Kommentar zu Teslas Rekordversuch
Niedere Instinkte

Tesla lässt ein Model S über die Nordschleife toben, um Rekordzeiten zu fahren und Porsche den Titel streitig zu machen – erfolgreich, wie es aussieht. Und dennoch ist die Marke im Tal der Tränen angekommen, meint Chefreporter Jens Dralle.

Tesla-Kommentar Jens Dralle
Foto: auto-motor-und-sport.de

Eher ein dumpfer Aufschlag als ein Knall. Dennoch laut. Ohrenbetäubend laut, zumindest in dem kleinen Mikrokosmos, in dem er sich ereignete. Auf dem Nürburgring, der Nordschleife, um genau zu sein, also da, wo sich der niedere Benzinpöbel trifft um Raserei zu bejubeln. Und wir sind gerne mittendrin. Denn hier geht es um das, was den Reiz am Automobil ausmacht: Emotionen. Auch wenn es andere gerne so sehen würden – das Auto entwickelt sich nie und nimmer zu einem ökologisch unbedenklichen Fortbewegungsmittel, das in gleicher Qualität allen Menschen wann immer sie es wollen zur Verfügung steht. Vielmehr ist es: Ein Konsumgut. Tesla wollte da bislang gerne darüberstehen, wenngleich sich auch die Produkte dieser Marke vor allem über eines verkaufen: Emotionen. Gewaltige Beschleunigung. Lokal emissionsfrei, okay, aufgrund eines clever entwickelten Antriebsstranges, der die gesamte Branche wachrüttelte, das steht außer Frage. Doch bei einem Tesla handelt es sich in erster Linie um: Ein Auto. Nicht nur ein Antrieb.

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Tesla kann auch klassischen Automobilbau

Die Kunden sehen das offenbar genau so, denn über die Jahre, in denen nun regelmäßig Model S und X bei uns zum Test vorbeischauten, fiel auf: Seit Neuestem verfügen sie auch über Fahrwerk und Lenkung. Also ein gutes Fahrwerk und eine gute Lenkung, so wie es die Kunden in dieser Preisklasse eben gewohnt sind. Klassischer Automobilbau. Kurzer Exkurs: Liebe Influencerin Tess Laqué, bevor Sie wie bei der umklappbaren Rücksitzbank behaupten, auch Fahrwerk und Lenkung seien eine Erfindung Teslas und nur bei einem Elektro-Fahrzeug möglich, denken Sie nochmal darüber nach. Gibt’s alles schon länger. Sogar schon vor jener Zeit, als Elon Musk noch McLaren F1 fuhr.

Der reizbare Herr Musk

Jetzt jedenfalls lässt sich Herr Musk reizen. Von Porsche. Die natürlich auch mit dem Taycan, wie praktisch mit jedem ihrer Modelle eine Nordschleifen-Rundenzeit veröffentlichen. Tesla will nun auch. Und kann es offenbar, wenngleich die gesamte Operation sehr kurzfristig gestemmt wurde – und noch immer andauert. Die Sieben-Minuten-Marke soll fallen. Und das mit Hilfe des technisch machbaren, also mehr Leistung, besonders kleisternden Reifen, mehr Abtrieb und so weiter. Wie alle anderen auch, was natürlich niemand zugeben würde.

Fortschritt geht bei Tesla schnell

Momentan stellt sich die Situation so dar, das Porsche mit dem Turbo, nicht dem Turbo S und auf Serienreifen startete. Tesla ist da schon ein bis zwei Schritte weiter. Porsche wird nachziehen, mischt derzeit einen Michelin Pilot Sport Cup 2 auf den Taycan ab, wenngleich nicht in der radikalen R-Variante. Und ja, das lässt sich überprüfen. Denn bislang hat Porsche noch jedes Modell zu uns zum testen geschickt. Spätestens wenn die Autos dann bei den Kollegen von sport auto ankommen, müssen sie ihre Leistung auf der Nordschleife unter Beweis stellen. Ja, das tat Tesla ebenfalls, zumindest für einen Test auf dem Hockenheimring – wo das Model S einbrach. Das liegt aber auch schon wieder einige Zeit zurück und der Fortschritt ist ja oft einer von den ganz schnellen.

Begeisterung beim Piloten

Tesla Model S Nürburgring
Stefan Baldauf
Rennfahrer Thomas Mutsch, der für Tesla auf der Nordschleife unterwegs war, äußerte sich gegenüber auto motor und sport begeistert über die Perfomance des modifizierten Model S.

Tesla-Nordschleifen-Pilot Thomas Mutsch jedenfalls schwärmt gegenüber auto motor und sport vom Speed des Model S: „Irre, was da ab Tempo 120 noch geht, wie das Auto voranstürmt“. Seinen Fahrstil hätte der Motorsport-Profi lediglich an das hohe Gewicht des Wagens anpassen müssen, nicht an den Antrieb. Wenn das stimmt, lassen die auf Twitter (wie so oft bei Tesla) veröffentlichen Grafiken zu Längsbeschleunigung und Motorleistung den Schluss zu, dass die Regelelektronik des Antriebs im Hintergrund fleißig arbeitete, damit der Antrieb nicht heiß läuft – und dass zumindest leistungstechnisch noch mehr drin ist.

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Fazit

Der Aufschlag ist also heftig. Der Aufschlag in der Realität des Automobilgeschäfts, wo es oft um die Befriedigung niederer Instinkte geht. Schneller sein als der andere, besser zu sein, nicht belächelt, sondern ernst genommen zu werden, Anerkennung. Tesla steht da nicht drüber. Tesla zeigt sich vielmehr als Hersteller, dessen Ruf und Know how die Konkurrenz gerne hätte – und der den Ruf und das Know how der Konkurrenz gerne hätte. Sehr schön. Denn jetzt können wir endlich wieder einfach nur über Autos reden.