Fahrbericht Ferrari F12 TdF
Probefahrt in einem infernalischen V12-Geschoss

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Ja, auch Ferrari hat schon das Sakrileg begangen und baut Supersportler mit Turbomotor. Aber der F12 tdf ist ein Frontmotor-V12 von altem Schrot und Korn: 6,3 Liter Hubraum, fast 9.000/min, fast 800 PS, weniger als 1.500 Kilogramm und Allradlenkung. Klingt abenteuerlich, fährt sich aber unerwartet zivil. Mit einer Ausnahme.

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Foto: Achim Hartmann

Selbst die meisten der in Fiorano versammelten Journalisten sind ob des Kürzels „tdf“ etwas ratlos. Das td stehe wohl kaum für „Turbodiesel“, witzelt einer. Das Kürzel steht für „Tour de France“, und es hat nichts mit dem gleichnamigen Radrennen zu tun, sondern mit dem Auto-Straßenrennen Tour de France de Automobil, das zwischen 1951 und 1986 in Frankreich startete, erst als Straßenrennen ähnlich der Mille Miglia, später als Rallye.

Ferrari F12 tdf heißt „Tour de France“

1956 gewann zum ersten Mal ein Ferrari-Pilot, der Teilzeit-Rennfahrer und Playboy Alfonso de Portago, in einem 250 GT den Wettbewerb. Sein Auto hatte einen auf 2600 Millimeter verkürzten Radstand sowie eine von Pininfarina entworfene und bei Scaglietti gebaute, schlichte, aber umwerfend schöne Leichtmetallkarosserie.

Anschließend gewann die Scuderia mit drei Generationen des 250 GT, einschließlich des GTO, noch achtmal die Tour de France, und zur Erinnerung an de Portagos Auftaktsieg erhielt die 250er Berlinetta von 1956 mit auf 2600 Millimeter gestutztem Radstand den Beinamen Tour de France.

Auf 799 Exemplare limitierte Stückzahl

Zurück zur Gegenwart ins Hinterland der Emilia-Romagna, in den neuen Ferrari F12 tdf, einem auf 799 Exemplare limitierten Sondermodell des F12.

Wrumm, mit Halbgas fliegt der F12 tdf den Berg hoch, als würde er von einem Dampfkatapult in die nächste Kehre geschossen. Der zweite Gang heult bis kurz vor die 9.000er-Markierung im Drehzahlmesser, die LED-Blitze im Lenkrad laufen zusammen, rums ist der nächste Gang drin. Dann ein kurzer Tritt auf die Bremse, und der F12 fährt wie vor eine Wand, einen Gang zurück zappen, einlenken, etwas Gas, durch die Kehre, noch mal wroooap, weiter.

780 PS, weniger als 1.500 kg – das klingt nach brutaler Fahrmaschine, in der man sich hier in den Bergen wie beim Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer fühlt. Nicht so im Ferrari. Trotz der enormen Fahrleistungen, der ausgefeilten Aerodynamik und den brachialen Bremsen ist dieser F12 ein mustergültig beherrschbarer Sportwagen mit Kontrolleinheiten, die auf feinste Bewegungen reagieren und kristallklare Rückmeldungen liefern.

V12-Frontmotor und Allradlenkung

Die Lenkung spricht extrem direkt an, dabei wechselt der tdf so spontan die Richtung wie ein durch Slalom-Tore fegender Skifahrer, keine Spur von Untersteuern. Erst später auf der Rennstrecke bei sehr nachhaltigem Gaseinsatz neigt das Heck zum Austanzen. Passo corto virtuale heißt die Zauberformel für die Handlichkeit des F12 tdf.

Vor der Ausfahrt verraten die Ferrari-Ingenieure, was dahintersteckt: Als erster Ferrari hat der F12 tdf eine Allradlenkung. Elektrische Aktuatoren von ZF bewegen die beiden Hinterräder in Abhängigkeit von Lenkwinkel, Querbeschleunigung, Geschwindigkeit und in Kooperation mit der elektronischen Differenzialsperre, der Traktionskontrolle und den ABS-Sensoren um maximal 1,5 Grad, um so größere Agilität bei gleichzeitig extrem hoher Kurvenstabilität zu erreichen.

Das alles ist auf der Landstraße nicht zu spüren, außer dass der tdf bei scheinbar beliebig hoher Geschwindigkeit durch alle entgegenkommenden Kurven fegt, so unerschütterlich und stoisch wie ein aberwitzig schnelles Schienenfahrzeug.

Ferrari F12 tdf: Super-Sauger mit aberwitzigen Fahrleistungen

Natürlich ist nicht nur die Allradlenkung neu am tdf, dem Motor haben sie in Maranello ebenfalls ein wenig auf die Sprünge geholfen, unter anderem mit mechanischen Tassenstößeln ohne hydraulischen Spielausgleich und mit stufenlos variablen Ansaugrohren, wie sie in den alten V10-Formel-1-Motoren üblich waren. Dazu kommt ein durchsatzfreudigerer Ansaugtrakt mit größerem Drosselklappendurchmesser.

780 PS bei 8.500 Umdrehungen sowie ein Drehzahllimit von 8.900 Umdrehungen sind das Ergebnis und 705 Nm maximales Drehmoment bei 6.250 Umdrehungen. Der Zwölfzylinder mit dem ungewöhnlichen Bankwinkel von 65 Grad ist dabei kein braver, aber ein sehr folgsamer Geselle, der jeden Millimeter Gaspedalweg mit extrem schneller und williger Reaktion quittiert. So gesehen sind die sieben Gänge des Doppelkupplungsgetriebes ein überflüssiger Luxus, der Motor käme auch gut mit fünf oder sechs Fahrstufen aus. Dennoch sind die Gänge in der tdf-Schaltbox enger gestuft, zudem gehen die Schaltvorgänge nun etwas fixer.

Beinahe unnötig zu erwähnen, dass der tdf etwas fixer beschleunigt als der normale F12: Als erster Straßen-Ferrari soll er unter drei Sekunden auf 100 km/h sprinten, bis 200 km/h vergehen weniger als acht Sekunden. Und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 340 km/h, was in Italien ja so theoretisch ist wie etwa ausgeglichene Staatsfinanzen.

Der Ferrari F12 tdf kann auch Rennstrecke

Aerodynamisch hat der tdf ebenfalls aufgerüstet. Der Unterboden wurde optimiert, Luftleitwände beschleunigen den Fahrtwind und die Abluft der Kühler unter dem Auto, was zusammen mit den seitlichen Leitwerken und dem Heckdiffusor für Downforce sorgt. Vorn portioniert ein kompliziertes Leitwerk aus Deltaflügelchen, Splittern und Flaps den Wind. Auch das ist selbst bei schneller Landstraßenfahrt natürlich nicht zu merken, ebenso wenig wie das um über 100 kg niedrigere Gesamtgewicht.

Zum Glück gibt es Fiorano, die kleine Teststrecke rund um Enzo Ferraris Wohnhaus. Drei Sekunden schneller als der Vorgänger 599 GTO und noch zwei Sekunden schneller als der F12 mit 740 PS soll der tdf auf dem Kurs sein. Vier kurze Runden reichen, um die Eindrücke von der Landstraßenfahrt zu verdichten: überwältigende, doch gut kontrollierbare Power, feine, mitteilsame Lenkung, unendlicher Grip und fast unerschütterliche Neutralität.

Und Bremsen, die selbst mit sehr optimistisch gewählten Bremspunkten kaum in Verlegenheit zu bringen sind. Und da wir schon dabei sind: saubere, makellose Verarbeitung im sehr einfach gehaltenen Cockpit, das schlicht und schwarz in Kohlefaser und Alcantara möbliert ist.

Zwar teuer, aber sowieso schon ausverkauft

Das macht Lust auf mehr, klar. Doch die Hürden sind hoch: 379.000 Euro kostet ein F12 tdf in Deutschland, theoretisch jedenfalls. Denn praktisch ist die auf 799 Exemplare limitierte Serie schon vor Produktionsbeginn ausverkauft. Einer der 84 gebauten alten 250 TdF wurde übrigens im September bei Sotheby’s auktioniert – für rund sieben Millionen Euro.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten