Ferrari SF90 Stradale
So fährt der Hybrid mit 1.000 PS

Der Ferrari SF90 Stradale ist nicht nur der erste Plugin-Hybrid von Ferrari, sondern auch der erste Supersportwagen aus Maranello mit einer Nennleistung von 1.000 PS.

Ferrari SF90 Stradale
Foto: Hans-Dieter Seufert

Was für ein Service, vor dem heutigen Fahrtermin bekommen wir sogar den Asphalt vorgewärmt. Sechs Uhr einunddreißig – plötzlich ruht der morgendliche Berufsverkehr und kein Geringerer als Ferrari-Werksfahrer Charles Leclerc glüht mit seinem Formel-1-Rennwagen aus dem Haupttor des Ferrari-Werks über die öffentlichen Straßen von Maranello zur Testrennstrecke Fiorano. Eine nachträgliche Geburtstagsparty für die Scuderia Ferrari. Das legendäre Formel-1-Rennteam feierte Ende 2019 sein 90-jähriges Gründungsjubiläum. Das offizielle Geschenk zu besagtem Geburtstag dürfen wir heute testen: Willkommen im Ferrari SF90 Stradale – dem ersten Ferrari-Supersportwagen mit 1.000 PS.

Unsere Highlights

Fahrerlager Ferrari-Testrennstrecke Fiorano – bereits jetzt ein Morgen der Superlative, ohne einen Meter selbst gefahren zu sein. Rechts im Innenhof, an dessen Ende majestätisch die weiße Villa von Firmen-Gründer Enzo Ferrari thront, wuseln die Rennmechaniker um den Formel-1-Boliden herum, während links hinter der Boxengasse sieben Ferrari SF90 Stradale in der traditionell roten Ferrari-Lackierung "Rosso Corsa" um die Wette glänzen.

Formel-1-Pilot lobt den Ferrari SF90 vorab

"In den Kurven fühlt sich der Wagen deutlich leichter an, als er es ist. Es ist erstaunlich, wie wenig man das Gewicht spürt. Der Wagen ist sehr agil", erzählt F1-Pilot Leclerc, der sich mittlerweile aus seinem roten Rennanzug geschält hat. Während andere in seinem Alter auf Erstsemesterpartys rumturnen, preist der 22-jährige Monegasse hochprofessionell die Vorzüge des SF90 Stradale an: "Es kein langweiliges, untersteuerndes Fahrzeug, sondern es ist leicht übersteuernd ausgelegt. Trotzdem ist der Wagen einfach zu beherrschen. Viel Spaß damit!"

Vor dem Spaß wartet ein Mix aus Emotionen und Reizüberflutung. Der SF90 öffnet seine Türen mit einem herkömmlichen Türmechanismus statt mit pompösen Schmetterlingstüren, wie sie der LaFerrari von 2013 trug. Während der SF90 äußerlich auf ein etwas dezenteres Design als sein extrovertierter Supersportwagen-Vorgänger setzt, wirkt das SF90-Interieur umso futuristischer. Design und Ergonomie im Innenraum können sie bei Ferrari so gut wie Tagliatelle al ragù in Schumis ehemaliger Stammkneipe bei Mamma Rosella hinter dem Ferrari-Werk.

Italienisch digital hat immer noch Herz

Sichtcarbon und edles Leder umgarnen die Passagiere. Rein in die Schalensitze mit hervorragendem Seitenhalt und tiefer Sitzposition. HMI (Human Machine Interface), auf Deutsch "Mensch-Maschine-Schnittstelle", nennen sie auch bei Ferrari das Bediensystem im Innenraum. Ferrari-typisch steuert der Pilot im SF90 sämtliche Fahrzeugfunktionen über das Multifunktionslenkrad. Neben den Tasten für Blinker, Scheibenwischer und Fernlicht sowie dem traditionellen Manettino-Drehregler, der die fünf Fahrprogramme (Wet, Sport, Race, CT off, ESC off) aktiviert, dominieren in der neuesten HMI-Generation ein Touchpad und haptische Bedienelemente das Lenkrad. Streichen und Tippen statt Tastendrücken – die Smartphone-ähnliche Bedienlogik ist nun selbst bei Ferrari auf dem Vormarsch.

Ferrari SF90 Stradale
Hans-Dieter Seufert
Die Sitze sind klasse, das Cockpit volldigital, der analoge Drehzahlmesser leider weg.

Einen roten Startknopf drücken? Das war einmal. Wie weckt man den SF90 Stradale? Bremse treten, dann auf den weiß leuchtenden Engine-Start-Stop-Schriftzug am unteren Lenkradkranz tippen. Das digitale Schauspiel beginnt: Die zuvor schwarzen Touch-Flächen am Lenkrad erwachen und geben mit leuchtenden Symbolen ihre Funktion preis. Das digitalisierte Cockpit mit seinen umfassenden Funktionen erfordert etwas Vorbereitung (Betriebsanleitung lesen ist hier keine verschwendete Lebenszeit!). Anschließend gewöhnt man sich schnell an die Bedienung.

Der gelbe Drehzahlmesser ist weg!

Etwas Wehmut schwingt angesichts der Digitaloffensive jedoch mit. Den mittigen, traditionell meist gelben, mit Ferrari-Pferdchen dekorierten und vor allem analogen Drehzahlmesser haben sie nämlich in die Rente geschickt. Egal, ob bildschirmfüllende Navigationsgrafik, mittiger Drehzahlmesser in Analog-Gedächtnisoptik oder Anzeigen für die verschiedensten Fahrzeugfunktionen – das, was sich früher einmal Kombiinstrument nannte, ist nun ein gewölbtes 16-Zoll-HD-Digitaldisplay mit variablen Konfigurationsmöglichkeiten.

Entdeckung am unteren Bildrand: Neben einem orangen Balkendiagramm mit Zapfsäulen-Symbol, das über den Füllstand des 68-Liter-Tanks informiert, findet sich noch ein grünes Balkendiagramm nebst einem Batterie-Symbol. Der kann doch nicht etwa? Doch er kann. Der SF90 Stradale ist der erste Plug-in-Hybrid von Ferrari und kann rein elektrisch bis zu 25 Kilometer weit fahren. Neben dem besagten Manettino-Drehregler für die fünf Fahrdynamikeinstellungen trägt das Lenkrad daher auch ein sogenanntes eManettino ("e" steht für Energy), über das die vier verschiedenen Betriebsstrategien des SF90 Stradale gesteuert werden.

Kein V8-Gebrüll weckt die Nachbarn des Ferrari SF90

Los geht’s im eDrive-Modus. Dort, wo im Drehzahlmesser sonst eine Ziffer für den jeweiligen Gang angezeigt wird, steht nun das Kürzel "eD". Sommerliches Vogelzwitschern in Fiorano – der SF90 Stradale ist der erste Supersportwagen von Ferrari, dessen Startprozedere seine Umwelt nicht mit einer Explosion verschreckt, sondern sich völlig geräuschlos bereit macht. Grandios, Nachbarschaftskrisen haben ausgedient. Ab sofort können sich Ferrari-Piloten zur frühmorgendlichen Landstraßenjagd akustisch fast unbemerkt aus den Wohngebieten schleichen. Und genau das werden wir jetzt machen – runter vom Rennstreckengelände in Fiorano, vorbei am Ferrari-Werk, raus aus Maranello.

Während die Geschwindigkeitsanzeige auf Stadttempo klettert, ruht die digital projizierte Drehzahlnadel auf null. Egal, ob Porsche 918 Spyder, BMW i8 oder jetzt der SF90 das Fahrgeräusch von Elektromotoren variiert – unabhängig von der der dargebotenen Leistung – irgendwie immer nur in Nuancen. Auch die Elektro-Stimme des SF90 Stradale erinnert in rein elektrischer Gangart an das Beschleunigungssirren einer Straßenbahn.

Die Faszination im elektrischen Fahrbetrieb generiert der SF90 Stradale aus der Gegensätzlichkeit. Elektro und Supersportwagen – das gehört in unseren Köpfen irgendwie immer noch nicht so richtig zusammen. Auf der leicht verstauten Verbindungsetappe zu den einsamen Landstraßen in der Emilia-Romagna haben wir kurz Zeit das faszinierende Technikkonzept des Hybrid-Supersportlers genauer vorzustellen.

Drei E-Motoren, vier angetrieben Räder

Über die Hybrid-Technik könnte man locker ein ganzes Buch füllen. Der Antriebsstrang kombiniert drei Elektromotoren mit dem stärksten Serien-V8 der Ferrari-Historie. Zwei Elektromotoren treiben die Räder an der Vorderachse an. Im rein elektrischen Betrieb und beim Rückwärtsfahren ist der SF90 Stradale als Fronttriebler unterwegs. Die Höchstgeschwindigkeit liegt im eDrive-Modus bei 135 km/h.

Die dritte E-Maschine sitzt zwischen dem längs in Mittelmotor-Anordnung platzierten Verbrennungsmotor und dem Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Der V8-Biturbo ist für den Antrieb der Hinterräder verantwortlich. Im Hybrid-Betrieb wird der SF90 Stradale somit auch zum ersten Ferrari-Supersportwagen mit Allradantrieb. Ab 210 km/h koppelt sich die elektrisch angetriebene Vorderachse wieder ab und der SF90 Stradale ist dann als Hecktriebler unterwegs.

60 PS mehr für den V8, 1.000 PS für den SF90 Stradale

Den aus dem F8 Tributo bekannten V8-Biturbo der Motorenbaureihe F154 verfeinerten die Ferrari-Entwickler nochmals. So wurden unter anderem Zylinderköpfe, Nockenwellen, Kolben, Pleuel und die Kurbelwelle sowie die Ansaug- und Abgasanlage komplett neu entwickelt. Dank umfassenden Modifikationen baut das Triebwerk nicht nur 76 Millimeter flacher und hat einen tieferen Schwerpunkt, sondern soll auch 25 Kilo weniger wiegen. Dank größerer Zylinderbohrung wuchsen Hubraum (4 Liter statt bisher 3,9 Liter), Nennleistung (780 statt 720 PS) und maximales Drehmoment (800 statt 770 Nm). 163 kW (220 PS) steuern die Elektromotoren bei. Ergebnis: eine vierstellige Systemleistung und der mit 1000 PS stärkste Serien-Ferrari aller Zeiten.

Ferrari SF90 Stradale
Hans-Dieter Seufert
Der V8 hatte schon ohne Hybridunterstützung kaum ein Turboloch.

Genug im eDrive-Modus rumgegondelt. Auch der Hybrid-Modus, in dem der SF90 wechselnd eine effiziente Betriebsstrategie aus rein elektrischem Fahren, Rekuperation und kombiniertem Hybrid-Antrieb mit Verbrenner wählt, interessiert nun für die Kurvenjagd auf der Landstraße nicht. Auf der eManettino-Touchfläche des Lenkrads leuchtet jetzt eine schwarzweiß karierte Zielflagge auf. Gleichzeitig meldet sich der V8-Biturbo dunkel knurrend zu Wort. Der Hybrid-Supersportler spannt nun im sogenannten Performance-Modus seine Muskeln richtig an. Soll heißen: Im Performance-Modus läuft der Verbrenner dauerhaft. Dabei wird die 72 Kilo schwere und im Chassis hinter den Sitzen platzierte 350-Volt-Hochvoltbatterie wieder aufgeladen. Statt Effizienz steht jetzt die Power im Vordergrund.

Die Schieberegler auf der Mittelkonsole für die Anwahl der Getriebefunktionen (Automatikmodus, manueller Getriebemodus, Rückwärtsgang) und die Launch-Control erinnern optisch an eine offene Kulissen-Schaltung längst vergangener Tage. Herrlich! Emotionales Design hatten sie bei Ferrari schon immer drauf.

Was ist ein Jump-Start? Das ist ein Jump Start!

Bremse treten, Launch-Control aktivieren, Vollgas, Bremse lösen – Aus dem Morgen der Superlative wird der ultimative Erlebnis-Vormittag. Der SF90 Stradale sprintet so explosiv wie einst Usain Bolt aus den Startblöcken. Schlupf? Ist grade aus. Wenn man das Glück hat, des Öfteren Sportwagen testen zu dürfen, gewöhnt man sich an hohe Motorleistungen. Aber auf den SF90 Stradale bereitet Dich auch ein langes Testerleben nicht vor. Er raubt selbst anspruchsvollsten Sportwagenfahrern den Atem, während er sie mit seiner feisten Beschleunigung in die Carbon-Schalen schmettert. Für ein Turboloch war diese V8-Biturbo-Baureihe nie bekannt, aber dank der Unterstützung durch die Elektromotoren reagiert der SF90-Antriebsstrang fast so spontan auf Gaspedalbefehle wie feinnervigste Sauger. So schnell wie der V8-Biturbo bis zum Begrenzer bei 8.000/min hochdreht, kommt man fast nicht mit dem Ziehen der rechten Lenkradwippe zum Hochschalten hinterher. 2,5 und 6,7 Sekunden – die faszinierenden Werksangaben über die signifikanten Stammtischmarken auf 100 und 200 km/h sind auch ohne Messtechnik sofort glaubhaft. Den Topspeed von 340 km/h nehmen wir dem Tiefflieger ebenfalls ab.

Ferrari SF90 Stradale
Hans-Dieter Seufert
Auf ebenem Asphalt kennt der SF90 keine Traktionsprobleme.

Unter Volllast schreit der SF90 Stradale nicht wie einst sein hochdrehzahlkreischender Saugmotor-Vorgänger LaFerrari, dessen stolzer 6,3-Liter-V12 mit 800 PS hochemotional bis 9.250 Touren drehte. Aber trotz weniger extrovertiertem Klang fasziniert der SF90 Stradale akustisch. Auch den kleinsten Gaspedallupfer quittiert der V8-Biturbo mit zischenden Abblasgeräuschen und macht damit seine Motorentechnik hautnah erlebbar.

Leute, haltet die Straße fest!

Mit bärenstarker Allrad-Traktion will der Hybrid-Held eher den italienischen Landstraßen-Asphalt wegreißen als seine Räder durchdrehen lassen. Auf ebener Piste bringt der teilelektrische Vierradler die Leistung mit sehr guter Traktion auf den Boden. Sobald das Asphaltband jedoch von rissiger und welliger Patina gegerbt ist, ist sanfteres Dosieren des Gasfußes angesagt. Besonders bei Entlastung auf stärkeren Bodenwellen fühlt man dann subjektiv auch mal an allen vier Rädern kurzzeitig Schlupf.

Erst rot, dann blau blinkend – dank der bei Ferrari traditionellen LED-Schaltlampen im oberen Lenkradkranz fühlen wir Ottonormalos uns auch sofort ein bisschen wie Vettel und Leclerc. Jetzt, Hochschalten! Nach Zupfen der rechten Schaltwippe, die eher an eine Carbon-Sichel erinnert, klopft das neue Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe unter Volllast die Gänge blitzschnell mit der Sanftheit einer Abrissbirne rein. Klar, hier will ein maximales Drehmoment von 800 Newtonmeter verdaut werden.

Kein Rückwärtsgang – Gewicht sparen dank E-Motor

Im Vergleich zum ohnehin schon fix schaltenden Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe des 488 Pista spendierten die Ferrari-Ingenieure nicht nur einen weiteren Gang, sondern reduzierten auch nochmals die Schaltzeit (von 300 ms auf 200 ms). Die Achtgang-Schaltbox wiegt außerdem 10 Kilo weniger als die bisherige Siebengang-Version. Die Gewichtsreduzierung ist unter anderem auf den Wegfall des Rückwärtsgangs zurückzuführen. Fürs Rückwärtsfahren sind ausschließlich die beiden E-Motoren an der Vorderachse verantwortlich.

Was er vorwärts im Grenzbereich drauf hat, zeigt der SF90 Stradale auf seiner Heimrennstrecke Fiorano. Manettino auf Fahrprogramm "CT off" drehen und die elektronischen Fahrhilfen ziehen sich für eine schnelle Runde weitgehend zurück. Anders als mit komplett deaktivierter Regelelektronik (Modus: ESC off) arbeitet die Traktionskontrolle im Hintergrund aber noch mit.

Ferrari SF90 Stradale
Hans-Dieter Seufert
Wie gehabt: Am Manettino verstellt der Pilot die Fahrmodi.

Auf der Touch-Oberfläche des eManettino leuchtet jetzt eine kleine Stoppuhr auf. Attacke! Im sogenannten Qualifying-Modus ruft der SF90 Stradale seine maximale Power ab. Das Nachladen der Batterie rückt in den Hintergrund. Sechs Runden auf der 2,997 Kilometer langen Piste erlaubt uns Ferrari. Übrigens soll die offizielle Rundenzeit des SF90 Stradale hier 1 Sekunde schneller als beim Vorgänger LaFerrari sein.

Authentisch genug für Rennstrecke?

Auf den ersten beiden Runden reagiert der SF90 Stradale am Limit noch weitgehend neutral. Einlenken? Hochpräzise und kein Untersteuern! RAC-e (Abkürzung für: Regolatore Assetto Curva Elettrico) nennen sie bei Ferrari die Torque-Vectoring-Unterstützung durch die beiden E-Motoren an der Vorderachse. Ebenso wichtig wie die Fahrpräzision: Künstlich fühlt sich weder das Einlenkverhalten noch die präzise Rückmeldung der Lenkung an.

Beim Herausbeschleunigen drückt das Heck mit Leistungsübersteuern. Digital veranlagte Gasfüße müssen sich hier etwas zügeln. Der Mittelmotor-Hybrid-Allradler fühlt sich eher nach agilem Hecktriebler an. Dabei verheimlicht er sein Gewicht erstaunlich gut – 1.570 Kilo Trockengewicht geben die Italiener offiziell an, wohlgemerkt mit optionaler Ausstattung (dazu später mehr). Auch wenn die Chassis-Konstruktion durch einen cleveren Werkstoffmix (u.a. Aluminium und Kohlefaser) Gewicht spart, sorgt die Hybridtechnik wiederum für ein Mehrgewicht von 270 Kilo. Die Angabe des Trockengewichts ohne Betriebsmittel ist natürlich Schönfärberei – gut 1.700 Kilo wiegt der SF90 Stradale in fahrfertigem Zustand je nach Ausstattung.

Ferrari SF90 Stradale
Hans-Dieter Seufert
Dieser Ferrari kann nicht nur betankt, sondern auch geladen werden.

Spätestens beim Anbremsen am Limit merkt man das Gewicht dann doch. Bei sehr späten Bremspunkten will der SF90 Stradale immer leicht über die Vorderachse schieben. Stichwort Bremsanlage: Ferrari setzt im neuen Hybrid-Supersportler auf ein Brake-by-Wire-System. Sowohl im Grenzbereich auf der Rennstrecke als auch bei rein elektrischer Gangart im Alltag fühlt sich die Bremspedalrückmeldung nicht künstlich an, sondern punktet mit guter Dosierbarkeit.

Negativ Beschleunigen geht auch sehr gut

Auch wenn wir die Start-Ziel-Gerade nicht wie einst beim Fahrbericht mit dem Ferrari La Ferrari mit Tempo 270 "voll" fahren dürfen, sondern hier immer von einem Führungsfahrzeug leicht eingebremst werden, erreicht der SF90 Stradale vor dem ersten Bremspunkt deutlich über 200 km/h. Dann, hart Anbremsen. Die Keramikbremsanlage erträgt die Strapazen scheinbar unbeeindruckt. Stolz sind die Ferraristi auch auf ihre speziellen Bremssättel mit integrierten Kühlluftkanälen. Subjektiv glänzt der SF90 Stradale mit hohen Verzögerungswerten. Ferrari verspricht einen Bremsweg von unter 29,5 Meter von Tempo 100 auf null.

Ferrari SF90 Stradale
Hans-Dieter Seufert
Die Bremsen mit Kühlung in den Sätteln lassen kaum Wünsche offen.

Nicht nur die Beschleunigung des neuen Ferrari-Projektils fasziniert, sondern auch die Stabilität beim Anbremsen aus hohen Geschwindigkeiten. Hierzu trägt auch die ausgefeilte Aerodynamik bei. Neben einer speziellen Unterbodenkonstruktion hebt Ferrari bei der Präsentation vor allem das aktive Aeroelement am Heck besonders hervor. Der sogenannte Shut-off-Gurney-Flap im Heckbereich senkt sich in speziellen Fahrsituationen, je nach Quer- und Längsbeschleunigung, automatisch ab und generiert dadurch mehr Abtrieb an der Hinterachse.

Nicht mit zu viel Druck auf die Piste

Warum der erste Rennstreckeneindruck trotzdem zwiegespalten ist? Während wir bei der Landstraßenausfahrt ein Testfahrzeug mit frischen Reifen erproben durften, mussten wir für den Ritt über die Rennstrecke auf ein anderes Fahrzeug umsteigen – leider mit Pneus die schon zahlreiche Runden auf dem Buckel hatten. Zudem justierte Ferrari den Reifenfülldruck vorab nicht perfekt für den Rennstreckenbesuch. Das Digitaldisplay verrät im warmen Zustand schnell je 2,9 bar an den Reifen der Vorderachse und je 3,0 bar an der Hinterachse – um das perfekte Gripniveau der Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Bereifung zu erzielen, ist dieser Reifenfülldruck deutlich zu hoch.

Wie früher nur reinrassige Rennwagen reagieren viele Sportwagen heute bereits spürbar auf Abweichungen des Reifenfülldrucks im Zehntelbereich, da Reifengrip und sogar die Aerodynamik (Veränderung der Fahrhöhe durch den Reifenfülldruck) beeinflusst werden. Faktoren, die besonders bei einem Präzisionsgerät wie dem SF90 Stradale eine Rolle spielen. Von Kurve zu Kurve baut jetzt das Gripniveau ab, das Leistungsübersteuern nimmt immer mehr zu und beim Anbremsen will der Supersportler zunehmend über die Vorderachse schieben. Aus der sauberen Ideallinienjagd wird immer mehr ein Driftfestival – aber man kann mit dem SF90 Stradale richtig gut Querfahren.

Mist, wir hatten den SF90 Stradale – ohne Sportpaket

Übrigens: Wir sind heute nur die, Zitat Ferrari-Pressemappe, "SF90-Standardversion" gefahren. Bitte was? Verrückte Sache: Für den neuen Überflieger bietet Ferrari ab Werk zusätzlich eine Art "Sportpaket" namens Assetto Fiorano an. Neben einem noch sportlicherem Feder-Dämpfer-Paket kommen damit zahlreiche Carbon-Bauteile und eine Titanabgasanlage zum Einsatz. Durch das Optionspaket soll das Gewicht um rund 30 Kilogramm sinken.

Ähnlich wie für den 488 Pista bietet Ferrari auch für den SF90 Stradale noch optional Carbon-Räder sowie die extrem gripfreudigen Sportreifen vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 R an. Außerdem trägt der neue Über-Ferrari mit Assetto Fiorano eine größere Carbon-Abrisskannte am Heck. Damit ausgestattet soll der Hybrid-Supersportler einen Gesamtabtrieb von 390 Kilo bei 250 km/h generieren. Hoffentlich besucht uns der Hybrid-Held im kompletten Sportoutfit noch einmal in heimischen Gefilden für eine schnelle Rundenzeit.

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allerhöchste Zeit und zeigt, dass auch Sportwagen im Alltag umweltfreundlich sein können.Überflüssig und schade um den V12. Bei den Stückzahlen bringt elektrisch fahren gar nichts.

Fazit

Wenn Sie sich jetzt schon in den Ferrari SF90 Stradale verliebt haben, gibt’s zwei gute Nachrichten: Mit einem Grundpreis von 417.890 Euro kostet der SF90 Stradale weniger als die Hälfte im Vergleich zu seinem Supersportwagen-Vorgänger LaFerrari (1,19 Mio. Euro). Der auf 499 Exemplare (Coupé) streng limitierte LaFerrari war bereits vor seiner Präsentation ausverkauft, der SF90 Stradale ist hingegen unlimitiert und noch erhältlich.

Technische Daten
Ferrari SF90 Stradale
Grundpreis417.890 €
Außenmaße4710 x 1972 x 1186 mm
Kofferraumvolumen74 l
Hubraum / Motor3990 cm³ / 8-Zylinder
Leistung574 kW / 780 PS bei 7500 U/min
Höchstgeschwindigkeit340 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km