Fiat Centoventi geht in Serie
Fiat-Markenchef bestätigt Serienfertigung

Laut Fiat-Markenchef Olivier François geht die Studie Centoventi als elektrischer Kleinstwagen in Serie.

Fiat Centoventi Concept
Foto: Hardy Mutschler

Der französische Fiat-Markenchef Olivier François hat jetzt bekräftigt, dass die 2019 in Genf vorgestellte Elektro-Kleinstwagenstudie Centoventi in Serie geht. Fiat-Ingenieure entwickeln das Fahrzeug permanent weiter. Der Kleinstwagen soll unterhalb des neuen 500 angesiedelt sein – auch den neuen 500 gibt es ausschließlich mit Elektromotor, weshalb er kein „e“ als Namenszusatz trägt. Die Serien-Variante des Centoventi könnte mal als elektrischer Panda auf den Markt kommen. Sie wäre minimalistischer und damit natürlich auch günstiger – der 500 kostet aktuell in einer besonders gut ausgestatteten Start-Version 37.900 Euro, die Basisvariante dürfte deutlich günstiger sein. Es ist wahrscheinlich, dass sich der neue 500 und der neue elektrische Panda eine Plattform teilen – der weiter gebaute alte 500 mit Verbrennungsmotor und der aktuelle Panda teilen sich ebenfalls die technische Basis.

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Zur 120-Jahr-Feier sich selbst geschenkt

Mit dem Centoventi hat Fiat auf dem Genfer Autosalon 2019 sein 120-jähriges Bestehen gefeiert. Das 3,68 Meter lange Elektroauto soll mit der Standardbatterie 100 Kilometer weit kommen. Wer sich einen größeren Aktionsradius wünscht, kann bis zu drei weitere Akkus kaufen oder mieten, die jeweils zusätzliche 100 Kilometer ermöglichen. Sie werden unter dem Fahrzeugboden installiert, was dank einer Gleitschiene besonders schnell und einfach gehen soll. Hinzu kommt jeweils eine Batterie unter dem Fahrer- und dem Beifahrersitz, zusammen bringen sie zusätzliche 100 Kilometer Reichweite. Der Clou: Diese Batterien lassen sich einfach per Schublade unter den Sitzen hervorziehen und an ihrem Trolleygriff bis hoch in die Wohnung bringen. Dort können sie geladen werden – 100 Kilometer Reichweite, die komplett ohne eigene Garage oder Ladesäule ins Auto kommen können.

Fiat Centoventi Concept
Hardy Mutschler
Zusatzbatterie mit Trolley-Griff: Dieser Akku lässt sich in die Wohnung mitnehmen und dort nachladen.

Auch bei der Ladebuchse haben sich die Italiener Gedanken gemacht. Dabei handelt es sich um eine Art Kabeltrommel, die hinter einer Verkleidung unterhalb der Windschutzscheibe verstaut ist. Diese Lösung kann nicht nur die Energie einer Ladesäule als Verteilerstation an mehrere Autos abgeben, sondern auch als Taschenlampe oder Abtauvorrichtung für Windschutzscheiben verwendet werden.

Fiat Centoventi Concept
Hardy Mutschler
Das große wechselbare Display wurde in seiner Form der Draufsicht auf die Turiner Lingotto-Fabrik von Fiat nachemfpunden. Auf dem Dach der Fabrik befindet sich bis heute eine ehemalige Fiat-Teststrecke.

Innen bei Hitze viel kälter als draußen

Das Thema Modularität zieht sich beim Concept Centoventi an vielen Stellen durch. Beispiel Karosserie: Sie wird nur in einem Farbton produziert, im Fall der Genf-Studie ist es ein mattes Silbergrau. Das hat seinen Grund: Laut Centoventi-Designer Klaus Busse reflektiert diese Farbe viel UV-Licht. An heißen Tagen kann die Innentemperatur deshalb gefühlt um bis zu zehn Grad unter der Außentemperatur liegen. Das spart enorm viel Energie beim Klimatisieren. Ebenfalls gut gegen zu starkes Aufheizen: Die getönten und in ihrer Höhe niedrigen Fenster. Wer die Serienlackierung nicht mag, kann sie überfolieren – die Karosserie-Teile sind bewusst einfach gehalten. Eine komplette Folierung soll beim Centoventi nur einen dreistelligen Betrag kosten, freut sich Busse. Die Karosserie kann zudem mit je vier Dächern, Stoßfängern und Radabdeckungen individuell gestaltet werden. Steht einem nach einer gewissen Zeit der Sinn nach anderen Farben, lassen sich die Teile jederzeit tauschen.

Beispiel Dächer: Grundsätzlich ist der Centoventi nach oben offen, aber ein zweifarbiges Polycarbonatverdeck, ein Stoffverdeck, eine integrierte Ladebox oder ein richtiges Dach samt Solarmodul, das bis zu 50 Watt elektrische Energie erzeugen kann, können dieses Loch schließen. Den Tausch würde, wie bei allen komplizierteren Arbeiten, die Werkstatt vornehmen. Die Heckklappe verfügt über ein Display, auf dem der Außenwelt Botschaften mitgeteilt werden können. Während der Fahrt ist hier das Fiat-Logo zu sehen. Doch im Stand kann die Anzeige in den „Messenger“-Modus wechseln und beispielsweise Werbebotschaften aussenden. Aktuell lässt die Rechtlage in Europa das Ausspielen von Textbotschaften auf einem Heckdisplay während der Fahrt noch nicht zu.

