Opel Corsa-e im Test
Wie gut ist der Kleinwagen mit E-Antrieb?

Wenn er jetzt wirklich beginnt, der Boom des E-Autos, dann ist Opel genau rechtzeitig dabei. Mit dem Corsa-e, entstanden aus der Liaison mit PSA und der Bruderschaft zum Peugeot e-208. Wie gut sie sind beim E-Auto, die Hessen? Messen wir. Im Test.

Opel Corsa E Elegance, Exterieur
Foto: Max Balázs

Die zuverlässigsten Prophezeiungen sind ja jene, die man im Nachhinein anstellt. Dann allerdings gilt es, die Erinnerung abzustauben und ihre matten Stellen aufzupolieren. Und zwar im wahren Sinn, schließlich zerren gerade viele Autohersteller ihre frühen E-Autos aus den staubigen Ecken ihrer Historie. Sie waren natürlich alle schon lange große, visionäre Pioniere.

Bei Opel beschwören sie den Kadett B Stir-Lec I von 1968, bei dem der Akku von einem Heißluftmotor gespeist wurde. Selbst das Echo der Zeit, in welcher dieser Motor als letzter Schrei gegolten hatte, war da schon lange verhallt, hatte der Schotte Robert Stirling ihn doch bereits 1816 erfunden. Dann haben sie noch den Pokal für den Temporekord des Elektro-GT über 188 km/h vorgeholt. 1971 stellte den Georg von Opel auf, der Enkel des Firmengründers Adam und Cousin von Raketen-Fritze, Fritz von Opel – waren schon coole Socken, die Opels. Schließlich darf der Elektro-Großversuch 1992 auf Rügen nicht fehlen. Da waren Hersteller dabei von BMW über Opel bis VW, und ihm wurde nun der Sang und Klang zuteil, ohne den er 1996 endete.

Unsere Highlights

Das sollte als Rampe reichen, hoch auf das Podest, auf das sie bei Opel den Corsa-e schieben. Der nutzt wie jeder Corsa das technische Unterzeug der Konzernvormundschaft von PSA. Alles wie im Peugeot e-208: Der Akku von CATL mit 46 kWh Nettokapazität und 216 Zellen ist in 18 Module portioniert, unter den Vorder- und Rücksitzen positioniert und kann über alle Wege geladen werden – vom 230-V- Schukostecker über den Typ-2-Anschluss und 400-Volt-Stark- bis hin zu CCS-Gleichstrom. Von Continental stammt der 100 kW starke Synchronmotor im Bug, den eine Domstrebe versteift. Statt der Verbundlenker-Konstruktion hat der Corsa-e eine starre Hinterachse mit Panhardstab für die Seitenführung.

Geht jedem auf den Stecker

Panhardstab, ja, das hatten wir auch lange nicht mehr, es kommt eben alles wieder. Auch der Reise-Adapter (702 Euro), mit dem sich für alle Stromquellen von 1,8 bis 22 kW der passende Anschluss auf das Ladekabel steckern lässt. So, wir stöpseln jetzt aber mal den Corsa von unserer 22-kW-Ladesäule ab. An der zapfte er für eine Vollladung siebeneinviertel Stunden – mit dem serienmäßigen On-Board-Lader einphasig mit 7,4 kW.

Opel Corsa E Elegance, Laden
Max Balázs
Mit CCS-Anschluss für Gleichstrom-Schnellladen (Serie) kann der Corsa-e gut verreisen. 80 Prozent in 30 Minuten.

Für 1.160 Euro extra gibt es die dreiphasige 11-kW-Ladeeinheit, die sich aber nicht recht lohnt, weil der Corsa serienmäßig CCS kann und sich da binnen einer halben Stunde den leeren Akku zu 80 Prozent vollballert. 330 km jedenfalls verspricht der Bordcomputer beim Losfahren.

Doch schon zwei gemächliche Kilometer später sind es nur noch 210 km nach Prognose der Reichweitenanzeige, welche mit ihrer Sprunghaftigkeit der Reise auch danach nie den Reiz der Ungewissheit nehmen wird. Dabei erreicht der Opel mit 324 km im Test fast die WLTP-Angabe (337 km), kommt nicht ganz so weit wie der VW e-Up (351 km), aber weiter als der Mini Cooper SE, der nach 254 km an die Steckdose muss.

Beim Corsa-e entspricht das einem Eco-Verbrauch von 14,9 kWh/100 km, der zwar rund zwei kWh über dem des Mini Cooper SE liegt, aber doch hohe Effizienz beweist. Die wahrt der Corsa-e auch bei eiligerem Tempo – immerhin erlangt er eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h. Und selbst wenn man die öfter mal ausnutzt, kommt man auf Autobahntouren selten deutlich über 20 kWh/100 km. Im Testschnitt liegt der Corsa bei 18 kWh/100 km. Das entspricht nach deutschem Kraftwerkmix einem CO2-Ausstoß von 84 g/km. Für solch einen niedrigen Wert dürfte ein Benziner nur 3,6 l/100 km verbrauchen. Womit wir umfassend geklärt hätten, wie weit, effizient und sauber der Corsa-e fährt – aber nicht, wie er fährt.

Opel Corsa E Elegance, Laden
Max Balázs
Unter die Ladeklappe passt der Anschluss für den Typ-2-Stecker und CCS.

Dann machen wir das jetzt: Der Corsa-e fährt vor allem wie ein Corsa. Nun mögen Sie im ersten Moment deswegen nicht gerade vor Begeisterung auf den Tisch hauen und denken: Respekt, zu welch einer erschütternden Erkenntnis die Herren Tester da mal wieder gekommen sind. Aber wie so oft sind eben die scheinbar profansten Erkenntnisse doch die tiefgründigsten. So wie hier. Denn während VW e-Up, Smart Forfour EQ, Mini Cooper SE und Hyundai Kona Elektro mit E-Maschinen ihren perfekten Antrieb gefunden haben, profitiert der Corsa-e weniger davon. Er scheint da eher eine Gemeinschaft einzugehen, welche die Vernunft und nicht das Vergnügen prägen soll.

Anders auch als den Mini SE, welcher seine Elektrifizierung nach drinnen und draußen stilistisch zelebriert, erkennt man den Corsa-e nur am E-Kennzeichen (ja gut, auch daran, wenn ein Ladekabel aus der Klappe hinten rechts baumelt). Am Platzangebot ändert sich kaum etwas, allerdings ist das ohnehin knappe Kofferraumvolumen nun 42 Liter geringer. Ansonsten gelang es den Technikern, den Akku, die Elektronik und die Kabel – wie sagt man da jetzt – bauraumneutral unterzubringen.

Allerdings zählt der Corsa ohnehin zu den eher engen Kleinwagen. Auf der steillehnigen, tief montierten Rückbank beherbergt er zwei Erwachsene, deren Statur ebenso gering ausgeprägt sein sollte wie ihr Anspruch an Komfort und Aussicht. Pilot und Co. reisen ungedrängter, den dünn gepolsterten Vordersitzen allerdings mangelt es an Seitenhalt und Rückenunterstützung.

Opel Corsa E Elegance, Interieur
Max Balázs
Die Rückbank ist steillehnig und tief montiert.

Etwas mehr Unterstützung sollte auch das Infotainment hinbekommen. Das Navi kennt zwar Ladestationen, ansonsten muss man aber wegen der seltsam sortierten Menüstruktur viel auf dem Monitor herumtapsen – auch weil die Verständigung mit der begriffsstutzigen Sprachbedienung nie so recht gelingt. Prinzipiell passt es aber mit der Bedienung, was unter anderem daran liegt, dass es so viel nicht zu bedienen gibt. Die Digitalinstrumente haben nur wenige, kaum personalisierbare Einblendungsvarianten. Und im Gegensatz zu anderen Stromern lässt sich im Corsa-e die Rekuperations-Intensität nicht per Paddel oder Taste variieren. Wer über den E-Motor bremsen und so Energie zurückgewinnen will, muss jedes Mal den Wählhebel nach hinten auf die B-Stellung ziehen, unabhängig davon, welcher der drei Fahrmodi Eco, Normal oder Sport gerade aktiv ist.

Watt für eine Wucht

Zum Starten lang und fest auf den Startknopf drücken, dann erst fährt das E-Werk hoch, Wählhebel auf "D", Fuß von der Bremse – und los. Auch beim Opel gelingt der Start in die E-Mobilität ganz leicht und umstandslos. Schon im deutlich leistungsgeminderten Eco-Modus zieht der surrige E-Motor den immerhin 1,5 Tonnen schweren Corsa energisch voran – und eben mit jener E-Auto-typischen homogenen Ansatzlosigkeit, die das Temperament immer noch vehementer erscheinen lässt. Im Normal-Modus legt die Maschine schon ordentlich an Leistung zu. Noch ein Knips weiter in den Sport-Modus: Eine kleine Verzögerung, zwei, drei Blinzler lang, dann tritt der Corsa aber mal richtig entschlossen voran. So sehr gar, dass das Handlingtalent mitunter nicht so ganz hinterherkommt. Dabei hat es durchaus zugelegt im Vergleich zum Benziner – das Gewicht des Akkus drückt den Schwerpunkt um 5,7 Zentimeter und souveränisiert die Straßenlage.

Opel Corsa E Elegance, Interieur
Max Balázs
Fuß auf die Bremse, Startknopf fest drücken, Wählhebel auf "D", schon wird losgestromert.

Damit wetzt der Corsa satt und sicher durch Kurven, schubbert schließlich ins Untersteuern. Der Lenkung mangelt es nicht an Präzision, aber an Gefühl beim Ansprechen und Verbindlichkeit bei der Rückmeldung. Auf schlechten Straßen neigt der Corsa trotz straffer Abstimmung zum Wanken in Kurven und zum Nachschwingen auf Unebenheiten. Doch wie auch die Slalom- und Ausweichtests auf unserer Messstrecke zeigen, hat das keinen Einfluss auf die hohe Fahrsicherheit. Die Bremsen schon.

Sie lassen sich nur schlecht dosieren. Das Pedal hat keinen klaren Druckpunkt. Oft ist es schon ein erstaunliches Stück hin zum Bodenblech gedrückt, bis eine Verzögerung einsetzt. Das diffuse Pedalgefühl mag den komplizierten Übergang von Rekuperations- zu hydraulischer Bremsverzögerung verwischen. Aber fast alle anderen Hersteller bekommen das inzwischen hin, ohne dass man beim Bremsen das Gefühl hat, sich durch eine vierlagige Schwarzwälder Kirschtorte bis zum festen Mürbteigboden zu treten, bis das Auto bremst.

Auch dann gibt sich der Corsa-e nicht gerade mit bemerkenswerter Entschlossenheit der Temporeduzierung hin: 40,5 m von 100 km/h zum Stillstand mit warmer Anlage – das unterbot der kleine Opel bei uns im Test schon vor zehn Jahren, da hieß er übrigens noch Corsa D. Mit der gleichen Reifendimension verzögerte der aktuelle Corsa als Benziner bei uns im Test viel besser, brauchte aus 130 km/h nur 60 m Bremsweg – sieben weniger als der Corsa-e. Bei ihm wirkt es bei Vollbremsungen immer so, als schaue er zunächst, ob er das mit dem Verzögern nicht einfach durch Rekuperieren hinbekommt, bevor er auf seine mechanische Bremse schaltet.

Ob dies den Erfolg des Corsa-e einbremst, der mit der Förderung von 9.480 Euro nur noch knapp 900 Euro teurer ist als der nächsteffiziente Corsa, der 1,5-Liter-Diesel? Ach wissen Sie, mit einer Prophezeiung dazu warten wir dieses Mal ein paar Jahre – um dann zu sagen, wir hätten es ja immer schon gewusst.

Vor- und Nachteile
Karosserie
gutes Platzangebot vorn
größtenteils einfache Bedienung
umstandloses Laden mit hinterlegten Ladestationen in Navi und App
knappes Platzangebot für Erwachsene im Fond
kleiner Kofferraum
geringe Variabilität
unambitionierte Materialgüte
mäßige Rundumsicht
Fahrkomfort
gute Geräuschdämmung
wirksame und effiziente Klimatisierung mit serienmäßiger Wärmepumpe
Vordersitze mit wenig Halt
Federung spricht harsch auf kurze Unebenheiten an
Antrieb
kräftiger, sehr kultivierter und effizienter E-Antrieb mit drei Fahrmodi
Fahreigenschaften
sicheres Kurvenverhalten
tiefer Schwerpunkt sorgt für souveräne Seitenlage
präzise Lenkung
Lenkung gibt wenig Rückmeldung
Sicherheit
für die Klasse umfangreiche Licht-, Assistenz- und Sicherheitsausstattung
mäßige Bremsverzögerung
Umwelt
effizienter und sehr sparsamer Elektroantrieb
nach deutschem Kraftwerksmix sehr niedriger CO2-Ausstoß
Kosten
mit 9.480 Euro E-Auto-Prämie günstiger Grundpreis
niedrige Energiekosten
günstige Versicherung
10 Jahre steuerfrei

Fazit

Opel zeigt, wie reichweitenstark, alltagstauglich, erschwingliche E-Mobilität gelingt – trotz der Kompromisse, die der Corsa beim Platz und Komfort fordert. Die Schwache Bremse kostet einen halben Stern.

Technische Daten
Opel Corsa-e Corsa-e Elegance
Grundpreis31.578 €
Außenmaße4060 x 1765 x 1433 mm
Kofferraumvolumen267 bis 1042 l
Höchstgeschwindigkeit150 km/h
0-100 km/h8,6 s
Verbrauch16,8 kWh/100 km
Testverbrauch18,0 kWh/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten