Fahrbericht neuer Audi R8 RWS (2018)
So fährt der erste Serien-Audi mit Hinterradantrieb

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Im Rennsport ist der R8 schon seit Jahren mit Hinterradantrieb aktiv, jetzt legt auch die Serienfassung ihren Quattro ab. Die Auswirkungen sind nicht plakativ aber erlösend. Fahrbericht.

Audi R8 V10 RWS, Rear Wheel Series, Hinterradantrieb
Foto: Rossen Gargolov

Während BMW den neuen M5 nur mit Allradantrieb unters Volk bringt, geht Audi Sport den umgekehrten Weg. Bisher war der Allradantrieb „Quattro“ quasi das Markenzeichen von Audis Performance-Sparte – bis jetzt. Zur IAA zeigt Audi Sport den R8 V10, weiterhin 540 PS stark – aber nur noch mit Hinterradantrieb. Für Audi ist es das allererste Straßen-Serienmodell in ihrer Firmengeschichte, das nur die Hinterachse antreibt. Bisher kannten wir das nur aus dem Rennsport. In der Rennserie VLN

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Der erste Serien-Audi mit Hinterradantrieb

Die Basis für das neue Modell der „Rear Wheels Series“ bildet der R8 V10 mit 540 PS aus seinem 5,2-Liter-V10-Saugmotor. Der Verzicht auf den Allradantrieb und die zusätzlichen Bauteile wie Kardanwelle, Lamellenkupplung oder Mittendifferenzial bringt laut Audi Sport eine Gewichtsreduzierung von 50 Kilogramm.

Audi R8 V10 RWS, Rear Wheel Series, Hinterradantrieb
Audi Sport
Limitiert: Der Audi R8 V10 RWS wird nur 999 Mal gebaut.

Bedeutet: Statt mehr als 1,6 Tonnen wiegt der neue Audi R8 V10 RWS nur noch 1.590 Kilogramm – ohne Fahrer wohlgemerkt. Die Gewichtsbalance bleibt mittelmotortypisch bei 40,6 : 59,4 Prozent gewohnt hecklastig.

Nachteile? Gibt's auch, wenngleich nur auf dem Papier und am Stammtisch: Statt 3,5 Sekunden für den Standardsprint auf 100 km/h benötigt der hinterradgetriebene R8 RWS nun 3,7 Sekunden für diese Wertungsprüfung. Die Spitzengeschwindigkeit bleibt mit 320 km/h unverändert. Die Getriebearbeit übernimmt weiterhin das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe S-Tronic.

Der R8 RWS – lange Leine fürs ESP

Hinzukommt ein eigens für den RWS abgestimmtes Fahrwerk: Wählt der Fahrer den Fahrmodus „Dynamic“ aus und setzt die Elektronische Stabilitätskontrolle auf „Sport“, sollen kontrollierte Heckschwenks und sogar Drifts möglich sein.

Vom normalen Allrad-R8 hebt sich der RWS auch ab: Der Singleframe-Grill ist mattschwarz lackiert genau wie die Luftöffnungen an der Frontschürze und am Heck. Wer mag, kann sich seinen R8 RWS in den Farben des GT4-Modells folieren lassen.

Preise und Markstart

Der Audi R8 V10 RWS ist ein limitiertes Sondermodell. Es wird eine Auflage von 999 Stück geben, zum Preis von mindestens 140.000 Euro (Coupé), beziehungsweise 153.000 Euro für die ebenfalls erhältliche Spyder-Variante. Damit ist der R8 RWS erheblich günstiger als der normale, allradgetriebene Audi R8.

Bestellbar ist der Audi R8 RWS ab Herbst 2017 – also quasi ab der IAA.

Fahrbericht neuer Audi R8 V10 RWS

Im Grunde ist ein hinterradgetriebener Audi ja erst mal nichts geringeres als eine automobile Sensation. Im Prinzip dasselbe wie ein V6 von BMW oder ein 911 mit Frontmotor, nur eben in positiv. Dennoch – und das betonen die Audianer oft und nachdrücklich wird er eine Ausnahme bleiben. Die große Frage: Warum hat man diese Ausnahme überhaupt gemacht, wo sie uns seit Jahrzehnten doch den Quattro-Antrieb als Allheilmittel für alles verkaufen?

Nun, erstens ist ein Novum derartigen Ausmaßes natürlich ein riesiges PR-Schwungrad, das sich zusammen mit dem Stückzahllimit auf 999 Einheiten – zweitens – wie eine Kurbel auf die R8-Konjunktur auswirken wird. Und drittens dürfte der RWS von Seiten des Entwicklungsaufwands her kein so großer Act gewesen sein. Oder wenigstens ein kleinerer als manch frühere Spezialedition wie paradebeispielsweise der GT aus R8-Episode eins.

Das hat damit zu tun, dass Lamborghini den technischen Geschwistern des R8, sprich Gallardo respektive Huracán, schon des Öfteren die Frontantriebsteile amputierte, sodass man bei Audi wusste, dass man hiermit nicht die Kiste der Pandora öffnete. Andererseits birgt der RWS den großen Vorteil, dass für ihn kaum Komponenten erdacht, entworfen und gefertigt werden müssen, da die wichtigste Zutat tatsächlich das Weglassen ist.

„Weglassen ist das beste Extra!“

Und weggelassen wurde etliches: Kardanwelle, Lamellenkupplung und Vorderachsgetriebe sind raus, klar. Doch weil sich der R8 RWS auch als Purist begreift, als Reduktion auf das Notwendige, entließ man auch allerhand Dynamik-Features, die es – wie sich herausstellt – für die Dynamik gar nicht braucht. Eher im Gegenteil. So gibt es für den R8 RWS weder ein Adaptivfahrwerk noch die variabel übersetzte Lenkung. Stattdessen belässt man es bei den Basiskomponenten, die lediglich auf die veränderten Gegebenheiten angepasst wurden: minimal gestraffte Dämpfer, neun Prozent härtere Stabis vorn, ein auf 1,2 Grad erhöhter Radsturz hinten und ein nachgeschultes ESC, was sich zusammen mit der Lamellen-Sperre, dem wohl bekannten, wollüstigen V10-Sauger und den 50 Kilo Gewichtsersparnis aber zu einem extrem stimmigen Gesamtgebilde summiert – oder besser gesagt subtrahiert.

Audi R8 V10 RWS, Rear Wheel Series, Hinterradantrieb
Rossen Gargolov
Leichter, agiler, fast genauso grippig. Man fragt sich schon, wozu man den Allradantrieb überhaupt noch braucht.

Die Vorderachse liegt lockerer in der Hand, ist klarer zu spüren und reagiert allein schon wegen ihres geringeren Gewichts nun filigraner auf Feinjustierung und Richtungswechsel. Durch den Wegfall ihrer Antriebsfunktion verringern sich zudem die Ausuferungen im Fahrverhalten. Die Untersteuerneigung des RWS fällt unter Last geringer aus, auch weil vorne nichts mehr an ihm zerrt. Und die Lastwechselempfindlichkeit ist aus demselben Grund hier nicht mehr so ausgeprägt. Heißt: Indirekt sind die Auswirkungen des Hinterradantriebs durchaus herauszuspüren, direkt raushängen lässt sie sich Audi allerdings nicht.

Der R8 RWS ist eine subtile Sensation

Und damit wären wir dann bei Dingen wie der Markenphilosophie von der Allgemeinverträglichkeit, bei einer leichten Angst vor der eigenen Courage, die sich darin äußert, dass man dem RWS die 610 PS starke Plus-Stufe des V10 nicht zutrauen wollte. Und wir sind auch bei konzeptionellen Dingen wie dem Fakt, dass der Apparat einfach enormen Grip aufbaut – mit Allrad eh, aber – und das ist so ein bisschen der Hemmschuh fürs Fahrgefühl – auch ohne ihn.

Wer den R8 RWS als Testimonial des Hinterradantriebs erwartet hat, als Unfugsanimateur, als exzessiven Quertreiber oder Burnouter, der mag im ersten Moment etwas enttäuscht sein. Mehr noch: Manch einer wird womöglich nicht mal einen Unterschied ausmachen zu den Allradlern. Denn auch als RWS ist der R8 vor allem eines: Ein R8. Im Auftreten ebenso wie in der Handhabung.

Das Exterieur bleibt bis auf die Lacktatoos im Kundensportlook und die etwas weniger dick aufgetragenen Sideblades nahezu unverändert. Und auch im Cockpit ist bis auf das „1 of 999“-Schildchen, das die unpassende quattro-Plakette ersetzt, erstmal alles wie gewohnt. Gewohnt, nicht gewöhnlich, Ausrufezeichen.

V10-Saugmotor mit 540 PS

Der Startknopf sitzt als Satelittentaste in direkter Umlaufbahn des Hupenknopfs. Ein Klick, donnerndes Grollen, dann ist er wach der 540 PS starke, 540 Nm kräftige 5,2-Liter, der einen jedes Mal aufs Neue daran erinnert, dass es so vorbei mit der guten Zeit noch längst nicht ist. Nur ein Thema scheint für alle Zeit erledigt zu sein, zumindest bei Audi. Die Rede ist von der Handschaltung.

Audi R8 V10 RWS, Rear Wheel Series, Hinterradantrieb
Rossen Gargolov
Beinahe schon klassisch: das digitale Cockpit passt perfekt zum hochtechnischen, wenngleich in dieser Fassung recht puristischen Audi.

Zum Purismus-Ansatz des RWS hätte die zwar besser gepasst als der sterile, wenngleich zweifelerhabene Doppelkuppler – erst recht, wenn man sich an die offene Schaltkulisse der Vorgänger-Baureihe zurückerinnert. Leider sei ihr Verkaufsanteil aber auch damals schon so marginal gewesen, dass man sie sich nicht mehr leisten kann und möchte. Und nein, Herr Helmreich, auch nicht wenn Sie ganz lieb Bitte sagen.

So legt der R8 eben automatisch ab, rockt durch die Sportabgasanlage, schussert den Mittelmotor durch die sieben Gänge, während man als Fahrer permanent damit beschäftigt ist, das Popometer nach klaren Anzeichen für einen Hinterradantrieb abzutasten. Nach Sidesteps, nach kleinen Quersteherchen bei forschem Abzweigen, oder nach Wheelspin, wenn man das Gaspedal zu Boden stempelt. Nach irgendwas. Doch alles, was man aufspüren kann, sind bestenfalls Ansätze davon, Indizien, Spuren. Im Umkehrschluss: Um die neue Facette des R8 komplett freizulegen, sind Landstraßen das falsche Instrument.

Und weil man sich dessen offenbar bewusst war bei Audi Sport, hatte man da was vorbereitet: einen Pylonenparcour auf einer Betonfläche – einen Bolzplatz sozusagen. Anfangs wundern wir uns zwar noch ein wenig über dessen Weitläufigkeit, witzeln, dass man hier auch einen Gelenkbus querfahren könnte, stellen dann aber recht zügig fest, dass ein wenig Auslauf gar nicht schadet. Denn auch wenn die Schwelle zum Haftungsabriss niedriger liegt als bei den Quattros, musst du auch beim RWS kräftig reinhalten, um das Heck lose zu bekommen. Dabei führen zwei Wege zum Ziel. Der eine ist jener der Gewalt: Anpendeln, damit du nicht über die Vorderräder wegdümpelst, dann feste einschlagen und den mechanischen Grip mit einem saftigen Gasstoß überwinden. Jetzt sollte sich was rühren im Heck. Falls nicht, beginnen Sie nochmal von vorn. Falls doch, ist Vorsicht geboten, damit einen die schwingende Mittelmotor-Hüfte nicht in einen kapitalen Dreher grätscht.

Audi R8 V10 RWS, Rear Wheel Series, Hinterradantrieb
Rossen Gargolov
Die Vorderachse liegt lockerer in der Hand, ist klarer zu spüren und reagiert allein schon wegen ihres geringeren Gewichts nun filigraner auf Feinjustierung und Richtungswechsel

Wir raten daher zu Weg Nummer zwei, zum eleganteren. Er beginnt mit Anbremsen, genauer gesagt, indem man den Anbremsvorgang in die Kurve zieht. Dadurch fängt das entlastete Heck nämlich ganz von alleine an, ganz zart um die Vorderachse zu rotieren. Und diese Aufforderung zum Tanz kann man nun entweder als Ansporn für die Querdynamik nutzen, also als Mechanismus, um sich besser auf den Scheitelpunkt auszurichten. Oder man erwidert sie mit Last und zieht sie zu einem weiten, ausgelassenen Drift, der sich, wenn es Lenkwinkel und Kurvenverlauf hergeben, übrigens problemlos über mehrere Gänge aufrecht erhalten lässt. Reifenrauchfahne inklusive. Bei einem Audi! Sachen gibt‘s.

Preis als Durchschlagsargument

Mit der Begeisterung für den RWS wachsen aber auch leichte Zweifel am eigentlichen Antriebskonzept, am Allradantrieb, den der R8, wenn wir uns ihn hier so anschauen, all die Jahre eigentlich umsonst mit sich herumgeschleppt hat. Traktionsunterschiede spürt man – einen vernünftigen Umgang mit der Hardware mal vorausgesetzt – im Alltag allenfalls auf nasser Fahrbahn oder Schnee, dazu macht der Hinterradantrieb das Handling zu einem leichtfüßigeren, zu einem direkteren.

Fazit

Und dann – als dickes Ende, das ja bekanntlich immer zum Schluss kommt – kostet der RWS in der Basis auch ganze 26.000 weniger als der reguläre V10! Ja, weniger, trotz Stückzahllimit, was wohl die eigentliche Sensation an ihm ist.

Technische Daten
Audi R8 Coupé 5.2 FSI RWS
Grundpreis144.000 €
Außenmaße4426 x 1940 x 1240 mm
Kofferraumvolumen112 l
Hubraum / Motor5204 cm³ / 10-Zylinder
Leistung397 kW / 540 PS bei 7800 U/min
Höchstgeschwindigkeit320 km/h
Verbrauch12,4 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten