Erste Fahrt im Tesla Model 3 Facelift
Fährt komfortabel, rollt ruhig und blinkt ungewohnt

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Sieben Jahre nach der Präsentation und vier Jahre nach dem Marktstart in Europa gönnt Tesla dem Model 3 ein Facelift mit neuem Design, mehr Komfort und vergrößerter Reichweite. Ob der Plan aufgeht? Wir sind bei der Weltpremiere in Oslo schon einmal gefahren.

Mit dem Model 3 wollte Tesla den Massenmarkt erobern – und das ist den Amerikanern zweifelsfrei gelungen. In nur sechs Jahren verkauften sie den Stromer über zwei Millionen Mal weltweit. Mit dem Facelift wollen sie jetzt die Millionen-Marke beim Absatz in Europa knacken. Damit der Plan aufgeht, hat der Autobauer am Design und am Komfort nachgearbeitet.

Neues Fahrwerk sorgt für mehr Ruhe

Vor allem auf das Fahrgeräusch und das Fahrwerk haben es die Ingenieure abgesehen und spendierten dem Model 3 eine neue Mehrlenkerachse mit überarbeiteten Laufbuchsen, überarbeiteten Federn und Dämpfer. Außerdem galt es die Karosserie steifer zu machen, um mehr Ruhe ins Auto zu bringen – und schon nach den ersten Metern ist klar: Der Plan geht auf. Verglichen mit dem alten Model 3 ist das Facelift deutlich komfortabler unterwegs. Kleine Unebenheiten schluckt das Fahrwerk souverän, harte Stöße werden deutlich milder an den Innenraum abgegeben und insgesamt fährt das Auto ausgewogener als vor dem Update.

Der große E-Ratgeber

Für Souveränität sorgt auch der Antrieb, trotz der 1.824 Kilogramm Fahrzeuggewicht: Die getestete Dual Motor Variante in der Long-Range-Version des Model 3 kommt auf 324 kW Systemleistung und liefert 493 Nm maximales Drehmoment – exakt so viel wie beim Vorhänger. Denn weder am Antrieb noch an den Akkus wurde etwas verändert. So kommen im Long Range Model 3 weiterhin die 79-kWh-NMC-Rundzellen zum Einsatz, die mit bis zu 250 kW am Supercharger aufgeladen werden können. Laut Tesla können so in 15 Minuten bis zu 282 Kilometer Reichweite nachgeladen werden.

Bis zu 52 Kilometer mehr Reichweite nach dem Facelift

Apropos Reichweite. Die ist beim Model 3 mit dem Facelift leicht gestiegen. Das ist vor allem auf die neuen Reifen und die verbesserte Aerodynamik zurückzuführen, die den Verbrauch nach WLTP auf 14 kWh/100 km drücken. Für das Facelift spendieren die Designer dem Model 3 eine neue Front, eine überarbeitete Motorhaube, neue Felgen und ein neues Heck. Alles in allem hat Tesla den cW-Wert des ohnehin schon sehr windschlüpfigen Model 3 um weitere sechs Tausendstel reduziert. Der neue Luftwiderstandsbeiwert liegt damit bei 0,219. So kommt das getestete Model 3 Long Range auf den neuen 19-Zoll-Rädern auf eine Reichweite von 629 km (plus 27 km) und mit den serienmäßien 18-Zoll-Rädern steigt die Reichwerte sogar auf 678 km – immerhin ein Plus von 52 Kilometern.

Bei der Testrunde wurde dieser Wert wie üblich nicht erreicht. So kam das Model 3 auf einen Verbrauch von rund 16 kWh auf 100 Kilometer bei gemäßigter Fahrt über norwegische Landstraßen und Autobahnen. Ein zufriedenstellender, aber auch erwartbarer Wert.

Blinkertasten am Lenkrad sind gefährlich

Neu und vergleichsweise unerwartet ist dagegen die Bedienung des Facelifts. Von der gewöhnungsbedürftigen Bedienung des großen und neuen 15,4-Zoll-Touchdisplays in der Mitte mal abgesehen, hat Tesla sich noch einmal mehr im Verzicht geübt. Denn das Model 3 verzichtet mit dem Facelift auf Lenkrad-Hebel – sowohl beim Blinker als auch für die Gang-Wahl. Eine Entscheidung, die sich schon bei der ersten Fahrt in den Kreisverkehr als Fehler herausstellt. Denn ähnlich wie beim Yoke-Lenkrad aus den leistungsstarken Plaid-Modellen, sitzen die Tasten für den Blinker nun auf dem Lenkrad – dort wo andere Autobauer unkritische Bedienelemente, etwa für die Steuerung des Infotainmentsystems, unterbringen. In den Kreisverkehr einfahren und dann mal eben den Blinker setzen, um den anderen Verkehrsteilnehmern den Hinweis zu geben, dass man das Rund verlässt? Je nach Lenkradstellung eine unlösbare Aufgabe. Im schlimmsten Fall verdeckt der Arm die Taste und man sucht sie vergebens und selbst nach rund 60 Kilometern mit dem neuen Auto nimmt das Suchen kein Ende. Da hilft es auch nur bedingt, dass die Tasten im Model 3 tatsächliche Tasten mit Mikroschaltern sind, die durch Vibration das haptische Feedback erhöhen. Findet der Fahrer den Schalter aber nicht, gibt es auch kein Feedback.

Gangwahl per Touchscreen

Deutlich geschmeidiger fällt dagegen die Umstellung des Model 3 auf Smart Shift, bei dem das Auto antizipiert, ob der Vorwärts- oder Rückwärtsgang eingelegt werden soll. Das System funktioniert zwar nicht ganz so smart, wie es der Name vermuten lässt und gerade beim Rangieren scheint es völlig überfordert beim Gedankenlesen. Aber die Auswahl der Fahrtrichtung mit einer Swipegeste am linken Bildschirmrand geht leicht von der Hand und ist schnell intuitiv zu bedienen. Vorwärts, Rückwärts, Neutral, Parken? Alles kein Problem – und sollte doch einmal der Bildschirm ausfallen und die Technik in die falsche Richtung fahren wollen, ist oben im Dach eine Notfalllösung untergebracht. Sobald der Bildschirm nicht mehr funktioniert, werden zwischen den beiden Leselampen Bedienfelder mit den Buchstaben "P", "R", "N", "D" aktiviert, mit derer Hilfe dann geschaltet wird.

Wer jetzt hofft, dass Tesla diese Veränderung als Chance ergriffen und in diesem Zuge den Schalter für den Warnblinker neu positioniert hat, damit er im Notfall besser und intuitiver erreichtbar ist, den enttäuscht Tesla. Das blinkende Warndreieck versteckt sich weiterhin außerhalb des Sichtfelds im Fahrzeughimmel.

Neue Sitze und deutlich verbessere Akustik

Weniger enttäuschend sind dagegen die neuen Sitze, die es ab dem Facelift nicht nur beheizt, sondern auch belüftet gibt. Die Steuerung erfolgt manuell oder über eine Automatik, die entsprechend der Klimaanlageneinstellung auch die Sitzheizung reguliert. Ebenfalls neu – und vor allem für windsensible Passagiere ein Highlight: Auf der Beifahrerseite sie die Ausströmer endlich getrennt einstellen – für den Komfort ist beides in jedem Fall ein Gewinn.

Dasselbe gilt für die Anstrengungen, die die Entwickler in Sachen Akustik unternommen haben – wobei das Model 3 in diesem Bereich auch sehr viel Luft nach oben hatte. Mit dem Facelift setzt das Model 3 rundherum auf Akustikverglasung, im Innenraum wurden schallabsorbierende Materialien verwendet und das überarbeitete Fahrwerk tut sein Übriges, um störende Geräusche im Fahrgastraum zu reduzieren. Auch wenn das Model 3 damit nicht zum Leisetreter im Format des Mercedes EQE oder gar EQS wird, konnten die Veränderungen die Geräuschkulisse deutlich reduzieren. Vor allem die Fahrwerk- und Abrollgeräusche haben mit dem Facelift deutlich abgenommen. Windgeräusche sind dagegen noch immer deutlich wahrnehmbar – wenngleich hier ein deutlicher Fortschritt zu spüren ist.

1.000 Euro teurer als der Vorgänger

Wer jetzt zuschlagen will, kann das sofort tun. Ab dem 1.9.2023 ist das Facelift des Model 3 in der getesteten Long Range Variante für 51.990 bestellbar. Die Basisversion Standard Range mit Heckantrieb gibt es ab 42.990 Euro. Eine Performance-Variante soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert werden. Bis die anderen beiden Fahrzeuge ausgeliefert werden, vergehen noch mindestens vier Wochen. Die Auslieferung der ersten Fahrtzeuge soll noch im vierten Quartal 2023 starten.

Fazit

Mit dem Facelift haben die Tesla-Ingenieure vieles richtig gemacht. Denn viele Patzer, die sich der Einstiegs-Tesla bisher geleistet hat, konnten die Techniker ausmerzen. Alles in allem ein echter Fortschritt – vor allem in Sachen Fahrkomfort.

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Erscheinungsdatum 07.12.2023

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