Elektro-SUV Togg T10X gefahren
Im türkischen Tesla-Konkurrent macht KI die Musik

Der Togg T10X ist das erste Serienauto eines türkischen Herstellers – vor Ort haben wir nicht nur das Fahren im großen E-SUV ausprobiert.

Mitte 2018 gegründet, produziert der türkische Hersteller Togg auf seinem 12.000 Hektar großen Firmengelände seit Frühjahr 2023 den Elektro-SUV T10X. Togg-Chef Gürcan Karakas hat für seine Marke selbstbewusst einen großen Konkurrenten im Blick: Tesla. In seinem Herstellungsland Türkei ist der T10X seit März 2023 auf dem Markt, in Deutschland wird es ihn nicht vor 2025, womöglich erst 2026 geben. Die Probefahrt fand neben der Togg-Fabrik im türkischen Gemlik auf der firmeneigenen Erprobungsstrecke statt.

Der große E-Ratgeber

Gemlik gehört zur Provinz Bursa, die wiederum zu den Zentren der türkischen Autoindustrie gehört. Das Togg-Werk dürfte eine der modernsten Produktionsanlagen der Region sein. Die Jahresproduktion des T10X ist längst ausverkauft – sämtliche Fahrzeuge gehen an einheimische Kunden, andere Länder sollen den T10X erst später bekommen. Der SUV ist von Pininfarina designt – und die Italiener haben stimmige Proportionen hinbekommen. Im direkten Vergleich wirkt der Togg T10X eigenständiger und reizvoller als beispielsweise die ebenfalls von Pininfarina-Designern gezeichneten SUV von Vinfast. Auffällig ist der mächtige Frontgrill – die sich V-förmig nach oben öffnenden senkrechten Doppelstreben sollen Tulpen symbolisieren. Ähnlich sind die Speichen der 19-Zoll-Felgen geformt. Die Tulpe stammt ursprünglich aus Asien und ist tief in der türkischen Kunst und Kultur verwurzelt.

Togg T10X Abmessungen

Maße und Gewichte

Togg T10X Heckantrieb/Standardreichweite

Länge/Breite/Höhe

4.599 / 1.886 / 1.676 mm

Radstand

2.890 mm

Bodenfreiheit

192 mm

Gewicht (ohne Fahrer)

1.949 - 1.972 mm

Kofferraumvolumen

441 / 1.515 mm

Viel Platz und top verarbeitet

Das Platzangebot im Innenraum ist üppig: Vorn und hinten haben große Insassen viel Raum für Kopf, Ellenbogen und Knie – hier helfen vor allen Dingen die 2,89 Meter Radstand. Dank 4,6 Meter Gesamtlänge passen in den Kofferraum trotzdem noch 441 bis 1.515 Liter Gepäck. Die Ledersitze sind top verarbeitet, fest genug gepolstert für eine lange Reise und sie bieten ausreichend Seitenhalt – und auch in ihren Nähten sitzt das Tulpen-Symbol. Die Mittelkonsole trägt einen mit dem BMW-iDrive-Controller vergleichbaren Dreh-Drücksteller, mit dem der Fahrer die meisten Infotainment-Funktionen bedienen kann.

Außerdem sind zwei der drei Bildschirme als Touchscreens ausgeführt – jeder kann sich also ganz entspannt für die ihm angenehmere Art der Bedienung entscheiden. Am oberen Ende der Mittelkonsole sitzt seitlich der Drehknopf zum Wählen der Fahrstufe, die Park-Funktion aktiviert der Fahrer wiederum per seitlichem Druck an diesem Drehknopf. Nicht sicht- aber fühlbar sind ganz am oberen Ende der Konsole die beiden Knöpfe für die Einstellung der Fahrprogramme Sport, Comfort und Eco sowie der drei Rekuperations-Intensitäten untergebracht. Zum Wählen der Fahrstufe muss der Fahrer erst beide Knöpfe gleichzeitig drücken, dann schaltet er sich mit dem linken Knopf durch die Stufen. Für die Wahl der bevorzugten Rekuperations-Stärke reicht das alleinige Drücken des rechten Knopfs.

Togg T10X
Gregor Hebermehl
Der rechts neben dem Fahrer-Instrumenten-Bildschirm sitzende Infotainment-Touchscreen ist 29 Zoll groß.

Der Fahrer schaut auf einen 12-Zoll-Instrumenten-Bildschirm, neben dem sich der Infotainment-Touchscreen über die restliche Fahrzeugbreite zieht. Deshalb heißt dieser Bildschirm bei Togg auch Side-by-Side-Monitor – er ist 29 Zoll groß. Die Anzeige ist nicht so monströs hoch wie beim Modell M-Byte des insolventen chinesischen Herstellers Byton. Dort hatten einige Tester den beinahe nahtlosen Übergang von der oberen Kante des Monitors zum Blick nach draußen als irritierend empfunden. Über dem schmalen Bildschirmstreifen des T10X zieht sich hingegen deutlich die obere Kante des Armaturenbretts, was das Monitorbild klar vom Blick auf die Straße abgrenzt.

Die Anzeigen auf dem Side-by-Side-Screen sind frei konfigurierbar – über den Bildschirm selbst oder über den 8-Zoll-Control-Screen, der über dem vorderen Ende der Mittelkonsole thront. Wer mag, spendiert dem Beifahrer die gleichen Instrumente, auf die auch der Fahrer schaut. Auf der Beifahrerseite können aber auch digitale Kunstwerke, über die Fahrzeug-ID gekaufte Filme oder das Hintergrundbild des mit künstlicher Intelligenz arbeitenden Radios leuchten. Über den Togg-eigenen Trumore-Shop lassen sich digitale Komponenten und Produkte jederzeit hinzubuchen.

Togg T10X Motor und Fahrwerte

Motor und Fahrwerte

Togg T10X Heckantrieb/Standardreichweite

Leistung

160 kW (218 PS)

Drehmoment

350 Nm

Beschleunigung 0-100 km/h

7,4 s

Höchstgeschwindigkeit

185 km/h

Verbrauch

19,5 kWh/100 km

KI macht die Musik

Das AI-Radio (AI: Artificial Intelligence – Künstliche Intelligenz) kommt, genauso wie die digitale Kunstgalerie, über das Trumore premium digital Package in den T10X. Togg-Chef Gürcan Karakas betont, dass der T10X nicht nur ein Auto, sondern ein Smart Mobile Device sei, mit dem man im digitalen Raum auf nichts verzichten müsse. Das Künstliche-Intelligenz-Radio gehört mit zu diesem digitalen Raum der Gegenwart: Die Insassen können sich beispielsweise für das Abspielen von Rock, Pop, Jazz oder Klassik entscheiden – dann generiert ein Algorithmus in Echtzeit die entsprechende Musik. Wir haben es ausprobiert: Gesang ist zwar noch nicht möglich, aber instrumentale Musik bekommt der Algorithmus perfekt hin – das probegehörte Klassik-Stück könnte zumindest dem Empfinden des Fahrers nach auch von einem echten Komponisten stammen. Teilen lässt sich das Hörerlebnis allerdings nicht: Der Algorithmus generiert immer wieder neue Musik, nach einmaligem Hören sind die Werke für immer verschwunden.

Im Dach sitzt ein paar Zentimeter hinter dem Innenspiegel eine kleine Kamera, die bei Togg treffend Social Camera heißt. Sie ist zur Innenraumüberwachung und zum Schießen von Selfies da. Das Weitwinkelobjektiv deckt den kompletten Innenraum ab – es sind also alle Insassen auf dem Foto. Die Fotoauslösung erfolgt entweder über den Dreh-Drücksteller oder über ein entsprechendes Symbol auf den beiden Touchscreens. Das entstandene Foto können die Insassen dann sofort über ihre Togg-ID teilen.

Togg T10X
Gregor Hebermehl
In der Dachkonsole sitzt die Social Camera. Mit dieser Kamera erstellte Selfis können die Insassen sofort über die Togg-ID teilen.

Fahrmodus beeinflusst Lenkung

Das unten abgeflachte Lenkrad des T10X erleichtert das Einsteigen. Es fasst sich griffig an – und die Einstellung der Fahrmodi verändert auch die Leichtgängigkeit der Lenkung. In der Mittellage bietet die Lenkung nur ein geringes Spiel und im Comfort- sowie Eco-Modus sind die Gegenkräfte moderat. Im Sportmodus ist der Widerstand etwas kräftiger, wobei die Präzision gefühlt unverändert gut bleibt. Das Fahrwerk beeinflussen die Fahrmodi nicht. Federn und Dämpfer haben die Ingenieure auf die jeweilige Antriebsart und das jeweilige Fahrzeuggewicht abgestimmt. Wir sind mit einem hinterradgetriebenen T10X und 52,4-kWh-kWh-Standard-Akku unterwegs. So ausgerüstet wiegt das SUV 1.949 bis 1.972 Kilogramm. Wir fahren ausschließlich auf dem firmeneigenen Testgelände, das aber auch eine Kopfsteinpflaster-Teststrecke enthält. Das unebene Terrain meistert der T10X gelassen, nur die heftigsten Zerklüftungen schlagen bis zu den Insassen durch. Das Bremsen aus Stadt- und Autobahngeschwindigkeiten runter auf null km/h funktioniert unspektakulär mit leichtem Eintauchen an der Vorderachse.

Togg T10X Batteriedaten

Batteriedaten

Togg T10X Heckantrieb/Standardreichweite

Speicherkapazität

52,4 kWh

Reichweite (WLTP)

314 km

Wechselstromladen (AC) Leistung

11 kW

AC-Ladezeit 20 auf 80 %

195 min

Gleichstromladen (DC) Leistung

180 kW

DC-Ladezeit 20 auf 80 %

28 min

Bei den Assistenzsystemen ist Togg auf dem Stand der Technik. Auf dem Testgelände in Gemlik gibt es einen künstlichen Anstieg und auf dessen Rückseite ein entsprechendes Gefälle. Mitten auf dem Anstieg bremsen wir bis zum Stillstand ab und nehmen den Fuß von der Bremse. Der T10X verharrt unverrückbar in seiner Position. Dann ein vorsichtiger Druck aufs Fahrpedal und das SUV rollt geschmeidig los – gelassen nutzt der Berganfahrassistent das bereits im Stand anliegende maximale Drehmoment. Kurz vor der Kuppe hilft die Frontkamera beim sicheren Weiterfahren – der Fahrer schaut an dieser Stelle schließlich nach schräg oben in den Himmel. Auf der anderen Seite der Kuppe hilft dann die Bergabfahrhilfe Hill Descent Control (HDC) beim Halten der per Fahrpedal eingestellten Geschwindigkeit.

Togg T10X Fahrwerk

Togg T10X Heckantrieb/Standardreichweite

Bremsen vorn

Scheibenbremsen (innenbelüftet)

Bremsen hinten

Scheibenbremsen

Aufhängung Vorderachse

MacPherson

Aufhängung Hinterachse

Mehrlenker

Ein Motor reicht

Der Elektromotor an der Hinterachse unseres T10X leistet 160 Kilowatt (218 PS) und generiert ein maximales Drehmoment von 350 Newtonmeter (eine Allradversion könnte Ende 2023 kommen). Damit soll der SUV in 7,4 Sekunden auf Tempo 100 spurten, als Höchstgeschwindigkeit verspricht der Hersteller 185 km/h. Wir drücken das Fahrpedal auf der Teststrecke voll durch: Gleichmäßig-kräftig zieht der T10X an. Als Sound dringt dabei das übliche Elektroauto-Surren ans Ohr – die Windgeräusche bleiben auch jenseits von 100 km/h leise. In der niedrigsten Rekuperationsstufe rollt der Togg fast ungebremst weiter, wenn der Fuß des Fahrers den Druck vom Fahrpedal nimmt. In Stufe zwei verzögert er merklich und in Stufe drei ist dann One-Pedal-Driving drin: Die Rekuperation reicht als Verzögerung für die meisten Situationen im Stadtverkehr vollkommen aus.

Mit einer 52,4-kWh-Antriebsbatterie ausgerüstet, kommt der T10X nach WLTP 314 Kilometer weit (mit einem optionalen 88,5-kWh-Akku wären es 523 Kilometer). Eine Anhängelast weist Togg bisher für den T10X nicht aus. Die maximale Gleichstrom-Ladeleistung beträgt 180 kW, damit wäre die Standard-Batterie innerhalb von 28 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen. Bei Wechselstrom sind elf kW Ladeleistung möglich, hier vergehen 195 Minuten, bevor der Akku von 20 auf 80 Prozent geladen ist.

Viel Auto fürs Geld

In der Türkei lässt sich der T10X über den herstellereigenen Online-Shop ordern – allerdings arbeitet Togg gerade die per Verlosung verteilten Bestellungen ab. Die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich – einige T10X haben wir aber bereits in Istanbul und Umgebung fahren sehen. Nach Deutschland kommt das SUV wahrscheinlich erst 2025/2026, anders lassen es die Produktionskapazitäten wohl nicht zu – trotz permanentem Wachstum.

In der Türkei kostet der T10X aktuell netto zirka 734.206 türkische Lira (aktuell umgerechnet zirka 29.000 Euro). Hinzu kommen zehn Prozent Sonderverbrauchssteuer und 18 Prozent Mehrwertsteuer. Die dann 953.000 türkischen Lira waren im März 2023 noch fast 45.000 Euro wert, im Juni 2023 sind es 37.000 Euro. Auch wenn also bei einer möglichen Preisfindung für den deutschen Markt Währungsschwankungen eine Rolle spielen können, dürfte der T10X ein sehr gutes Angebot sein.

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Ja - die stellen anscheinend gute Autos her, die zudem preiswert sind.Bei der rasant wachsenden Konkurrenz aus China habe ich meine Zweifel.

Fazit

Der Togg T10X sieht gefällig aus, bietet vorn sowie im Fond und im Kofferraum jede Menge Platz und die Verarbeitung wirkt richtig gut. Der 160-kW-Motor (218 PS) an der Hinterachse sorgt für zügiges Vorankommen und die in drei Stufen einstellbare Rekuperation ermöglicht in der stärksten Stufe One-Pedal-Driving.

Besonders auffällig ist der über die komplette Fahrzeugbreite reichende Infotainment-Bildschirm, dessen Anzeigen die Insassen frei konfigurieren können. Digital ist der T10X bestens aufgestellt – er hat optional sogar eine App an Bord, die mithilfe von künstlicher Intelligenz in Echtzeit Musik bestimmter Stile erzeugt. Über das Infotainment-System können die Insassen auch Filme streamen oder Einkäufe erledigen – Togg selbst nennt das SUV deshalb lieber Smart Mobile Device als einfach nur "Auto".

Aktuell kostet der T10X in der Türkei inklusive Steuern umgerechnet 37.000 Euro, wobei die türkische Lira momentan im Vergleich zum Euro schwankt. Trotzdem ist der Preis für so ein rundum gelungenes Elektro-SUV sehr attraktiv – attraktiver als beispielsweise bei einem mindestens 45.000 Euro teuren Tesla Model Y. Die Teslas bieten zwar mehr Power, aber der Togg scheint besser verarbeitet zu sein. Und bei seinen digitalen Funktionen scheint er mit seinem US-amerikanischen Vorbild gleichauf zu sein. Auf dem deutschen Markt kann er ihm dennoch keine Konkurrenz machen: Vor 2025 wird er hierzulande nicht zu haben sein.