BMW 535i im Test
Five-Konzert unter ferner liefen

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Der 306 PS starke BMW 535i mit Twinturbo-Reihensechser markiert die obere Mitte des Motorenangebots für den optisch braven neuen Fünfer BMW. sport auto hat dem 535i fahrdynamisch auf den Zahn gefühlt - und einige Überraschungen erlebt.

BMW 535i
Foto: Rossen Gargolov

Für den Volksmund ist die Sache klar: Zwei sind besser als eins. Deshalb das Sprichwort "doppelt hält besser". Und deshalb wohl auch die Zurückhaltung seitens BMW, wenn es um eine klare Ansage in Sachen der neuen Motorentechnik geht. Wo Twin draufsteht, sind in Bayern nämlich nicht mehr unbedingt Zwei drin.

Verwirrend: Twin Power Turbo muss mit einem Lader auskommen

Wenn die Münchener bei ihrem 306 PS starken aufgeladenen Reihensechszylinder stolz auf den weltweit ersten Benziner mit Twin Power Turbo, High Precision Injection und der variablen Ventilsteuerung Valvetronic verweisen, unterschlagen sie dabei die Info, dass das mit zahllosen Preisen überschüttete Triebwerk seit dem letzten Technik-Update mit einem statt wie bisher zwei Turboladern auskommen muss.

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Das Wort Twin bezeichnet in diesem Zusammenhang also nur mehr ein spezielles Aufladungssystem, das gemäß dem Twin Scroll-Prinzip die Kanäle beider Zylinderbänke sowohl im Abgaskrümmer als auch im Turbolader selbst voneinander trennt. Als Grund für den Verzicht auf einen Lader wird bei BMW die Gewichtsoptimierung nebst dem damit verbundenen Verbrauchsvorteil genannt. Offiziell ist von einem dreiviertel Liter Minderverbrauch auf 100 Drittelmix-Kilometern die Rede. Eine Angabe, die sich im ohne Normrunde auskommenden sport auto-Test nur schwer überprüfen lässt.

Zurückhaltend: Der neue BMW 535i ist sparsam

Auffallend ist jedoch, dass der 535i sich im Alltag selbst bei flotter Fahrweise mit gut 10 Liter Super Plus zufrieden gibt und sich im Rahmen des von hohen Volllastanteilen gekennzeichneten Messzyklus in Hockenheim mit rund 12 Litern gleichfalls nicht über die Maßen viel hinter die Binde kippte. Unterm Strich notiert der sport auto-Testverbrauch in der Folge mit vergleichsweise moderaten 11,1 Liter auf 100 Kilometern.

Kritiker werden nun einwenden, dass das mit 306 PS zweitstärkste Fünfermodell - das Topmodell hört auf den Namen 550i und setzt auf den auch im BMW Active Hybrid X6 verbauten 407 PS starken V8-Biturbomotor -, dafür auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim mit 1.19,6 Minuten ja auch nicht wirklich zu Beifallsstürmen hinreißt.

Ein BMW mit Vor- und Nachteilen auf der Straße und der Rennstrecke

Das stimmt. Auch und gerade weil man dem mit einem sehr langen Radstand versehenen, optisch angenehm schlanken Newcomer der gehobenen Mittelklasse dank seiner Herkunft und aufgrund des Hinterradantriebs grundsätzlich mehr Temperament zugetraut hätte. Aber Masse hinterlässt eben auch bei den Weiß-Blauen Spuren. Und eine aus 306 Rössern bestehende Herde hat mit 1.870 Kilo Lebendgewicht dann vielleicht eben doch so ihre Not. Wenngleich es an der längs vorwärts gerichteten Dynamik des neuen 535i erst einmal nichts zu mäkeln gibt.

6,1 Sekunden bis Landstraßentempo und deren 18,6 bis zum Erreichen von 180 km/h werden bei flotten Überlandfahrten jedweden Ansprüchen gerecht. Hier kann auch die gegen Aufpreis an Bord des Testwagens befindliche Sportvariante des neuen Achtgang-Automatikgetriebes ihre Trümpfe ausspielen. Dank der fünf Fahrprogramme (Normal, Comfort, Sport, Sport+ und Manuell) ist für jede Situation und jeden Fahrertyp ein passender Schaltmodus zur Hand.

Einzig in der Stadt, beim Anfahren und im Stop-and-Go-Verkehr zeigt sich der mit niedrigen Schleppverlusten aufwartende, über insgesamt fünf Kupplungen verfügende Automat schon mal von seiner ruppigen Seite. In Bezug auf das Fahrwerk fallen die Gefühle schon ambivalenter aus. Wer es im BMW 535i bis zum Äußersten treibt und ihn über die Rennstrecke jagt, wird sich über die vermeintlich komfortbetonte Trägheit des Unterbaus ärgern. Mit seiner Masse von round about 1,9 Tonnen schiebt die viertürige Limousine bei voller Leistungsanforderung einfach aus der Kurve heraus. Das ist zwar sicher, aber eben nicht wirklich agil.

Der Innenraum im 535i steht unter dem Motto "wohlfühlen"

Wer sich dafür nun ein hohes Maß an Contenance abseits der Piste erhofft, wird vom neuen Fünfer gleichfalls enttäuscht: Auf den durch den strengen Winter stark mitgenommenen Fahrbahnoberflächen öffentlicher Straßen poltern die einzelnen Räder zuweilen recht hör- und spürbar weg. Was auf dem Kleinen Kurs und in der Slalomprüfung als zu weich und mit zu viel Seitenneigung versehen bewertet wird und in der Folge hier wie da Zeit kostet, bedingt im Alltag also trotzdem keinen sänftenähnlichen Komfort.

Davon abgesehen ist im edel-dezenten, stark an den großen Bruder mit der Kennziffer 7 gemahnenden Innenraum des neuen Fünfers aber rundum Wohlfühlen angesagt. Ob Ergonomie, Funktionalität oder Optik und Haptik - wer einen Fünfer-BMW sein Eigen nennt, kann durchatmen und die Dinge gelassen auf sich zukommen lassen. Das Raumangebot ist vorn wie hinten großzügig, der Platz im Gepäckabteil nicht minder üppig bemessen. Die im stattlichen Testwagenpreis von 82.260 Euro enthaltene Integral-Aktivlenkung, die die bereits im Vorgängermodell angebotene Aktivlenkung an der Vorderachse mit einer lenkbaren Hinterachse kombiniert, verdient hingegen weniger Lob.

Der Umstand, dass ein von zahlreichen Sensoren mit Daten gefüttertes Steuergerät das Lenkverhalten der jeweiligen Fahrsituation anpasst, bewirkt ein gewöhnungsbedürftig synthetisches Lenkgefühl, welches mit dem von BMW postulierten Motto "Freude am Fahren" nur schwer in Einklang zu bringen ist - Twin- oder Single-Turbo-Power hin oder her.

Technische Daten
BMW 535i
Grundpreis53.100 €
Außenmaße4899 x 1860 x 1464 mm
Kofferraumvolumen520 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung225 kW / 306 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h6,1 s
Verbrauch7,6 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten