Probefahrt Ford F-150 Lightning
Als E-Auto ist der US-Bestseller schneller

Der Ford F-150 Lightning gehört zu den ersten Elektro-Pick-ups auf dem US-Markt. Wir sind die starke E-Variante des US-Bestsellers gefahren.

Ford F-150 Lightning
Foto: Ford

Fords neuer Pick-up F-150 Lightning fährt rein elektrisch – und ist immer mit einem Aufstieg verbunden. Um auf den Fahrersitz zu kommen, müssen sich auch groß gewachsene Menschen ein bisschen hochziehen und die Ladefläche am Heck thront ebenfalls in luftiger Höhe. Wer dort rauf will, muss entweder seinen Oberschenkel auf die geöffnete Ladeklappe schwingen und sich dann mehr oder weniger elegant hochstemmen – oder er klappt aus der Ladeklappe eine kleine Leiter nebst Festhalte-Stab aus und steigt einfach zwei Stufen hoch. Das ist beim F-150 mit Verbrennungsmotor nicht anders, was heißt: Bei der Elektrovariante von Fords wichtigstem, da seit Jahrzehnten auf dem US-Markt meistverkauften Fahrzeug, soll der Kunde im Vergleich zum Verbrenner auf nichts verzichten. Wir sind den elektrischen Pick-up in der Umgebung von Detroit im US-Bundesstaat Michigan gefahren.

Unsere Highlights

Viel Platz und für große Hände

Am und um F-150 Lightning ist alles groß – die Türgriffe lassen sich auch mit kräftigen Händen in dicken Arbeitshandschuhen greifen und innen gibt es viel Platz für Fahrer, Beifahrer sowie eine überbreite Mittelkonsole. Der Instrumenten-Bildschirm ist groß und übersichtlich, der Infotainmentbildschirm in der Mittelkonsole ist noch größer. Und auch wenn alles irgendwie leicht abwaschbar wirkt, machen die Oberflächen doch einen recht hochwertigen Eindruck – Ford mutet hier seinen Kunden keine allzu nutzfahrzeugmäßigen Hartplastik-Oberflächen zu – schließlich ist der Pick-up, insbesondere in ländlichen Gegenden der USA, oft Erst- und Familienauto.

Riesiger Front-Kofferraum und elf Steckdosen

Und ob Familien- oder Arbeits-Auto: Ford hat dem F-150 Lightning zwei auffällige Ausstattungen verpasst. Zum einen ist das der 400 Liter fassende Front-Kofferraum, zum anderen sind das elf Steckdosen, die über den vorderen Kofferraum, die Kabine und das Ladebett verteilt sind. Mit seiner inklusive Rahmen 725 Kilogramm schweren Batterie soll er ein Einfamilienhaus bis zu drei Tage mit Strom versorgen können. Die dafür nötige Umrüstung der Hauselektrik soll aber in den USA zirka 10.000 Dollar kosten, was aktuell 10.000 Euro entspricht. Ein wahrscheinlicherer Einsatzzweck ist die Nachladbarkeit anderer Fahrzeuge mit maximal 7,2 Kilowatt Leistung. Die Batterie des F-150 Lightning lässt sich mit einer Leistung von bis zu 155 Kilowatt laden. Bei 150 Kilowatt dauert das Laden von 15 auf 80 Prozent der Akkukapazität 36 (Standard Range/Gesamtkapazität: 98 kWh) oder 41 Minuten (Long Range/Gesamtkapazität: 131 kWh).

Ford F-150 Lightning
Ford
Viel Platz, eine extrabreite Mittelkonsole und gute Sitze im Ford F-150 Lightning.

Ausfahrbarer Gangwahl-Hebel

Nach dem Drücken des Startknopfs ist der F-150 Lightning noch nicht fahrbereit – erst muss der Fahrer die Fahrstufe einlegen. Und warum steht hier diese Binsenweisheit? Weil der Fahrstufen-Wahlhebel in einer Mulde liegt und erst per Knopfdruck elektrisch aus seiner Ruheposition hochfährt. Dies ist nicht nur eine nette Spielerei – im eingeklappten Zustand entsteht so eine ebene Ablagefläche auf der Mittelkonsole. Mit beispielsweise einem kleinen Tablett darunter entsteht auf diese Art ein Frühstückstisch für alle, die ihre Semmel und ihren Kaffee nicht draußen im Baustellenmatsch genießen wollen. Und für Familienmitglieder oder Kollegen: Der F-150 Lightning ist immer mit einer viertürigen Mannschaftskabine ausgerüstet.

Schweben und Rumpeln

Beim Rollen über den Highway verleiht der F-150 Lightning den Insassen auf den ersten Metern fast ein Oberklasse-Gefühl: Die großzügigen Platzverhältnisse, das ausgesprochen leise Säuseln der beiden an Vorder- und Hinterachse sitzenden Elektromotoren und das sanfte Gleiten über den glatten Asphalt sorgen dafür. Außerdem ist der Lightning der erste F-150, der an der Hinterachse eine Einzelradaufhängung bekommen hat. Mit dem ersten Schlagloch schreit das Fahrwerk dann aber "Nutzfahrzeug!" – die großen Räder poltern kräftig über größere Unebenheiten. Allerdings sind wir in einem unbeladenen Pick-up unterwegs – da das Auto für größere Zuladungen ausgelegt ist, könnte das Fahrwerk mit mehr Masse an Bord geschmeidiger federn. Die Lenkung fühlt sich wiederum vollkommen unspektakulär an: Direktheit, Präzision und Spiel in der Mittellage sind einfach Durchschnitt, was zu dem Pick-up ganz gut passt.

Viertelmeile wie Mustang Mach 1

Aktuell bietet Ford den F-150 Lightning in zwei Versionen an: Eine Version mit 386 Kilometer Reichweite, deren beide Motoren insgesamt 337 Kilowatt (458 PS) leisten, und eine Long-Range-Variante mit 515 Kilometer Reichweite und 433 Kilowatt (589 PS) – bei beiden Versionen generieren die Elektro-Aggregate 1.050 Newtonmeter System-Drehmoment. Zudem haben die Ingenieure den Luftwiderstand-Beiwert des Lightning im Vergleich zum Verbrennungsmotor-F-150 um vier Prozent verbessert. Massive Allrad-Power plus verbesserte Windschlüpfigkeit: Den Spurt auf 100 km/h soll die Stahl-und-Glas-Schrankwand in zirka vier Sekunden schaffen. Beim Tritt aufs Fahrpedal drückt es die Insassen heftig gegen die Sitzlehnen, während auf dem Instrumenten-Bildschirm die Zahl für die Geschwindigkeitsanzeige schwindelerregend nach oben rast. Den in den USA beliebten Viertelmeilen-Spurt erledigt der 3,4 Tonnen schwere F-150 Lightning in 12,7 Sekunden, was ein Topwert ist. Schließlich braucht ein F-150 Raptor mit 3,5-Liter-V6 und 456 PS für diese Distanz 14,4 Sekunden. Offizielle Werte für den 730 PS starken Raptor R liegen zwar noch nicht vor, aber selbst dessen vergleichbarer Konkurrent, der Ram TRX mit 712 PS, unterliegt dem F-150 Lightning mit 12,9 Sekunden. Und ein Mustang Mach 1 mit Handling Pack ist gerade mal 0,1 Sekunden schneller – der hochbauende kantige F-150 Lightning ist in Sachen Längsbeschleunigung eine echte Sport-Maschine.

Sanftes Rekuperieren

Wer seinen Fuß vom Fahrpedal nimmt, bekommt sanftes Rekuperations-Bremsen als Belohnung. Richtiges Bremsen sorgt für eine gleichmäßige Verzögerung – dieses Ruckel-Gefühl, dass die Mischung aus Rekuperations-Bremsen und mechanischem Bremsen bei einigen Hybriden und Elektroautos mit sich bringt, erzeugt der F-150 Lightning nicht.

Und der Elektro-Pick-up kann nicht nur schnell, auch bei den puren Arbeitswerten überzeugt der F-150 Lightning: Er zieht bis zu 4.536 Kilogramm und als Zuladung verträgt er 1.014 Kilogramm. Gerade bei der Zuglast gibt es zwar deutlich potentere Pick-ups, die besten schaffen mehr als 16 Tonnen, für die Welt der elektrischen Antriebe sind die Werte von Fords Elektro-Pick-up aber gut.

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Fazit

Der Ford F-150 Lightning ist einer der ersten Großserien-Pick-ups auf dem US-Markt – und dafür ist er ausgesprochen gelungen. Er ist so geräumig wie seine Geschwister mit Verbrennungsmotor und fährt sich ausgesprochen sanft – Schwärmer dürfen hier durchaus den Begriff "schweben" verwenden. Der Antritt ist mit Allradantrieb und zwei Elektromotoren sehr vehement – 100 km/h sind in unter fünf Sekunden erreicht. Für einen 3,4-Tonnen-Pick-up ist das ein enormer Wert.

Das Fahrwerk leitet Unebenheiten recht ungefiltert in den Innenraum weiter – daran ändert auch die neue Einzelradaufhängung an der Hinterachse nichts. Bei den für Pick-ups wichtigen Werten wie Zuladung (1.014 Kilogramm) und Anhängelast (4.536 Kilogramm) überzeugt der F-150 Lightning – für ein Elektroauto.

Gerüchteweise hat nicht nur der Antriebsstrang des F-150 Lightning bei Entscheidern von Ford-Kooperationspartner VW Eindruck hinterlassen – das ganze Fahrzeug scheint mit cleveren Ideen zu überzeugen. Also ist es spannend, ob der Elektro-Pick-up oder Teile seiner Technik alsbald unter dem VW-Label auf dem deutschen Markt auftauchen. Ford selbst scheint aktuell keine Pläne zu haben, das Auto hierzulande anzubieten. Irgendwie schade.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten