Fiat 500e
Retrodesign trifft Zukunftsantrieb

Nach dreizehn Jahren bringt Fiat einen Nachfolger des 500, der den Namen und auch das (minimal abgewandelte) Design des Vorgängers trägt. Den es aber ausschließlich elektrisch angetrieben gibt – als italienischstes aller Stadtautos.

Fiat 500e Cabrio, Exterieur
Foto: FCA

Giovanni Rota Rinaldi hätte es geliebt, dass seine Musik durch die Städte und Dörfer hallt. Der Komponist vertonte unter anderem Federico Fellinis Drama Amarcord – dessen Titelsong zwitschert der Fiat 500 in die Welt hinaus, wenn er nach dem Start erstmals 20 km/h überschreitet.

Es handelt sich dabei nicht etwa um ein "Vorsicht, hier komme ich", mit dem der 500 mangels Verbrennungsgeräusch vor seinem Herannahen warnen will. Diese Aufgabe übernimmt wie bei vielen anderen E-Autos ein metallisch klingendes Sirren. Nein, die Melodie ist eher das Gebimmel des Eismannes, der ein Stück italienischer Lebensfreude ins Wohngebiet bringt. Sozusagen ein beschwingter Gruß von jenseits des Brenners – wo neben Zitronen auch allerlei Kuriositäten blühen.

Unsere Highlights

Uritalienische Plattform

Die Tonfolge repräsentiert so archetypisch das dolce far niente, dass es hervorragend zu einem archetypischen Auto passt. Denn der batteriebetriebene Kleinwagen ist das italienischste aller Vierräder. Zwar fallen einem aus dem Land der Motori vorwiegend die Heißblüter von Ferrari, Lamborghini und Maserati ein; doch tatsächlich heißt das Klischee-Mobil für den Stiefel-Staat 500.

Fiat 500e Cabrio, Exterieur
FCA
Mehr als nur ein Facelift: Praktisch alles an ihm sei neu. Und die Plattform uritalienisch, wie Presseverantwortliche betonen.

Generation vier ähnelt ihrem Vorgänger von 2007 so stark, dass man zunächst an ein Facelift glaubt. Die Optik wurde nur leicht modifiziert; gut so, schließlich zählt der erste Fünfhunderter (nicht der Cinquecento!) der Neuzeit zu den gelungensten Retromobilen überhaupt; dieses Design-Rad muss also kaum neu erfunden werden. Doch der Schein trügt: Praktisch alles an ihm sei neu. Und die Plattform uritalienisch, wie Presseverantwortliche betonen.

Ende November beginnt die Auslieferung mit drei Karosserie-Varianten: einer zweitürigen Limousine, dem Faltverdeck-Cabrio und einer Version, wie sie auch Mini schon im Programm hatte: Eine dritte Türe, auf der Beifahrerseite angebracht, öffnet gegenläufig zur vorderen, was eine große Durchreiche in den nach wie vor knapp bemessenen Fond ergibt. Etwa für einen Kindersitz.

Zwar dehnte sich der Kleinwagen zum Vorgänger in Länge, Breite und Höhe deutlich aus, doch den gewonnenen Platz nimmt man vor allem in Reihe eins wahr. Hier thront man bequem, blickt leicht erhöht aufs Cockpit, das weniger verspielt als vielmehr liebevoll gestaltet wirkt. Etwa, weil das zentrale Display sozusagen den Platz auf dem Armaturenbrett einnimmt, den ehedem der Innenspiegel für sich beanspruchte.

Oder weil die Türinnengriffe das Konterfei des Ur-500 sowie die induktiv arbeitende Ablageschale die Skyline von Turin ziert. Da manifestiert sich Heimatstolz; schließlich wird der kleine Elektriker im Stammwerk Mirafiori hergestellt. 80.000 Mal soll der Elektro-Kleinwagen jährlich vom Band laufen – und europaweit verkauft werden. Wobei der Bisherige als Verbrenner weiterhin in Polen gefertigt wird; sozusagen als konventionelles Schwestermodell für den schmaleren Geldbeutel.

Den Stromer gibt es in zwei Antriebsvarianten: Das 70 kW (95 PS) starke Einstiegsmodell Action, die dezidierte Stadt-Version ab 23.560 Euro, kommt mit einer Akku-Kapazität von 23,8 kWh und einer Reichweite von über 180 km laut WLTP-Zyklus sowie einem 50 kW Schnellladesystem.

Zwei Motorisierungen

Damit soll der Strom für 50 Kilometer Laufleistung an einer CCS-Säule in zehn Minuten eingesaugt werden. Passion (ab 27.560 Euro) und Icon (ab 29.560 Euro) – beide leisten 87 kW (118 PS) – wollen 320 Kilometer weit kommen und dank eines bordeigenen Schnellladers mit 85 kW ihre auf 20 Prozent geleerte Batterie in 35 Minuten auf 80 Prozent bringen.

Für eine erste Fahrt in Deutschland stellt uns Fiat ein Faltdach-Cabrio mit 118 PS und gefülltem Akku zur Verfügung. Wir haben Glück, der Herbst meint es gut mit uns und wir lassen den Stoff-Baldachin auf Knopfdruck nach hinten surren – bevor der ganze 500 lossurrt. Den Luxus des elektrisch betätigbaren Stoffverdecks muss man sich einiges kosten lassen. Doch selbst ohne macht der 500 dank seiner Quirligkeit in der Stadt Laune. Am meisten übrigens, wenn zuhause eine Wallbox wartet. Auf die öffentlichen Ladesäulen möchte man derzeit eher nicht angewiesen sein.

Fiat 500e Cabrio, Interieur
Dino Eisele
Mühelos startet der Zweitürer durch, lässt sich von der Kraft seines Drehmoments durch den Verkehr treiben.

Nun aber los. Taster mit Aufschrift "D" drücken, Fuß aufs Fahrpedal, ab geht‘s. Kurz danach hallt Maestro Rinaldis Weise durchs geöffnete Dach herein. Bellissimo. Mühelos startet der Zweitürer durch, lässt sich von der Kraft seines Drehmoments durch den Verkehr treiben. Drei Fahrmodi lassen sich vorwählen. Darunter gibt es einen, Sherpa genannt, der den Fahrer in Anspielung an das tibetische Bergvolk ans Ziel tragen soll, wenn die Power langsam zur Neige geht. Wer möchte, wechselt in den Range-Modus und gast und bremst alleine durchs Modulieren des Fahrpedals. Klappt wunderbar.

Kurze Unebenheiten absorbiert der 500 recht geschickt, über lange Bodenwellen stampft er ähnlich wie sein Vorgänger. Die Lenkung arbeitet eher leichtgängig als mitteilsam, auch das kennen wir.

Deutlich kommunikativer gibt sich der Kleine dem Internet gegenüber und legt bei Konnektivität sowie Infotainment mehrere Bits und Bytes zum Vorgänger zu. Allen voran eine App, die Ladepunkte anzeigt und verrät, welche sich davon mit der Restreichweite ansteuern lassen.

Und dann sind sie bei Fiat ganz stolz darauf, dass der 500 autonom nach Level 2, also beaufsichtigt, fahren kann. Wir haben auch das ausprobiert; natürlich beaufsichtigt – mit den griffbereiten Händen neben dem Lenkrad. Somit konnten wir schnell genug eingreifen, als der Fiat seine Autonomie ohne Vorwarnung wieder an uns abgab.

Moral: Die Zeit ist längst reif für diesen elektrischen 500er. Fürs autonome Fahren aber noch lange nicht.

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Fazit

Zieht man vom Listenpreis die E-Förderung von 9.480 Euro ab, ist die Einstiegsversion des Fiat 500 ein günstiges E-Auto fürs Volk – ein ideales Pendler- und Stadtauto. Die von uns gefahrene luxuriös ausgestattete und höher motorisierte Cabrio-Version dagegen ist eher ein Lifestyle-Gefährt für Bessergestellte.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

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