-Stellung schon so viel Abtrieb mit, dass dieser hier völlig ausreichend ist. Um sicherzugehen, dass das Auto-Aero-System nicht doch Flaps und Flügel anstellt und durch den höheren Abtrieb und Luftwiderstand unnötig Vortrieb und damit Zehntelsekunden verschenkt, kommt nun der manuell gedrückte DRS-Knopf ins Spiel.

An insgesamt neun Nordschleife-Passagen hat Jörg mittels DRS-Knopf das Auto-System "overruled" und Flügel und Flaps in Low Downforce beordert: Ab Ende Hatzenbach und Quiddelbacher Höhe, ab Flugplatz bis Anbremsen Schwedenkreuz-Links, Eingang Fuchsröhre bis Anbremsen vor Fuchsröhren-Curb, Wehrseifen bis Breidscheid, hinter Ex-Mühle durch Lauda-Eck bis Anbremsen Bergwerk, Kesselchen bis Anbremsen Mutkurve, ab Eiskurve bis Pflanzgarten 1, Ausgang Bellof-S und auf der Döttinger Höhe. Bei der Supertest-Runde habe ich nur Ausgang Bellof-S vergessen, den DRS-Knopf zu drücken, die anderen von Jörg vorgegebenen DRS-Zonen ließen sich reproduzieren.

Porsche 911 GT3 RS
Hans-Dieter Seufert
Viel Expertise: Entwicklungsfahrer Jörg Bergmeister hat die RS-Fahrdynamik mit seiner Expertise als Ex-Werksfahrer maßgeblich mitentwickelt und war auch mit hilfreichen Tipps beim Supertest dabei. Lob geht auch an die Aero-Entwickler: Sie verbrachten mit dem RS über 300 Stunden im Windkanal.

Rein in die Nordschleife-Passage, in der mich der GT3 RS am meisten beeindruckt hat. Der Highspeed-Linksknick nach der Döttinger Höhe an der Antoniusbuche geht mit aktiviertem DRS mit 285 km/h locker voll. Selbst in der Low-Downforce-Einstellung mit flachem Flügel und Flaps generiert der 992 GT3 RS mit 138 Kilo Gesamtabtrieb bei 200 km/h nämlich fast so viel wie ein normaler 992 GT3 in seiner High-Downforce-Einstellung (144 Kilo bei 200 km/h).

Runter in die Kompression der Tiergarten-Senke. Während der Körper nun noch fester in den, auf der Nordschleife aus Sicherheitsgründen genutzten Rennschalensitz gepresst wird, zeigt sich der 992 GT3 RS unbeeindruckt. Abgesehen von waschechten GT3-Rennfahrzeugen muss man hier mit sämtlichen Rennautos, aber auch allen Straßenfahrzeugen die Links-Rechts-Kombination nach der Tiergarten-Senke klar anbremsen.

Anders im GT3 RS: Er wandelt mit Nummernschild auf den Spuren von Grello und Co. Mit einem minimalen Gaslupfer, aber ohne anzubremsen, geht es fast mit Vollgas durch das Kurvengeschlängel. Unfassbar!

Und wie gelingt nun das vermeintliche Kunststück, die Links-Rechts-Kombi fast voll und ohne Anbremsen zu fahren? Jetzt kommt die intern sogenannte Bergmeister-Brake-Tip-Funktion ins Spiel. Während man in der Tiergarten-Senke mit dem rechten Fuß noch fast voll auf dem Gaspedal steht, tippt man mit dem linken Fuß kurz die Bremse an. Klingt jetzt alles theoretisch easy, aber wenn du real mit 290 km/h da unten ins Tiergarten-Loch hämmerst, du in der Kompression dabei noch hörst, wie der geschlossene Unterboden kurz leicht aufsetzt, dann kostet es dich beim ersten Versuch verdammt viel Überwindung, weiter auf dem Gas zu bleiben und die Bremse nur leicht anzutippen.

g-Kraft-Rekord: bis zu 1,95 g!

Doch der RS zahlt die Überwindung mit Magie zurück. Innerhalb von 300 bis 350 Millisekunden stellen sich durch das Bremstippen Flügel und Flaps in die High-Downforce-Position. Bedeutet, dass bei 285 km/h der RS sagenhafte 860 Kilo Abtrieb generiert. Wahnsinn, damit schlägt das Flügelwunder aus Flacht selbst den bisherigen Aero-Guru McLaren Senna, der maximal 800 Kilo Abtrieb schafft.

Der RS wird also mit dem Gewicht einer Lotus Elise auf den Boden gepresst. Fühlt sich an wie eine unsichtbare Hand, die das Auto fahrstabil ums Eck schiebt. Wie ein überdimensionales Slotcar in einer Leitschiene auf einer Carrera-Rennbahn folgt der RS extrem fahrstabil der Ideallinie.

Porsche 911 GT3 RS
Hans-Dieter Seufert
Durch den verrückten Abtrieb rückt die Leistung sogar etwas in den Hintergrund. Auf dem Prüfstand beträgt die gemessene Motorleistung unkorrigiert 492 PS. Korrigiert nach EWG 80/1269 ergeben sich 522 PS bei 8344/min. Bis 3700/min liegt die Drehmomentkurve bei 340 Nm, steigt dann an, bewegt sich von 5200/min bis 7600/min um 470 Nm mit einem Maximum von 478 Nm bei 5980/min und fällt Richtung Drehzahlbegrenzer wieder auf 370 Nm ab.

Durch das leichte Bremsantippen reagiert die Radbremsanlage gewollt kaum, und es wird in diesem Streckenabschnitt hauptsächlich die reine aerodynamische Verzögerung über die High-Downforce-Stellung von Flügel und Flaps aktiv genutzt. Faszinierend und deutlich spürbar, wie der GT3 RS beim Wechsel von Low Downforce nach High Downforce abbremst. Ein paar Zahlenwerte zu diesem besonderen Ereignis: Der cW-Wert ändert sich dabei von 0,39 auf 0,53. Die reine, aerodynamische Verzögerung bei High Downforce beträgt 0,27 g bei der Vmax von 296 km/h.

Eckdaten zur Aktivierung von High Downforce durch die Brake-Tip-Funktion: Gaspedalstellung größer als 95 Prozent und Bremsdruck gleichzeitig größer als 0,5 bar. Anschließend fahren Flaps und Flügel für zwei Sekunden in High Downforce. Ist die Querbeschleunigung nach den zwei Sekunden kleiner als 0,7 g oder die Gaspedalstellung größer als 95 Prozent, stellen sich Flügel und Flaps wieder automatisch flach.

Jörg hat auf seiner RS-Rekordrunde fünfmal die Brake-Tip-Funktion genutzt: dreimal zwischen Pflanzgarten 1 und Bellof-S, einmal im Galgenkopf und sogar zweimal im Tiergarten. Um das perfekt zu beherrschen, braucht es mehr als nur vier Runden Training. Im Bellof-S habe ich es nicht auf die Reihe bekommen, dafür aber laut Porsche gut im Tiergarten. Wenn du zum ersten Mal spürst, wie fahrstabil sich der RS bei hohem Abtrieb verhält, macht das fast süchtig. Gerne würde ich direkt noch einmal eine Runde fahren.

Bremsrekord aus 200 in 97,0 m

Faszination Abtrieb: Da ich noch nie ein GT3-Rennauto auf der Nordschleife gefahren bin, kapiere ich jetzt erstmals, warum die Piloten in den GT3-Rennfahrzeugen von Galgenkopf bis Anbremsen Hohenrain-Schikane durchgehend "voll" fahren können. Der GT3 RS generiert mit 406 Kilo bei 200 km/h in High Downforce mehr Abtrieb als sein reinrassiger Renn-Bruder 911 GT3 Cup (230 kg Abtrieb in High Downforce bei 200 km/h) und ist in puncto Abtrieb nicht weit weg vom GT3 R (520 kg Antrieb in High Downforce bei 200 km/h).

Nicht nur an den dafür berüchtigten Passagen beschert der massive Abtrieb magische Momente am GT3-RS-Lenkrad und eine noch nie zuvor da gewesene Fahrstabilität bei hohem Tempo. Meine Lieblingsstellen? Die erste Metzgesfeld-Links und später die Spiegelkurve.

Dank des hohen Vertrauens, das der RS beispielsweise in der ersten Metzgesfeld-Links dem Fahrer entgegenbringt, stellt er hier bei einem unfassbaren Minimumspeed von 189 km/h den Querbeschleunigungsrekord der Supertest-Historie auf: 1,95 g!

Apropos Rekorde: Der 992 GT3 RS ist ein echtes Bremswunder. Er verbessert nicht nur den Bremsrekord seines ebenfalls Cup 2 R bereiften Vorgängers 991.2 GT3 RS aus 100 auf null, sondern er kürt sich auch zum ersten Fahrzeug bei sport auto überhaupt, das mit einem Bremsweg von unter 100 Metern aus 200 km/h verzögert.

In Zahlen: 100 bis 0 km/h in 28,0 Metern (991.2 GT3 RS: 28,2 m), 200 bis 0 km/h in 97,0 Metern (991.2 GT3 RS 118,4 m). In puncto Verzögerung knackt der 992 GT3 RS damit auch den bisherigen Bremsmeister in der sport auto-Datenbank: McLaren Senna, 200 bis 0 km/h in 105,0 Metern.

Schnellster Porsche im Supertest auf der Nordschleife

Porsche 911 GT3 RS
Hans-Dieter Seufert
Mit 6.54,99 min ist der 992 GT3 RS der schnellste Porsche im Supertest auf der Nordschleife. Er ist sogar schneller als der 991 GT2 RS und reiht sich zwei Sekunden hinter dem Mercedes-AMG Black Series auf Rang 2 der Bestenliste ein.

Vormittags Nebel und feuchte Strecke, Supertest-Beginn 13 Uhr, Supertest-Ende 17.30 Uhr, vier Aufwärmrunden im Industriepool-Verkehr, nach dem I-Pool eine freie Runde auf Zeit – noch mehr als die Supertest-Rundenzeit (6.54,99 min) –, fasziniert die Kürze, in der sie realisiert wurde. Hieraus leitet sich die Hauptaussage über den RS ab: Flacht kultiviert das aus den Vorgängern bekannte Sofort-wie-zuHause-Gefühl im 992 RS auf ein Höchstmaß, sodass sich auch ambitionierte Amateure am Limit sofort wohlfühlen.

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Supercheck Wertungen
Nürburgring Nordschleife
20
maximal 20 Punkte
6.55min

Eigentlich reicht ein Wort für den RS auf der Nordschleife: grandios! Dank des massiven Abtriebs glänzt er vor allem in schnellen Passagen mit einer noch nie da gewesenen Fahrstabilität. Übrigens: Die Federraten an der Vorderachse wurden von 100 N/mm beim 992 GT3 auf 140 N/mm beim GT3 RS und an der Hinterachse von 160 N/mm auf 200 N/mm angepasst, um die hohen Aero-Lasten abzustützen. Minimale Kritik: Curbs hat der 992 GT3 mit Manthey-Performance-Kit einen Tick besser geschluckt. Dafür kann der Serien-RS auch Alltag richtig gut. Für eingefleischte Trackfans wird der 992 RS mit Manthey-Kit kommen.

Hockenheim-Ring Kleiner Kurs
20
maximal 20 Punkte

Der hohe Abtrieb spielt in Hockenheim nicht nur im Rechtsknick vor der Mercedes-Tribüne eine wichtige Rolle, sondern beispielsweise auch beim Anbremsen aus hohem Tempo auf die Spitzkehre. Neben der hervorragenden ABS-Regelung, der zupackenden Keramikbremsanlage und dem slickähnlichen Cup-2-R-Gripniveau verhilft die Airbrake-Funktion mit steilster Flügel-Flap-Stellung zu sensationellen Verzögerungswerten. Damit die Aerobalance zwischen Vorder- und Hinterachse beim Bremsen aus hohem Tempo erhalten bleibt, wurde das Einnicken von 12 mm beim 992 GT3 auf nun 6 mm beim 992 GT3 RS reduziert.

Beschleunigung / Bremsen
9
maximal 10 Punkte
14,5sek

Mit dem in der Entwicklung befindlichen GT2 RS dürfte dann auch der eine dem GT3 RS hier fehlende Punkt zum 100-Punkte-Fahrzeug eingeheimst werden. Der GT3 RS beschleunigt genauso schnell wie der 992 GT3 auf 200, verzögert aber brachialer (200–0 km/h: GT3 110,0 m, RS 97,0 m).

Beschleunigung 0-200 km/h:
10,8 s
Bremsen 200-0 km/h:
3,7 s
Windkanal
10
maximal 10 Punkte

Mehr als 300 Stunden haben Aero-Spezialist Mathias Roll und seine Kollegen mit dem RS im Windkanal verbracht. Grandioses Ergebnis: In Low Downforce generiert der RS einen Gesamtabtrieb von 138 kg bei 200 km/h (VA: 32 kg, HA: 106 kg). In High Downforce liegt der Gesamtabtrieb bei 406 kg.

Querbeschleunigung
10
maximal 10 Punkte
1,95g

Mit bis zu 1,95 g setzt sich der 992 RS mit Abstand an die Spitze des Konkurrenzumfelds. Neben dem famosen mechanischen Grip zeigt die herausragende Aero deutlich Wirkung. Der Vierliter trägt nicht nur neue Nockenwellen, sondern auch seine Ölversorgung wurde mit Blick auf die hohe Querbeschleunigung optimiert. Außerdem kommt ein Ölkühler mit 20 Prozent höherer Kühlleistung zum Einsatz.

36-Meter-Slalom
15
maximal 15 Punkte
159km/h

Mit seinem fast abnormalen Gripniveau der Cup-R-Bereifung führt der neue 911 GT3 RS die Bestenliste im schnellen Slalom an, dicht gefolgt vom Manthey-GT3 und dem GT3 RS der Generation 991.2. Generelle Aussagen über das Fahrverhalten fallen schwer, da die Wirkung der Differenzialsperre und der Stoßdämpfer individuell mit den Drehreglern am Lenkrad angepasst werden können.

Ausweichtest
15
maximal 15 Punkte
174km/h

Im Ausweichtest teilt sich der 911 GT3 RS die Spitzenposition mit dem von Manthey Racing optimierten 911 GT3 — trotz breiterer Karosserie. Auch hier stehen dem Fahrer unzählige Einstellungskombinationen der Differenzialsperre in Zug und Schub und den Dämpfern in Druck- und Zugstufe zur Verfügung. Respektabel ist immer noch die Leistung des im Vergleich einfach gestrickten GT3 RS 991.2.

Nasshandling
maximal 10 Punkte

Fazit

99 Punktemaximal 100 Punkte

Das Aero-Konzept liefert eine bisher ungekannte Hochgeschwindigkeits-Fahrstabilität, die nicht nur auf der Rennstrecke den Spieltrieb weckt. Wenn ich von Stuttgart über die A 7 in meine Heimat Hamburg pendle, frage ich mich in den schnellen Kurven der Kasseler Berge regelmäßig, ob es wohl ein Fahrzeug gibt, mit dem diese "voll" gehen würden. Mit dem 992 GT3 RS dürfte es so weit sein.

Technische Daten
Porsche 911 GT3 RS GT3 RS
Grundpreis248.157 €
Außenmaße4572 x 1900 x 1322 mm
Kofferraumvolumen132 l
Hubraum / Motor3996 cm³ / 6-Zylinder
Leistung386 kW / 525 PS bei 8500 U/min
Höchstgeschwindigkeit296 km/h
0-100 km/h3,3 s
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten