Fiat E-Ulysse im Fahrbericht
Unterwegs im elektrischen Multivan von Fiat

Fiat lässt den Ulysse wieder aufleben, ausschließlich mit Elektroantrieb. Damit kommt die vierte Stellantis-Marke mit einem E-Van. Wir waren mit dem elektrischen Achtsitzer auf einer ersten Testfahrt.

Fiat E-Ulysse Elektro-Van 2022 Fahrbericht
Foto: Fiat

Es klingt ein bisschen nach "Beziehungsstatus: Es ist schwierig", aber letztendlich ist das alles nur konsequent. Vor zehn Jahren gingen Fiat und Peugeot/Citroën in Sachen Ulysse auseinander, die Franzosen boten den gemeinsam im Werk Sevel gebauten Van danach noch ein Weilchen als Citroën C8 und Peugeot 807 an, bis auch für diese Vielsitzer das Licht ausging.

Neuauflage eines alten Themas

Bei Fiat sollte dann später in der frisch geschlossenen Ehe mit Chrysler ein Dodge das Thema weiterführen, der zum Fiat Freemont umgelabelte Dodge Journey. Das Auto war zwar unbedingt von einer gewissen Unterhaltsamkeit geprägt, aber nicht so richtig Van und auch nicht so richtig erfolgreich in Europa. Also wieder Van-Pause bei Fiat, ab 2016. Doch nun, nachdem mit Stellantis aus der ehemaligen Zweckgemeinschaft zwischen Italien und Frankreich eine große weltweite Familie geworden ist, werden die verwandtschaftlichen Beziehungen wieder aufgefrischt, der Ulysse ist zurück.

Unsere Highlights

Baugleich mit den Stellantis-Modellen Citroën Spacetourer, Peugeot Traveller, Opel Zafira Life und dem Toyota Proace Verso, der sich schon 2013 mit dem Vorgängermodell in die Vielvölker-Gemeinschaft hineingemogelt hatte, ist der neue Fiat Ulysse jetzt das letzte Exemplar dieser Van-Baureihe und wird wie die Stellantis-Geschwister nur noch mit Elektroantrieb angeboten, in den Nutzfahrzeug-Varianten sind weiterhin Dieselmotoren verfügbar.

Ulysse nur als Elektroauto

Den E-Ulysse haben die Fiat-Händler künftig in den Varianten L2 und L3, also 4,95 und 5,31 Meter lang bei jeweils 3,25 Meter Radstand, im Angebot. Der längere L3-Van gewinnt die Zusatzzentimeter mit einem größeren Hecküberhang. Die L1-Version mit 4,6 Meter Länge bleibt dem Nutzfahrzeug-Brüderchen Fiat Scudo, auch neu im Programm, vorbehalten, den gibt es neben den gleichen E-Antrieben außerdem auch weiterhin mit Dieselmotoren.

Fiat Scudo Ulysse
Fiat
Den Wagen gibt es in der Van-Version Ulysse (rechts) und als praktisches Nutzfahrzeug Scudo (links). Der Scudo ist auch mit kürzerem Radstand und Dieselmotoren erhältlich, allerdings auch mit den gleichen E-Antrieben wie im Ulysse.

Bei den Ulysse-Ausstattungsoptionen muss nicht viel nachgedacht werden, neben schon recht gut bestückten Basisvariante gibt es den Ulysse als Lounge-Modell mit Vollausstattung und einem Preisvorteil von rund 750 Euro gegenüber den einzeln zugebuchten Extras. Zusätzlich fährt der Lounge serienmäßig mit Lederausstattung vor, was ihn vor allem für gehobene Shuttle-Aufgaben prädestiniert. Was ebenfalls für den Lounge- statt den Basis-Ulysse spricht ist die mögliche Business-Bestuhlung mit zwei komfortablen Einzelsitzen in der zweiten Reihe, die sich mit einem verschiebbaren Klapptisch in der Mitte multivanmäßig zum Konferenz- und Arbeitszimmer umfunktionieren lassen.

Elektroantrieb aus dem Baukasten

Angetrieben wird der E-Ulysse, wir kennen das schon von den anderen baugleichen Stellantis-Vans, von der 100 kW-Maschine, die auch in diversen Pkw des Konzerns herumstromert, im Opel Mokka-e zum Beispiel. Kombinieren lässt sich das mit dem Standard-Akku, der mit 50 kWh Kapazität aufwartet oder für 6.000 Euro Aufpreis mit einer 75 kWh-Batterie. Mit letzterer bringt der E-Ulysse dann 2,3 Tonnen leer auf die Waage, 665 weitere Kilo dürfen noch zugeladen werden. Das macht dann auch klar, dass der Munterkeits-Index eher mittel ist. Was in einem 1,5-Tonnen-Corsa-E noch für verhältnismäßig freudvollen Vortrieb sorgt, verdient in dem großen Van eher das Prädikat "ausreichend".

Fiat E-Ulysse
Fiat
Mit voller Bestuhlung ist der Laderaum nicht mehr gar so groß.

So ist man im Stadtverkehr gut unterwegs, kann dank des vollen Drehmoments vom Start weg auch mal einen kecken Ampelstart wagen. Außerorts geht es ebenfalls einigermaßen zügig auf Landstraßentempo, wofür noch nicht einmal die Power-Einstellung der drei wählbaren E-Fahrprogramme aktiviert werden muss, Kickdown genügt. Darüber hinaus verliert der Vortrieb allerdings rasch an Vehemenz, Überholmanöver wollen gut überlegt sein, auf der Autobahn ist bei Tacho 137 dank des Begrenzers Schluss mit weiterem Vortrieb.

Am besten im städtischen Bereich aufgehoben

Das macht auch deutlich, dass sich der E-Ulysse in erster Linie im urbanen Umfeld daheim fühlt, weniger auf der Langstrecke, wo dank hohen Gewichts, gewaltiger Stirnfläche und der Nutzfahrzeug-Aerodynamik die Reichweite im Eiltempo schmilzt. Die Reichweitenanzeige erwies sich bei unserem Fahrtermin als akkurat und verlässlich, bei geruhsamer Fahrt durch Innenstädte und ihren Speckgürtel sind 300 Kilometer mit der 75 kWh-Batterie realistisch. Flott bewegt und auch über längere Zeit mit hohem Tempo unterwegs, sind Ladestopps spätestens alle 200 Kilometer wahrscheinlicher.

Der Fahr- und Federungskomfort ist klassenüblich ohne Derbheiten, das hohe Gewicht merkt man dem E-Ulysse aber beim Handling an. Die Marketing-These von Fiat, der Wagen fahre sich wie ein Pkw, passt nur zum Teil. Speziell bei der Lenkarbeit wird einem schnell bewusst, dass man da eine ziemlich lange Fuhre mit nennenswertem Gekurbel durch das Leben bewegen muss. Vorteilhaft ist die Höhe von 1,89 Meter, die den Ulysse für die allermeisten Parkhäuser tauglich macht.

Fiat E-Ulysse
Fiat
Bei Bedarf Konferenzraum: Das ist schon recht ansehnlich gelöst, bleibt aber dem Topmodell Lounge vorbehalten.

Der Zustieg arbeitet nicht in Kletterarbeit aus, stattdessen ist es eher ein Eintreten in die gute Stube, ohne dabei großartig den Kopf senken zu müssen. Für die hinteren Sitze gilt das ähnlich, bequem ist außerdem, dass bei der Lounge-Ausstattung beide Schiebetüren elektrisch öffnen und schließen. Während die Verarbeitung tadellos ist, merkt man dem Styling im Cockpit allerdings an, dass seit der Premiere des Fahrzeugs bei den anderen Stellantis-Marken schon ein paar Jahre ins Land gegangen sind. Die Analog-Instrumente mit kleinem Farbdisplay in der Mitte sind jedoch klar ablesbar und sinnvoll strukturiert.

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Fazit

Nach Peugeot, Citroën und Opel hat nun auch Fiat das Raumwagen-Duo aus Van und Transporter ins Programm aufgenommen, beim Van Ulysse ausschließlich mit E-Entrieb. Die Umrüstung der ehemaligen Verbrenner-Basis auf den Strombetrieb ist routiniert und sauber ausgeführt, das fährt sich auch recht ansprechend, wenngleich nicht überbordend dynamisch. Der E-Ulysse macht aber auch wie seine Stellantis-Geschwister deutlich, dass in Nutzfahrzeugen der E-Antrieb nach wie vor Optimierungsbedarf hat, selbst mit der eigentlich recht stattlichen 75 kWh-Batterie sorgen Luftwiderstand und große Stirnfläche bei schnellerer Fahrt für einen schlicht nicht langstreckentauglichen Aktionsradius. Bestens aufgehoben ist der Ulysse mit Elektroantrieb dagegen im urbanen Umfeld. Das macht letztlich auch klar, dass sich dieses Angebot vor allem an gewerbliche Anwender, zum Beispiel als Großraumtaxi oder Shuttle-Service für Hotels wendet. Und nicht so sehr an Familien für den klassischen Alltagseinsatz vom Bolzplatz bis zur Urlaubsfahrt. Nicht zuletzt auch angesichts des doch beachtlichen Preises.

Technische Daten
Fiat E-Ulysse L2 75 kWh Lounge
Grundpreis70.990 €
Außenmaße4956 x 2010 x 1890 mm
Kofferraumvolumen450 bis 900 l
Höchstgeschwindigkeit130 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten