Porsche 930 mit TAG-Turbomotor aus der Formel 1
Alter 911 Turbo mit McLaren-Herz aus den 80ern

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Es wirkt wie eine wahnsinnige Idee von verrückten Briten, ist aber ein seriöses Projekt von renommierten Rennsportexperten: Lanzante ersetzt den luftgekühlten Sechszylinder-Turboboxer des ersten Porsche 911 Turbo (930) durch einen Formel-1-Motor.

10/2018, Lanzante Porsche 930 mit Formel-1-Motor
Foto: Lanzante

Die Epoche von 1984 bis 1987 war ziemlich erfolgreich für McLaren in der Formel 1. Es war zwar keine Dynastie wie in den Ayrton-Senna-Jahren zwischen 1988 und 1991 mit vier Fahrer- und Konstrukteurs-Titeln in Serie. Aber 25 Siege in 64 Rennen, drei Fahrer-Weltmeisterschaften für Niki Lauda und Alain Prost sowie zwei Siege in der Teamwertung sind auch keine schlechte Ausbeute. Als Motorenpartner dabei: Porsche, das mit finanzieller Hilfe der namensgebenden TAG-Gruppe einen erfolgreichen V6-Turbomotor lieferte.

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Mezger-Motoren im 930 und im McLaren-F1-Rennwagen

Sechs Zylinder mit Turboaufladung? Das kennen wir seit 1974 auch im Porsche 911. Klar, im Elfer bilden die sechs Brennkammern kein V, sondern boxen sich zur Höchstleistung. Legendär wurden – trotz aller Unterschiede – beide. Was keine Überraschung ist, schließlich entstammen sie dem Hirn von Hans Mezger. Jenes legendären Ingenieurs also, der später Motorsportchef im Hause Porsche wurde und auf dessen Konstruktion alle 911-GT3- und -GT2-Motoren bis in die 997er-Ära zurückreichen. Wer von Mezger-Motoren spricht, tut dies fast immer mit Bewunderung.

Es gibt also durchaus Parallelen zwischen dem Elfer- und dem F1-Triebwerk. Und weil es so reizvoll war, haben sie in den 80er Jahren einfach mal das Undenkbare getan: Den Motor aus dem McLaren-Formel-1-Rennwagen ins 930er-Heck verpflanzt. Es entstand ein Versuchsträger, ein – bis auf die Ruf-Felgen – serienmäßig aussehender 911 Turbo, der irgendwann im Museum verschwand und dem nur hin und wieder bei diversen Veranstaltungen Auslauf gewährt wurde. Und der kürzlich bei der Porsche Rennsport Reunion wieder auftauchte. Zumindest schien es so.

Premiere bei der Rennsport Reunion in Laguna Seca

Tatsächlich handelte es sich dabei um eine Neuauflage des gut 30 Jahre alten Einzelstücks. Erschaffen von Lanzante Motorsport, das den weißen Elfer an seinem Stand plakativ zwischen einen Formel-1-McLaren und einen TAG-Porsche-Motor aus der damaligen Ära dekorierte. Denn die Briten haben einiges vor mit dem Porsche 930 und dem Formel-1-Aggregat: Sie wollen beides insgesamt elf Mal zusammenführen. Es wäre, rechnet man das Versuchsfahrzeug von einst dazu, ein ziemlich dreckiges Dutzend, das da im einigermaßen naturbelassenen Porsche-911-Turbo-Look auf uns zurollt.

Damit wir uns richtig verstehen: Lanzante pflanzt nicht etwa Replikas der F1-Motoren ins Elfer-Heck. Sondern wahrhaftig in der Formel 1 eingesetzte Triebwerke, die der Firma von McLaren Racing freundlicherweise überlassen wurden. Plaketten informieren darüber, bei welchen Rennen und im Auto welches Fahrers der jeweilige TAG-Motor eingesetzt wurde und welche Ergebnisse damit erzielt wurden. Aber die Insignien offenbaren sich erst, wenn der Heckdeckel offen ist. Dann kommt auch der mächtige Ladeluftkühler zum Vorschein. Der Motor kauert 911-typisch tief drin im Heck.

Drehzahlmesser mit 10.000er-Skalierung

Ist die Klappe zu, könnte man das Auto für einen normalen, weißen 930er halten. Gut, die Ruf-Felgen weisen dezent auf zeitgenössisches Optik-Tuning hin. Auch die Schalensitze wurden ein wenig aufgepolstert. Stutzig dürfen Elfer-Kenner beim Blick auf die Instrumente werden. Der Drehzahlmesser zum Beispiel trägt den Schriftzug „TAG Turbo“ und ist bis 10.000 Umdrehungen skaliert – der rote Bereich beginnt bei 9.000 Touren. Auch das Messinstrument für die Wassertemperatur gibt einen Hinweis, dass bei diesem Porsche 930 etwas anders ist als bei anderen Turbo-Elfern der ersten Generation; die waren schließlich luftgekühlt.

Apropos Hinweis: Die Ladedruckanzeige ist bis drei bar skaliert, während die Formel-1-Motoren in ihren heftigsten Zeiten über fünf bar erreichten, bis die FIA den Ladedruck 1987 auf vier bar limitierte. Lanzante wird den Motor also nicht bis an seine äußerste Grenze treiben. Die lag dem Vernehmen nach bei etwa 1.075 PS, die der 1,5-Liter-V6-Biturbo zum Ende seiner Karriere im Qualifying-Trimm erreicht haben soll. Die Formel 1 war damals ein mindestens so erbittert wie heute geführter Wettrüstungs-Wettstreit. Ohne Limit, was die Anzahl der eingesetzten Motoren anging. Mit hochgiftigem, im Labor zusammengebrauten Rennbenzin, das mit dem Sprit von der Zapfsäule nur das Markenemblem gemeinsam hatte. Und mit Turbolöchern, die mindestens so groß waren wie der folgende Punch. Fahrbarkeit? Fehlanzeige!

Die Leistungswerte sind bislang unbekannt

Im 930 muss der Motor seine Power selbstverständlich homogener entfalten und mit freiverkäuflichem Kraftstoff laufen. Außerdem muss er deutlich länger als eine Renndistanz durchhalten. Hinzu kommt: Im Elfer-Heck kann der V6 nicht so effizient gekühlt werden wie im Formel-1-Auto, und der Lanzante-Elfer soll – wie es heißt – eine Straßenzulassung erhalten. Ein vierstelliger PS-Wert dürfte also utopisch sein. Als Orientierung dient eher der Wert von 725 PS, die der F1-Motor beim Debüt 1983 leistete. Was immer noch ein Vielfaches des Serienautos ist, das je nach Ausbaustufe 260 (911 Turbo 3.0), 300 (3.3) oder 330 PS (3.3 mit Werksleistungssteigerung) erreichte.

Wo auch immer sich die Leistung des Motors letztlich ansiedelt: Lanzante wird seine Reputation nicht mit einem effektheischenden Kirmesprojekt aufs Spiel setzen. Es würde schlicht nicht zu der Truppe passen. Genauso wenig wie zu McLaren, das sehr eng mit den Briten verbandelt ist. Immerhin vertraut McLaren Lanzante einen Großteil seiner Restaurierungsaufträge an, hat die Firma mit der Entwicklung der P1-Versionen GT und LM betraut und ihr den Le-Mans-Sieg 1995 mit dem legendären F1 GTR zu verdanken. Bei Lanzante wissen sie also, was sie da tun mit. Hoffentlich gilt das auch für jene Menschen, die ihr Höllengerät einmal fahren werden.