Allianz von VW, Stellantis und Renault
Scheitert das Billig-E-Auto am VW-Betriebsrat?

Bringt uns eine europäische Elektro-Allianz bald ein Billig-E-Auto? Bisher sah vieles danach aus – doch jetzt kommt der VW-Betriebsrat ins Spiel.

Renault R5 VW ID.GTI Collage Kooperation
Foto: Hersteller / Patrick Lang

Wenn wir uns in der Community auf Instagram und Co. umhören, ist der Tenor seit Monaten derselbe: Damit Autobesitzer aufs Elektroauto umsteigen, müssen die Preise weiter fallen. Während der Druck aus Fernost wächst, lassen bisher gerade die großen deutschen Hersteller preisgünstige Angebote vermissen. Könnte eine europäische E-Auto-Allianz die Lösung sein?

Aus Kreisen eines Homologations-Dienstleisters haben wir bereits erfahren: In den kommenden Monaten können sich die westlichen Autobauer besonders warm anziehen. Denn etliche neue China-Modelle werden unseren Markt erreichen. Hinzu kommt der ambitionierte Plan von Elon Musk, die Massen mit noch günstigeren Tesla-Modellen zu mobilisieren. Traditionelle europäische Autohersteller dürften also unter einem gewaltigen Druck stehen.

Der große E-Ratgeber

Renault für Airbus-System bei Autoherstellern

Noch vor Kurzem sagte der Renault-Chef, Luca de Meo, der französischen Zeitung "Le Figaro", dass eine so große Konsolidierung der größten Autokonzerne Europas sehr kompliziert sei. Ausgeschlossen hat er eine Kooperation allerdings nicht. "Eine Fusion gelingt nur, wenn auf allen Seiten der Wille vorhanden ist", sagte er.

Auf dem Genfer Automobilsalon wurde er dann deutlicher: "Europas Autohersteller sind bei erschwinglichen Elektrofahrzeugen mit einer großen Herausforderung durch chinesische Konkurrenten konfrontiert. Wir könnten zusammenarbeiten, um einen "Airbus" der Autos zu entwickeln." Partner könnten Investitionen teilen und Kosten senken, fügte de Meo hinzu.

VW Betriebsrat blockiert

VW hält sich mit öffentlichen Aussagen noch sehr zurück. Medienberichten zufolge konnten sich die Wolfsburger zunächst vier Szenarien vorstellen. Eines davon – die Renault-Kooperation – sei sogar schon sehr weit ausgehandelt worden. Für ein günstiges Elektroauto hätte Volkswagen die kleine AmpR-Small-Plattform der Franzosen nutzen können, natürlich mit eigenen elektrischen Antrieben. Allerdings würde dann nur ein Renault-Werk als Produktionsstandort infrage kommen. Der aktuelle Twingo läuft beispielsweise in Novo Mesto / Slowenien vom Band.

Genau das dürfte dem VW-Betriebsrat rund um Chefin Daniela Cavallo aufstoßen. Schließlich sind die auf Elektroautos ausgelegten deutschen Werke längst nicht ausgelastet. Ein günstiges E-Auto verspräche dagegen hohe Stückzahlen für die Standorte Zwickau oder Emden. Kommt nun also doch der selbstentwickelte ID.1? Das würde Volkswagen im Zeitplan hin zur CO₂-Neutralität nochmals Jahre zurückwerfen. Mit einem Partner dürfte ein 20.000-Euro-Auto dagegen deutlich vor dem Ende des Jahrzehnts zu realisieren sein.

Braucht Volkswagen Kooperationspartner?

Vor dem Hintergrund der wachsenden Billig-Angebote aus China scheint das von VW-Chef Oliver Blume ausgegebene Ziel, bis zum Ende des Jahrzehnts ein E-Auto für weniger als 20.000 Euro anzubieten, ein gutes Stück am globalen Zeitplan vorbeizuschießen. Bis 2030 dürfte dieses Preissegment von etlichen Konkurrenz-Modellen dominiert werden. Renault und der Stellantis-Konzern scheinen mit dem R5 E-Tech oder dem günstigen E-C3 schon einen Schritt weiter zu sein.

Um Entwicklungs- und Produktionskosten zu senken, wären diese Kooperationspartner also durchaus sinnvoll. Zumal es gerade im Nutzfahrzeugbereich nicht unüblich ist, dass sich große Autokonzerne für gemeinsame Projekte zusammenschließen. Glaubt man den Konzernspitzen, befinden sich solche Gespräche jedoch, wenn überhaupt, in einem sehr frühen Stadium. "Wir haben keine laufenden Projekte, wir haben keine laufenden Diskussionen", sagte Stellantis-CEO Carlos Tavares kürzlich einer italienischen Tageszeitung.

Eine Art Airbus in der Autobranche

Die US-Website Bloomberg berichtet indes über eine bevorstehende Zusammenarbeit der drei europäischen Autoriesen. "Volkswagen, Renault und Stellantis denken über das Undenkbare nach", heißt es dort. "Die drei Konzerne erkunden als eingeschworene Konkurrenten Möglichkeiten der Kooperation, um Elektrofahrzeuge billiger herzustellen und existenzielle Bedrohungen abzuwehren."

Chinesische Rivalen und Tesla hätten demnach die Wettbewerbsschwächen bei Europas größten Automobilherstellern aufgedeckt – zumindest für den Massenmarkt. Jetzt wachse das gemeinsame Gefühl der Dringlichkeit, während Business-as-usual nur noch eine verlustbringende Option darstellt.

Renaults Strategie passt zu VW

Renault könnte als Partner durchaus zu VW passen, denn mit ihren eigenen Zielen stoßen die Franzosen ins gleiche Horn. In den kommenden Jahren soll durch Prozess-Digitalisierung in der Produktion deutlich gespart werden. Jedes Exemplar des Renault 5 wolle man beispielsweise innerhalb von nur neun Stunden auf die Räder stellen, heißt es aus dem Vorstand. Bis 2027 will Renault die Herstellungskosten pro Fahrzeug bei Verbrennern um 30 Prozent, bei Elektroautos sogar um 50 Prozent reduzieren. Dass VW bei der Digitalisierung jede Hilfe gebrauchen kann, ist spätestens seit dem Cariad-Debakel nicht wegzudiskutieren.

Die Franzosen wollen ihr 20.000-Euro-Elektroauto indes schon 2025 an den Start bringen. Dabei handelt es sich sogar um ein bekanntes Gesicht, nämlich die Neuauflage des Stadtautos Twingo im Ur-Design – also dem Look vor der Kooperation mit Smart. Eine Neubelebung der Partnerschaft mit dem Hersteller Smart, der nunmehr Geely untersteht, hat Renault mit Blick auf den kommenden E-Twingo bereits dementiert. Auch hier wäre also der Weg frei für Volkswagen. Insidern zufolge, so berichtet das "Handelsblatt", ist VW an der Twingo-Technik (siehe Fotoshow) interessiert.

Renault Elektro Twingo VW ID.2 All Collage Kooperation
Hersteller / Patrick Lang

Insidern zufolge hat VW Interesse an der Technik des kommenden E-Twingo.

Bis zu 250.000 Autos pro Jahr

Die Uhr tickt nicht nur wegen der Konkurrenz aus China. Um empfindlichen Strafzahlungen an die EU zu entgehen, muss der CO₂-Flottenausstoß weiter gesenkt werden. Gingen Renault und VW besagte Kooperation ein, so stünde eine gemeinsame Jahresproduktion von 200.000 bis 250.000 Fahrzeugen auf dem Plan. Zusammen mit Stellantis würden die Stückzahlen nochmals deutlich größer.

Zuletzt ließ die Nachfrage nach E-Autos von VW deutlich nach. Der e-Up ist ausgelaufen und der ID.3 ist trotz kräftiger Rabatte immer noch kein echter Einstiegs-Stromer der Wolfsburger. Vor allem ist er für einen durchschlagenden Markterfolg beim breiten Publikum zu teuer. Stellantis hingegen hat mit dem 23.000 Euro teuren Citroën E-C3 – siehe Fotoshow – bereits einen Alltags-Stromer zum erschwinglichen Preis im Programm.

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Unbedingt – nur so werden sie im Preiskampf gegen China bestehen können!Auf gar keinen Fall – jede Marke muss seine eigene Stärke zeigen!

Fazit

Europa braucht dringend bezahlbare Elektroautos – vor allem aus Europa. Doch die hiesigen Autoriesen tun sich schwer im Preiskampf mit China. Eine große Kooperation von Volkswagen, Stellantis und Renault könnte das ändern. Gerüchte über eine solche europäische Elektro-Allianz gibt es schon länger. Jetzt heizt der Renault-Chef Luca de Meo die Diskussion mit einem Bekenntnis für eine Allianz an. Zusammen könnte zumindest im Einstiegssegment günstiger entwickelt und produziert werden. Bedenken regen sich dagegen im Betriebsrat von Volkswagen. Ein Billigmodell würde wohl kaum in Deutschland gebaut werden – dabei sind die Elektro-Werke des Konzern längst nicht ausgelastet.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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