Honda Mean Mower im Fahrbericht
Mit dem Rasenmäher über die Rennstrecke

Der Honda Mean Mower, offiziell schnellster Rasenmäher der Welt, erobert den Grand-Prix-Kurs in Hockenheim – und der Autor hat keine Ahnung, was ihn da erwartet.

Honda Mean Mower, Rasenmäher, Impressionen
Foto: Hans-Dieter Seufert

Richard schaut erst das rote Ding, dann mich an, spitzt die Lippen, überlegt und konstatiert: "Du passt da rein. Wir hatten erst vor Kurzem eine Lady mit ausladenderen Dimensionen als du, und die hat auch draufgepasst." Drauf? "Ja, die saß oben auf der Sitzkante."

Na dann herzlichen Glückwunsch, der schnellste Rasenmäher der Welt wartet auf seinen Bändiger, und der bekommt seine 1,89 Meter mitsamt Hintern nicht in die Sportsitzschale gefaltet. Das Schienbein steht fast lotrecht über dem Kupplungs- und dem Gaspedal, der Körper leicht verdreht für ein paar Millimeter mehr Aktionsraum, und die Hände umklammern das possierliche Rennlenkrad oben. Seitlich stehen die Knie im Weg. Schon mal ein Kart mit der Zwangsjacke gesteuert? So stellt sich ein Fahrinstruktor noch nicht mal die korrekte Sitzposition auf einem Lanz Bulldog vor.

Und hier will ein 109 PS starker Graskürzer auf Amphetaminen gezügelt werden. Einer, dessen Leistungsgewicht doppelt so hoch wie bei Supersportwagen liegt. Ein Kart mit Scherenfüßen, das in unter vier Sekunden von null auf 100 km/h knattert – tschüss BMW M5. So was kommt wohl raus, wenn du Honda-Jungs und die Champions der britischen Tourenwagen-Meisterschaft, Team Dynamics, zusammen in den Pub lässt.

Das Vehikel vor dem dich deine Mutter immer gewarnt hat

Richard guckt schon wieder so eigenartig: "Der Rasenmäher hat übrigens Luftfederung." Wo? "In den Reifen." Humorproben eines ehemaligen englischen Formel-1-Mechanikers.
Ich hadere inzwischen sehr mit der Idee, dieses abgedrehte Gerät zu fahren. Es sind über 20 Grad in Hockenheim, und der Motorrad-Rennanzug klebt an der Haut wie feuchtes Gras. Meine Haltung ist entspannt wie in einer Kompostertonne und erlaubt nur wenige Zentimeter Kupplungsspiel. Der Sprung vom Gas zur Bremse verlangt Kleinstraumakrobatik. Richard beruhigt auf seine Art: "Sei etwas vorsichtig, die Kupplung ist extrem schwer zu dosieren, und beim Einlenken stellt er sich gerne auf." Was er eigentlich sagen will: Das ist das Vehikel, vor dem dich deine Mutter immer gewarnt hat.

Immerhin hat der Honda Mean Mower, der böse Mäher, drei nachträglich eingebaute Scheibenbremsen. Zwei vorne und eine hinten. Das beruhigt bei theoretisch 210 km/h Höchstgeschwindigkeit – zumindest ein bisschen. Richard sagt dazu: "Probier die Bremsen erst aus, sie reagieren anders." Anders?

Honda Mean Mower könnte 210 km/h

Mister Mean sieht seinem Basismodell, einem gutbürgerlichen Schnippelstar namens HF 2620, in Ansätzen ähnlich – aber die Konstruktion, der Chrom-Molybdän-Stahl-Rahmen und der Firestorm-Motor, quasi alles ist neu. Im Grasfangsack stecken der Tank und ein Öl- sowie ein zweiter Wasserkühler. Trotzdem kann die Race-Version mit ihren elektrisch angetriebenen, drei Millimeter dicken Stahl-Mähfäden noch mähen, mit 26 km/h sogar doppelt so schnell wie der HF 2620. Die Mähfähigkeit ist Bedingung für die Zulassung zum Weltrekord.

Auf 187,6 km/h hat der Einliter-Zweizylinder den Gartenzwergschreck auf der spanischen Teststrecke Idiada katapultiert: Weltrekord für mähfähige Gefährte. Einer, den keiner braucht, aber ziemlich viele lustig finden. Richard sowieso.

Klack, der erste Gang des sequenziell schaltenden Getriebes rastet ein wie ein Bolzenschussgerät. Die Kupplung schnappt fürchterlich, der Honda und ich machen einen Satz nach vorne, und schon mähen wir mit Getöse über die Start-Ziel-Gerade. Halleluja! Das feuerrote Spielmobil ballert einen mit dem Druck eines Porsche Turbo gen Anbremspunkt: 96 Nm für nur 140 Kilogramm. Beim Schaltpunkt bei 9.000 Touren schwingt der Kopf einmal durch wie von einem einstürzenden Gartenhaus getroffen. Das Motorgeräusch fräst sich in deine Gehörgänge wie eine verärgerte Kampfhornisse – trotz mächtigem Endschalldämpfer.

Honda Mean Mower mit dem Druck eines Porsche Turbo

Die Nordkurve nehm’ ich vorsichtig, mit gebührendem Abstand zu den Curbs, dann wieder rauf aufs Gas. Der Hecktriebler zuckt kurz mit dem Mähsack-Po, und schon droht die Einfahrt zur Parabolica. Auch im vierten Gang macht der Mean Mower noch immer einen Sprung beim Schalten. In der Parabolica nähert sich das Tempo dann endgültig gefühlter Lichtgeschwindigkeit. Ich habe ohne Tacho keine Ahnung, wie schnell wir sind, aber ich weiß, dass ich nicht schneller sein möchte. Anbremspunkt Spitzkehre. Ja wo isser denn, der Druckpunkt der Bremse? Das wird jetzt aber eng, sehr eng. Brems, du kleines japanisches Ungeheuer! Inzwischen habe ich großes Verständnis dafür, dass der Honda-Rekordfahrer bereits bei 22 km/h unter der Topspeed gekniffen hat.

Es gehört zu den großen Mysterien unserer Zeit, dass ich das Klingenbiest und mich vor einer Flugstunde durch den badischen Wald bewahrt habe. Aber es hat uns beide zusammengeschweißt. Bei der Einfahrt ins Motodrom kommt zum ersten Mal so etwas wie zartes Vertrauen in den Mäher auf. Die Sachskurve nehmen wir lässig auf den Curbs, schwingen mit leichten Aufstelltendenzen durch die Südkurve und fahren glücklich über Start und Ziel. Glücklich auch, weil ich wieder an der Box bin.

Fehlt nur noch eine entspannte Runde Auslaufzone mähen – auf der das federungslose Biest versucht, mich bei jeder Bodenwelle abzuwerfen. Okay, okay, Meanie, wir fahren ja zurück auf die Rennstrecke.

Den heißen Ritt auf dem feuerroten Vorgarten-Godzilla hat das Team von VOX auto mobil begleitet. Am Sonntag, 22. Juni, gibt es den Film zu einer der schrägsten Fahrten, die der Hockenheimer Grand-Prix-Kurs je erlebt hat. Autor Alexander Bloch fuhr und mähte mit dem wildesten aller Hondas. Sendetermin: VOX, 22. Juni, 17 Uhr.