Elektrisch angetriebene Viertelmeile-Kings
Model S Plaid hängt alle ab - oder?

Die Elektroauto-Hersteller und die Besitzer ihrer Produkte toben sich auf der Viertelmeile aus. Nun soll ein Tesla eine neue Bestmarke aufgestellt haben. Rimac, Bugatti und Lucid haben vorerst das Nachsehen.

Tesla Model S Plaid Dragrace Bugatti Lucid Rimac Collage
Foto: Hersteller / Patrick Lang

Während die Topspeed-Rekordjagd nach der 300-mph-Krone noch läuft, ist bereits der nächste Bestmarken-Schlagabtausch im Gange. Derzeit toben sich diverse Elektroauto-Hersteller und die Besitzerinnen und Besitzer ihrer Produkte auf der Viertelmeile aus. Im Frühjahr 2021 legte E-Auto-Pionier Mate Rimac, der mit einem C-Two-Prototyp, aus dem das Serienauto Nevera wurde, mal eben eine Zeit von 8,94 Sekunden in den Asphalt eines verlassenen kroatischen Flugplatzes stanzte, die Messlatte extrem weit nach oben. Inoffiziell natürlich, vom Guinness-Komitee oder von der internationalen Motorsport-Behörde FIA war hier niemand anwesend. Dennoch war der Wert mehr als beeindruckend.

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Nun wird er jedoch relativiert. Falls es stimmt, was Twitter-Nutzer Zack alias @BLKMDL3 kürzlich mithilfe des Kurznachrichtendienstes der Weltöffentlichkeit mitteilte, hat ein Tesla Model S Plaid einen neuen Rekord aufgestellt. Zack teilte einige Fotos, die belegen sollen, dass das Elektroauto am 6. Juni 2022 eine Zeit von nur 8,834 Sekunden für die etwa 402 Meter lange Strecke benötigt hat. Am Zielstrich soll ein Tempo von 161,37 Meilen pro Stunde (ziemlich genau 260 km/h) angelegen haben. Allerdings kennen Nutzer einschlägiger Tesla-Foren das Auto offenbar und berichten, dass es gut 250 Kilogramm leichter sein soll als ein Model S Plaid im Serienzustand.

"Nice!", sagt Elon Musk

Ebenso fehlt das Zertifikat einer offiziellen Prüfinstitution; es gibt nicht einmal ein Video als hinreichenden Beweis. Immerhin hat Elon Musk auf den Twitter-Post reagiert – mit einem knappen "Nice!" Der Tesla-Chef stellte auf dem vergangenen Battery Day für das Model S Plaid, das neue Topmodell der Baureihe, eine Viertelmeilen-Zeit von 9,0 Sekunden in Aussicht. Sieht so aus, als hätte der Profi-Ankündiger mal Recht behalten.

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Mit Genugtuung dürfte Musk obendrein zur Kenntnis genommen haben, dass sein Model S Plaid mit seinen 8,8 Sekunden den neuen Rivalen Lucid Air deutlich abhängt. In diesem Duell liegt eine gewisse Pikanterie: Lucid-Chef Rawlinson ist sein ehemaliger Model-S-Entwicklungs-Chef. Die beiden sind im Streit auseinander gegangen und bis heute verfeindet. Als Lucid den Air in einer dreimotorigen Version auf die Viertelmeile schickte, ist eine Zeit von 9,245 Sekunden herausgekommen. Ein starker Wert – aber inzwischen eben nicht stark genug. Auch beim schnellen Lucid Air handelte es sich um ein leergeräumtes und speziell auf die Viertelmeile abgestimmtes Modell.

Die schnellsten Verbrenner haben das Nachsehen

Der Rimac dagegen trat nicht einmal mit voller Power an, auch darüber hinaus gibt es noch jede Menge Verbesserungs-Potenzial in puncto Reifen, Streckenwahl und solchen Sachen. Andere Viertelmeile-Bolzer, die von Verbrennungsmotoren angetrieben haben gegen die genannten Elektroautos keine Chance: Ein Dodge Challenger SRT Demon braucht für 402 Meter nach stehendem Start 9,6 Sekunden, ein Koenigsegg Jesko 9,5 Sekunden und ein Donkervoort D8 RS06 9,3 Sekunden. Der SSC Tuatara absolviert die Übung in 9,8 Sekunden, der 1.500 PS starke Bugatti Chiron (Basismodell) benötigt sogar 9,9 Sekunden.

Mit dem über drei Millionen Euro teuren Chiron hat Bugatti die Viertelmeile in 9,9 Sekunden geschafft.

Bei Elektromobilität geht es vorrangig um Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Aber auch um eine Performance, mit der Verbrennungsmotor-Modelle kaum noch mithalten können. Die Gründe dafür liegen auch bei den Protagonisten: Elon Musk ist ein Mann, der auch schon die alte Welt der Verbrennungsmotor-Sportwagen ungemein schätzte – und der ausgiebig von seinem McLaren F1 schwärmte. Öko-Denken in Form von vor sich hergetragenem Verzicht ist ihm fremd: Nicht umsonst gefiel ihm der auf einer Lotus Elise basierende Elektro-Roadster auf Anhieb, als er zu Tesla stieß. Musk hat nie aufgehört, die Performance seiner Modelle zu betonen und zu pushen.

Geht es bald auf die Nordschleife?

Sein Gegenspieler bei Lucid, Peter Rawlinson, ist kein bisschen anders drauf: Der Ex-Jaguar-Mann hat als Ingenieur bei Lotus extremen Leichtbau betrieben und nach seiner Jaguar-Zeit bei Ruf in Pfaffenhausen den legendären CTR3 mitentwickelt – ein Auto, das sich mit dem McLaren F1 messen sollte. Mate Rimac ist sowieso als Rekordjäger bekannt. Schon vor etwa zehn Jahren stellte der Kroate offiziell von der FIA bestätigte Beschleunigungs-Rekorde für Autos mit reinem Elektroantrieb auf. Und zwar mit einem umgebauten BMW 3er E30, der nicht nur wegen seiner giftgrünen Farbe zur Ikone wurde.

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Noch tragen Tesla, Lucid und Rimac ihre Performance-Battles auf der in den USA populären Viertelmeile aus. Doch es dürfte nicht allzu lange dauern und die Kontrahenten kommen nach Deutschland, um jegliche bisher gültigen Nordschleifen-Rekorde vergessen zu machen. Spannend ist, was Porsche in der Zwischenzeit mit dem Taycan vorhat – also ob die Zuffenhausener ihre geliebte Nordschleife gegen die Angriffe aus Übersee verteidigen können. Mit einem Prototypen des Model S Plaid hat Tesla die Zeit eines Vorserien-Taycan schon mal pulverisiert.

Vergleich C-Two, Model S Plaid, Air Dream Edition, Taycon Turbo S, Chiron

Tesla Model S Plaid

Rimac C-Two Prototyp

Lucid Air Dream Edition

Bugatti Chiron

Porsche Taycan Turbo S

0 - 60 mph (97 km/h)

2,0 s*

unter 2,0 s

2,5 s

2,5 s

2,6 s

Viertelmeile

8,8 s****

8,94 s

9,245 s**

9,9 s

10,3 s

Höchstgeschwindigkeit

323 km/h*

412 km/h

378 km/h**

420 km/h

260 km/h

Reichweite

837 km

550 km

832 km

444 km***

412 km

Preis

120.361 Euro

über 1 Million Euro

145.303 Euro

3,15 Millionen Euro

181.638 Euro

Anmerkung

* Angaben von Elon Musk

**** inoffiziell; modifiziertes Auto

alle Werte bisher nur angekündigt bzw. inoffiziell

** leergeräumtes Renn-Modell

*** 100-Liter-Tank

Fazit

Die Entwicklungsarbeit an Elektroautos bleibt nicht stehen: Die Ingenieure gestalten die Antriebe kompakter und hochleistungsfester, die Chemiker verbessern die Kapazitäten und Leistungsfähigkeit der Batterien permanent. Das Ergebnis sind Fabelzeiten für Elektroautos auf der Viertelmeile – weit weg von allen Befürchtungen, dass der Individualverkehr in naher Zukunft aus langsam fahrenden Öko-Würfeln bestehen könnte. Geht damit die Ära des Verbrennungsmotors auch bei Sportwagen eher zu Ende, als bisher von vielen vermutet? Es sieht ganz danach aus.