BMW 650i Cabrio im Fahrbericht
407 PS starker 6er für Frischluftfans

Das BMW 6er Cabrio bezeichnet BMW nach wie vor als 2+2-Sitzer, doch das ist untertrieben: Die deutlich gewachsene Neuauflage verwöhnt ihre Passagiere mit vier exquisiten Einzelsitzen, feinster Technik sowie reichlich Frischluft. Wir führten den BMW 650i zum ersten Fahrbericht aus.

BMW 650i Cabrio
Foto: Hans-Dieter Seufert

„Bei der Entwicklung von solch einem Auto ist jeder einzelne Zentimeter ein Kampf.“ Frank Ochmann kann inzwischen wieder lachen, doch der Projektleiter für das BMW 6er Cabrio wirkt, als sei dies in den letzten viereinhalb Jahren nicht immer so gewesen. „Da will der Karosseriemann vom Designer schon mal etwas genauer wissen, wie er denn bestimmte Formen ins Blech zu pressen gedenke.“ Genügend Zentimeter für viele Kämpfe sind in jedem Fall zusammengekommen.

Mit 4,89 Metern überragt das BMW 6er Cabrio seinen Vorgänger um 74 Millimeter, die komplett in den Radstand geflossen sind. Die Vorzüge des Alten galt es weiter auszubauen, nämlich vier Personen kommod unterzubringen und selbst bei geöffnetem Dach noch einen vernünftigen Kofferraum zu bieten – Eigenschaften, die unter offenen Luxussportlern à la Jaguar XK oder Maserati Gran Cabrio nur eingeschränkt zu finden sind. Tatsächlich sitzen auch über 1,80 Meter große Mitfahrer im Fond des 6er Cabrios erstaunlich entspannt und werden selbst bei geschlossenem Verdeck nicht zum Kopfeinziehen genötigt.

BMW 6er Cabrio hat zahlreiche Assistenzsysteme an Bord

Die bevorzugten Plätze befinden sich im BMW 6er Cabrio jedoch vorn, wo Fahrer und Copilot auf bekannte Elemente aus BMW 5er und 7er blicken – wie die Klimaregler oder den Instrumententräger mit seiner Mischung aus chromumrandeten Analoguhren und Farbdisplays. Aber es gibt auch Neues: So wurde der 10,2 Zoll große Infotainment-Bildschirm nicht wie bei den Limousinen integriert, sondern wie ein kleiner Flachbildfernseher auf dem Armaturenbrett platziert.

Wer sich im BMW 6er Cabrio für ein Head-up-Display entscheidet, bekommt Abbiegepfeile und Tempolimits erstmals vollfarbig auf die Windschutzscheibe projiziert. Damit lassen sich vor allem Verkehrsschilder originalgetreu darstellen. Vom Spurwechselassistent über das Nachtsichtgerät samt Personenerkennung bis hin zum Onlinezugang kann das 6er Cabrio darüber hinaus mit sämtlichen Elektronikoptionen von BMW bestückt werden. Hierzu gehören nicht weniger als fünf Videokameras in Frontschürze, Außenspiegeln und Kofferraumdeckel, die sich auf dem Bordmonitor zum Rundumblick zusammenschalten lassen und das Rangieren erleichtern sollen. Keine sinnlose Spielerei, denn allzu übersichtlich geriet die schicke Karosserie nicht.

Offener 6er trägt weiterhin eine Stoffmütze

Obwohl beim neuen BMW 6er Cabrio kein Blechteil erhalten blieb, gab es bezüglich des bewährten Stoffdachs keine Diskussionen. Warum auch, denn mit seinen spitz auslaufenden Finnen sieht es immer noch elegant-filigran aus, lässt sich platz-sparender zusammenfalten als jedes Klapp-Hardtop und verschwindet zudem auf Knopfdruck bis 40 km/h während der Fahrt. Bleiben durfte auch die senkrecht stehende Heckscheibe, die sich unabhängig vom Verdeck betätigen lässt, um sich beim Offenfahren als Windschott und bei geschlossenem Dach als zusätzlicher Zwangsentlüfter nützlich zu machen.

Beim Thema Motorsound weiß Ochmann hingegen von leidenschaftlichen Diskursen zu berichten, bei denen sich Flüster- und Attacke-Lager lange Zeit unversöhnlich gegenüberstanden. Also Dach runter, Startknopf drücken und horchen, wie die Sache ausgegangen ist. Im Leerlauf und beim gemütlichen Cruisen ist vom V8 des BMW 6er Cabrio so gut wie nichts zu hören. Die serienmäßige Achtgangautomatik schaltet früh, und bei geschlossenen Seitenscheiben macht im Fahrbericht selbst der Wind einen weiten Bogen um den Innenraum.

BMW 650i Cabrio wiegt fast zwei Tonnen

Hat sich die Sound-Fraktion beim BMW 6er Cabrio etwa über den Tisch ziehen lassen? Oh nein, der 4,4-Liter kann nämlich auch anders: Vollgas bedeutet Schub ohne Ende sowie ein Orchester, in dem der 407 PS starke Direkteinspritzer gleichzeitig Bass, Trompete und Schlagzeug spielt. Mit dem von 5er und 7er abgeleiteten Fahrwerk aus Alu-Doppelquerlenkern vorn und Integral-Hinterachse lässt sich das BMW 650i Cabrio im Fahrbericht darüber hinaus markentypisch leichtfüßig und präzise dirigieren – was umso mehr erstaunt, als das Leergewicht auf knapp zwei Tonnen wuchs. Immer schärfere Sicherheitsanforderungen konterkarierten die Bemühungen von Ochmanns Team, überflüssige Pfunde über vermehrten Alu- und Kunststoff-Einsatz wettzumachen.
 
Dass die Karosserie des BMW 6er Cabrio 50 Prozent steifer geriet als beim Vorgänger, nimmt man den BMW-Ingenieuren daher gern ab. Selbst auf schlechtem Belag hält sich cabriotypisches Rückspiegel-Zittern in Grenzen, während Knarzgeräusche sogar überhaupt nicht auszumachen sind. Auf den optionalen 19-Zoll-Rädern schlagen kurze Unebenheiten allerdings kernig durch. Die adaptiven Dämpfer auf Komfort zu stellen, bringt hier nur wenig Linderung.  Pünktlich zum Frühlingsbeginn im März startet das BMW 6er Cabrio außer als V8 noch mit einem aufgeladenen Sechszylinder-Benziner, der im 640i auf 320 PS kommt.

Auf das BMW 6er Cabrio folgt das Coupé

Der Verzicht auf zwei Zylinder und 87 PS spart im BMW 6er Cabrio nicht nur 11.000 Euro; von einem Start-Stopp-System unterstützt, wartet der Reihenmotor mit einem um fast drei Liter geringeren Normverbrauch auf. Die geschlossene Version folgt im Herbst, während der Sechszylinder-Diesel, für den sich im Vorgänger immerhin 60 Prozent der europäischen Käufer entschieden, bis nächstes Jahr auf sich warten lässt.

Ebenfalls 2012 folgt die dritte Variante des BMW 6er, deren Studie als Gran Coupé auf der letzten Peking Motor Show zu sehen war. Der Viertürer soll mit seinem filigranen Dach Interessenten von Audi A7, Mercedes CLS und Porsche Panamera den Kopf verdrehen. Beim Thema M6 wird Ochmann zwar etwas einsilbig; sein zufriedenes Lächeln signalisiert jedoch, dass er für dessen Realisierung keine großen Kämpfe mehr bestreiten muss.  

BMW 6er Cabrio ist die hübsche Schwester des 7er

So sinnvoll Fußgängerschutzauflagen ja sein mögen, bei Sportwagen sind sie besonders schwer einzuhalten. „Sogar der Winkel zwischen Radlauf und Motorhaube ist genau vorgeschrieben“, stöhnt Nader Faghihzadeh, der für das Exterieur-Design des neuen BMW 6er Cabrio verantwortlich ist. Trotz aller bürokratischer Hindernisse darf seine Mission, „die hübsche Schwester des 7er“ zu kreieren, als gelungen bezeichnet werden.

Spürbar länger und breiter, dazu noch einen Tick flacher als der Vorgänger, wirkt das BMW 6er Cabrio in jedem Fall deutlich dynamischer proportioniert. Seine weichen Formen, bei denen sich Faghihzadeh von fließendem Wasser und Wellenbewegungen inspirieren ließ, polarisieren zudem weniger als die des kantigen Vorgängers mit seinem üppigen Kofferraum-Bürzel. Überhaupt greift er das Thema Wasser mehrmals auf: So soll das auf Gürtellinien-Höhe rund ums Auto laufende Chromband, das auch bei geschlossenem Dach sichtbar bleibt, Assoziationen zu einem Bootsdeck herstellen.

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