Fahrbericht Alfa Romeo Giulia (Modelljahr 2020)
Auf die inneren Werte kommt es an

Seit 2016 führt Alfa Romeo die Giulia im Modellprogramm. Seither schleppt die schöne Limousine ein inneres Problem mit sich herum. Bis jetzt. Mit dem Modelljahr 2020 legt Alfa bei Infotainment und Assistenzsystemen nach.

Alfa Romeo Giulia 2,0-Liter-Benziner - 280 PS - Modelljahr 2020 - Limousine
Foto: Dino Eisele / FCA

Derzeit unterhält Alfa Romeo drei Baureihen: den Kompaktwagen Giulietta, die Mittelklasse-Limousine Giulia und den SUV-Bruder Stelvio. Die beiden letztgenannten kommen 2020 in den Genuss einer Modellpflege, die aber ohne Änderungen am Blech auskommt. Sowohl Giulia als auch Stelvio sehen aus wie vorher: emotional und chic.

Und auch die Änderungen auf der Antriebsseite und beim Fahrwerk sind schnell abgearbeitet. Leistung und Drehmoment? Alles beim Alten. Kleine Ausnahme bei der Antriebskonfiguration der Giulia: In Verbindung mit dem 280 PS starken Benziner leitet das Achtgang-Automatikgetriebe die Kraft ab 2020 auch einzig an die Hinterachse weiter. Vorher gab es den Zweiliter-Turbo nur in Verbindung mit Allradantrieb.

Unsere Highlights

Praxistest in Italien

Diese Allradversion haben wir auf Einladung von Alfa in Italien getestet – zusammen mit dem überarbeiteten Infotainment und den Assistenzsystemen. Am Fahrverhalten ändert sich nichts. Der 2,0 Liter große Turbobenziner treibt die Giulia in 5,2 Sekunden auf Landstraßentempo. Über die etwas leichtgängige Lenkung schubst der Fahrer die Limousine in die Kurven. Dort klettet sie sich auf die Ideallinie und wuchtet sich über den Allradantrieb auf die nächste Gerade.

Funktioniert alles wunderbar, solange man die Giulia nicht ausreizt. Dann nämlich greift das ESP ein und dreht dem Motor den Hahn ab. Das Fahrwerk mit den Adaptivdämpfern schluckt Bodenwellen problemlos, sodass es den Fahrer auf den sportlich ausgeformten Ledersitzen nicht durchschüttelt.

So viel zum Fahreindruck. Am Fahrverhalten der Giulia gab es ohnehin wenig zu meckern. Vielmehr wurden Infotainment, Navi und fehlende Assistenzsysteme bemängelt. Und genau da setzen die Alfa-Ingenieure jetzt mit einem Update an. Vielleicht hilft es, die Verkaufszahlen der Giulia in Deutschland anzukurbeln. Seit dem Marktstart 2016 verkaufte Alfa hierzulande keine 6.000 Exemplare.

Alfa Romeo Giulia 2,0-Liter-Benziner - Modelljahr 2020 - Limousine - Innenraum
Dino Eisele / FCA
Überarbeiteter Innenraum mit neuem Lenkrad.

Giulia fährt autonom Level 2

Die Italiener haben für das Modelljahr 2020 eine Weisheit beherzigt: „Auf die inneren Werte kommt es an.“ Das Lenkrad ist neu, ein 17,8 Zentimeter großer TFT-Bildschirm zwischen Drehzahlmesser und Tacho jetzt serienmäßig. Dessen Grafik konfiguriert Alfa Romeo neu, um Informationen klarer darzustellen und um notwendige Daten für das autonome Fahren darzustellen. Die Giulia beherrscht ab 2020 das autonome Fahren Level 2. Zur Einordnung: Level 0 ist ein Fahrzeug ohne Assistenten. Bei Level 5 macht das Auto alles von allein, braucht also keinen Fahrer mehr.

Auch der 8,8 große Touchscreen (vorher 6,5 Zoll Bildschirm als Standard) ist bei der Giulia Modelljahr 2020 aufpreisfrei verbaut. Der größte Fortschritt ist Alfa beim Infotainment gelungen. Wo zuvor eine statische Liste mit kleinen Symbolen war, sind ab 2020 interaktive Widgets zu sehen. Das sind Reiter mit großen Symbolen und passenden Bildchen – wie auf dem Smartphone: Radio, Navigation, Telefon, Fahrassistenten, Klimasteuerung, Leistungen (z.B. Öldruck, Drehmoment), Fahrzeuginfos (z.B. Service, Wartung, Fahrmodi), Services (Notruf, SOS, Wifi Hotspot) und Einstellungen. Sie lassen sich via per Finger dort hinziehen, wo sie der Fahrer haben möchte. Entfernen lassen sie sich allerdings nicht.

Der Touchscreen reagiert berührungsempfindlich, ist weder überschnell noch langsam. Da trifft Alfa das richtige Maß. Manchmal gönnt sich das System eine kurze Bedenkzeit. Das ist locker zu verschmerzen. Mit der rechten Hand wischt und drückt man sich einfach durch die Menüs, ohne groß abgelenkt zu sein. Während der Fahrt sollte man aber besser den Dreh-/Drück-Steller bedienen. Der arbeitet formidabel.

Alfa Romeo Giulia 2,0-Liter-Benziner - Modelljahr 2020 - Limousine - Innenraum
Dino Eisele / FCA
Das Menü gliedert die Giulia ab 2020 in einzelne Widgets.

Lenkrad bündelt Assistenten

Die Darstellung der Navigationskarten ist breiter, und deshalb übersichtlicher. Das Navi überzeugt mit zuverlässiger Führung. Staudaten in Echtzeit? Kommen, aber erst im zweiten Halbjahr 2020, zusammen mit Wetter-Infos und Parkplatzsuche. Per Update und gegen Aufpreis. Einen Wifi-Hotspot für bis zu acht Geräte integriert man dagegen unmittelbar – ebenfalls für einen Aufpreis.

Das neue Lenkrad bündelt auf der linken Speiche die Assistenzsysteme. Mit ihnen verhält es sich wie bei den meisten Systemen anderer Hersteller. Sie funktionieren mit einer Trefferquote um die 90 Prozent. Alfas neue Verkehrszeichenerkennung spielt auf dem zentralen TFT-Display zwischen Drehzahlmesser und Geschwindigkeitsanzeige zuverlässig die Geschwindigkeit ein. Allerdings erkennt sie nur die Verkehrsschilder, und nicht die Zusätze in Schriftform darunter. Zwei Beispiele: Tempo 30, das durch die Ortschaft nur für Lkw gilt, soll laut System auch die Giulia einhalten. Tempo 50 im Fall von Nebel auf der Autobahn ebenfalls.

Neue Staufächer in Mittelkonsole

Der Stau- und Autobahn-Assistent hält den Abstand zum Vorderwagen (Active Cruise Control), bremst ein, wenn der Vordermann langsamer wird, und beschleunigt wieder. Der Alfa hält auch die Spur – sofern ihm die Kurven nicht zu scharf sind. Spurwechsel ohne zu blinken, mahnt die Limousine über einen lauten Ton und ein vibrierendes Lenkrad an. Der Alfa lenkt sich auch wieder zurück in die Spur. Der Fahrer kann ihn aber über einen höheren Kraftaufwand am Lenkrad überstimmen. Ab und an hakt es. Nach Kuppen zum Beispiel können die Warnungen beim unerwünschten Spurwechsel auch mal ausbleiben.

Adaptive Geschwindigkeitsregelung, Notbremsassistent und Spurhalteassistent sind Serie. Was hat sich bei den Helfern noch getan? Alfa bietet ab 2020 einen Müdigkeitswarner an und erweitert seinen Totwinkel-Assistenten.

Die Mittelkonsole ist aufgeräumt. Aus ihr ragt der Wählhebel für die Achtgang-Automatik, den die Designer in Leder packen und die italienische Nationalflagge in der Fassung unterbringen. Die Mittelkonsole bringt jetzt auch zwei Trinkbecher unter. Diesen Stauraum vor dem Wählhebel hatte es vorher nicht gegeben. Das Smartphone lässt sich kabellos laden.

Fazit

Alfa gelingt mit den Updates für die Giulia eine Verbesserung. Und liefert mehr (und bessere) Argumente, die Mittelklasse-Limousine zu kaufen. Noch nennt Alfa Romeo keine Preise. Die Giulia dürfte aber teurer werden. In Deutschland wird sie es wahrscheinlich weiter schwer haben gegen die deutschen Premiummarken. Dafür ist der Deutsche zu stark verwurzelt mit Mercedes, BMW und Audi.