Fiat Centoventi Concept
Hardy Mutschler
Viel Licht und ein großzügiges Raumgefühl im Fiat Centoventi.

Ein Armaturenbrett wie Lego-Spielzeug

Innen geht es in diesem Stil weiter. Das Armaturenbrett hat viele kleine Löcher – ähnlich wie ein Werkzeugaufnahme-System an einer Werkstattwand. Hier können verschiedene Komponenten in beliebiger Form und mit vielfältigen Funktionen eingebaut werden – Lego lässt grüßen. Die Türverkleidungen lassen sich ebenfalls individuell gestalten und tragen Befestigungspunkte, an denen Staufächer, Flaschenhalter und Lautsprecher angebracht werden können. Die modularen Teile soll der Kunde im Internet kaufen und an einem 3D-Drucker ausdrucken können.

Community handelt mit Anbauteilen

Im Serienzustand hat der Centoventi nur einen Fahrersitz und eine Rückbank. Auf der Beifahrerseite gibt es nur eine Art Ablage, auf der ein zusätzlich gekaufter Sitz genauso montiert werden kann wie ein aufpreispflichtiger Kindersitz. Fiat hofft, dass um die Zubehörteile des Centoventi eine Art Community entsteht, deren Mitglieder untereinander mit gebrauchten Modulen, wie zum Beispiel einem nicht mehr gebrauchten Kindersitz, handeln. Fahrer- und Beifahrersitzfläche bestehen aus dem gleichen Gummi-Schaumstoff wie die Schuhe des US-Herstellers Crocs. Das Material ist durchgefärbt, leicht zu reinigen und wasserfest. Auf die Idee zu solchen Sitzflächen kam Busse, als er Verantwortliche von Crocs auf einer Möbelmesse traf. Die Sitzflächen gibt es in verschiedenen Farben und können nach Lust und Laune vom Kunden nachgekauft werden. Die Rückbank ist elektrisch umklappbar, die im Dach befestigten Kopfstützen klappen dabei nach oben.

Das Armaturenbrett konfiguriert Fiat in zwei Varianten. Die erste kombiniert einen Zehn-Zoll-Hauptbildschirm mit dem Smartphone des Fahrers; dieses kümmert sich dann um Navigation, Unterhaltung oder Information. Als Alternative gibt es ein zweites integriertes Display, das den Gesamtmonitor auf 20 Zoll vergrößert. Es gibt Auskunft über Fahrassistenz- und Sicherheitsfunktionen wie Blinker, Totwinkel-Assistent, Bremssystem sowie Batterieladezustand. Die Form des großen Displays wurde der Draufsicht der Fiat-Lingotto-Fabrik in Turin nachempfunden. Auf dem Dach der ehemaligen Fabrik befindet sich bis heute eine ehemalige Fiat-Teststrecke.

Zubehörmarkt als weiteres Geschäftsmodell

Fiat sieht im Concept Centoventi nicht nur ein Auto für den individuellen Gebrauch. Es soll sich auch leicht in Firmen- und Carsharing-Flotten integrieren lassen. Außerdem sieht der Hersteller in dem Konzept ein neues Geschäftsmodell, das weniger das Auto selbst ist, sondern sich mehr um das Drumherum dreht. Das Ganze soll über die konzerneigene Zubehörsparte Mopar laufen, die Accessoires wie Soundsystem, Armaturenbrett- und Türstapelfächer oder Sitzpolster online vertreibt; der Kunden baut die Teile dann selbst ein. Darüber hinaus können einige einfache Accessoires wie etwa ein Getränke- oder Dokumentenhalter auf einem 3D-Drucker zu Hause, im Autohaus oder in einer Spezialdruckerei gedruckt werden.

Noch steht nicht genau fest, ob und wann der Concept Centoventi in Serie gebaut wird. Viele Formulierungen in der offiziellen Presseverlautbarung weisen aber darauf hin, dass es dazu kommen könnte. Sobald es soweit ist, soll der Centoventi „das preiswerteste BEV auf dem Markt“ sein. Und zudem das am einfachsten zu reinigende, zu reparierende und zu wartende.

Fazit

Der Fiat Centoventi ist megaclever gemacht und richtig schick. Außen schlicht und funktional, gibt es im aufgeräumten Innenraum viel Platz. Die Sitze sind nicht teuer und gut zu reinigen, das Heck ist variabel und die modularen Anbauteile sind bei der Individualisierung Trumpf und sorgen zudem für Bastelspaß. Herausragend ist die Idee mit den beiden herausnehmbaren Akkus, die für 100 Kilometer Fahrt reichen sollen und die man in die Wohnung mitnehmen kann, um sie dort zu laden. Ob als neuen Panda oder 500 oder mit einem anderen Namen: Fiat muss diesen genialen Kleinwagen unbedingt bauen.