Lamborghini Huracan Sterrato
Ausfahrt im Italo-Sportler mit Rally-Modus

Einfach mal links oder rechts abbiegen und fröhlich über Schotterwege brettern? Mit dem Lamborghini Huracan bisher eher schwierig. Aber jetzt geht's! Ab Herbst kommt der Sterrato und lässt, wenn gewünscht, die Brocken fliegen. Mit 610 PS-V10, Spezialfahrwerk und wühltauglichen Spezialreifen.

Sie dachten, der Huracan Sterrato sei nach Lamborghini-Tradition nach einem besonders wilden Stier, womöglich auf Steroiden – benannt? Nope. Sterrato bedeutet Schotterstraße. Die für die Huracan-Baureihe im Allgemeinen und den Sterrato im Besonderen 2024 ja ohnehin gen Ewigkeit führt. Kurz vor Ende der Bauzeit des Mittelmotor-Sportlers hauen die Jungs und Mädels in Santa Agata also noch mal richtig einen raus. Ausnahmsweise nicht schneller und tracktauglicher, sondern asphaltanarchistisch und offroadgierig. Für alle, die bei Trailschuhen und Gravelbikes nur müde lächeln

Unsere Highlights

Limit bei 1.499 Exemplaren

Ab Herbst dürfen 1.499 von Ihnen mit dem multiplen Huracan Schotter geben – nachdem sie zuvor eine Menge davon an Lamborghini überwiesen. Mindestens 262.558 verlangen die Italiener für den Sterrato. Und angesichts der Optionen (allein 350 für die Lackfarben und 60 fürs Leder) kann das ein ziemlich Haufen werden. Hier und heute nicht unser Problem, wir entern die Kabine des wie gehabt aus einem Aluminium-Karbon-Mix gefertigten Mittelmotor-Athleten und legen gleich los. Details? Klären wir direkt.

Alcantara-Kanzel in Sterrato Verde

Obwohl – tatenlos im Lamborghini rumsitzen geht gar nicht. Selbst wenn es der mit reichlich Alcantara tapezierte Innenraum (neu in der exklusiven grünen Verde Sterrato-Ausführung) eigentlich wert wäre, kurz zu verharren, um seine Einzigartigkeit zu genießen. Feel like a Pilot nennen sie das Gefühl in der Kanzel. Und haben recht, nur dass der Pilot jetzt auch mal vom Asphalt abbiegen dürfte. Wir bleiben erstmal drauf. Trotz viereinhalb Zentimeter mehr Bodenfreiheit samt entsprechendem Federweg, der rund drei Zentimeter breiteren Spur plus dem vorderen Unterfahrschutz aus Alu, verstärkten Schwellern, Heckdiffusor und speziellen Radkästen, die die Karosserie schützen.

Air-Erbietung per Dachhutze

Und damit der 5,2 Liter große V10 in der ersten Staubwolke nicht gleich einen Hustenanfall bekommt, zieht er sich wie beim STO die Ansaugluft über eine sauber angeströmte Dachhutze rein. Um sie, gemixt mit Super Plus umgehend zu maximal 60 PS, vor allem aber 560 Newtonmetern Drehmoment zu verarbeiten. Tja, Freunde so geht Oldschool. Der langhubige Saugmotor darf selbstständig und buchstäblich frei atmen, Flamme geben und Auspuffen. Untermalt von irrem Klang, der untenrum bassig, leicht stolpernd unrund beginnt um dann immer weiter durchs Drehzahlband zu eskalieren. Richtung 9.000/min. Ohne Aufladung, ohne Elektro-Beimischung. Alles authentisch, alles pur. Und genauso hängt der hinter Dir schuftende V10 auch am Gaspedal. Du kannst spüren, was vor sich geht, ahnen, wie sich Flammfronten entwickeln, Kolben sausen, Leistung entsteht. DIY-Gaswechsel sozusagen. Warum wir da so drauf herumreiten? Weil diese pure Verbrennerei bald Geschichte ist.

Frei saugende Geschichtsschreibung Richtung 9.000/min

Also: Schreiben wir noch mal daran mit und geben dem Apparat, was er will. Junge, Junge, schon in zivilen Lagen presst der V10, als ob er es nochmal allen zeigen will. In 3,4 Sekunden ist der Sterrato auf 100, beim Topspeed ist früher Schluss als bei den Geschwistern, wobei 260 jetzt nicht soooo lahm sind. Mehr würde den Bridgestone Dueler nicht gefallen, schließlich beherrschen die speziell für den Streuner entwickelten 19-Zöller mit eigenem Profildesign und spezieller Gummimischung und Runflat-Eigenschaften sowohl Asphalt als auch Grobes. Unter freundlicher Mithilfe des flinken Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes, des elektronisch geregelten Allradantriebs plus mechanischen Sperrdifferenzials hinten.

Sieht biestig aus, fährt easy

Und so fährt das Biest auch. Wobei Biest nicht für die Fahreigenschaften gilt, eher den Auftritt. Lamborghini legte die Regelung der Fahrprogramme Strada und Sport des integrierten Regelsystems LDVI für mehr Freigang aus und ergänzt sie um den Sterrato-exklusiven Rally-Modus. Dieser unterstützt den Piloten beim Entdecken der Möglichkeiten und spürt, ob Tempo, Lenkwinkel und Gasbefehle zueinanderpassen, regelt die Systeme entsprechend ein. Auf Asphalt zeigt der Sterrato, dass er seine Wurzen pflegt, per großer Keramikbremse trotz der allroundigen Reifen spät und fein dosierbar anbremst, stets standfest und transparent. Das Einlenken superb, die Scheitelkompetenz enorm, das Herausbeschleunigen mit herausdrückendem Heck ein Erlebnis. Wenn schwindlig kurven bloß immer so einfach wäre.

Rumspielen, querfahren

Die Lenkung flößt dem Piloten alle nötigen Informationen ein, operiert flüssig, nie eckig und mit dem passenden Handmoment, du kannst den Grenzbereich jederzeit buchstäblich greifen. Wobei der beim höhergelegten Sterrato spürbar tiefer hängt als bei den konsequent asphaltbereiften, tieferliegenden Tecnica oder STO, dafür aber breiter ausfällt. Darin herumspielen und bei jeder Gelegenheit querfahren ist ausdrücklich erlaubt und lässiger als bei konsequent auf Maximalgrip getrimmten Supersportlern. Technikchef Rouven Mohr betont, dass man dabei bewusst die Lastverschiebungen durch den hohen Schwerpunkt beim Bremsen und Beschleunigen nutzt. So arbeiten im Sterrato sogar weichere Federn und Stabilisatoren als sonst üblich. So erhalten die Vorderräder beim Anbremsen von Kurven Extragrip, beim Beschleunigen wandert die Last dann nach hinten, was die Traktion optimiert.

Anstellen, rumlassen, Staub wolken

Auch Offroad, wo man nach ein paar Kurven erstmal rechts ranfahren muss. Um die Freudentränen wegzuwischen. Wenn du diesen ernsthaften, jederzeit anschiebenden Mittelmotor-Apparat vor den Ecken auf der Sandpiste anstellst und ihn nahezu allein mit dem Gas herumlässt, das der Sand über Auto fontänt, du langsam die Lenkung öffnest und mit Volllast die Gerade eroberst – Junge, Junge: das geht so spielerisch wie dynamisch. Auch dank des im Rally-Modus reduzierten Handmoments der Lenkung und einer elektronischen Regelung die quasi Gedanken liest. Unebenheiten steckt der Sterrato lässig weg, leichte Sprünge nimmt er freudig mit.

LDVI regelt fein, Puls bleibt unten

Die über Smartwatches an die Telemetrie zu koppelnde Herzfrequenzmessung des Fahrers dürfte hier mal kurz den grünen Bereich verlassen – vor Freude, nicht vor Stress. Die in den sogenannten Board Diaries gespeicherten Onboard-Videos dürfen also problemlos viral gehen können. Bei aller Oldschool-Tradition und Schotter-Kompetenz: Ohne Digitalpräsenz macht es selbst so ein Sterrato nicht.

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Fazit

Die Frage, ob man den Sterrato braucht, ist obsolet. Die 1.499 Exemplar werden schneller von den Fans aufgeschnaubt sein, als der V10 durch die Dachhutze einatmet. Seine Fähigkeiten sind in der Praxis auf der Straße leichter auszukosten sein als Offroad. Sehr schade. Lamborghini sollte jedem Sterrato eine sandige Sonderprüfung mitliefern, damit die Herzen in der Alcantara-Kanzel ausnahmsweise Volllast pochen. Vor Freude über die spaßige Abstimmung, den druckvollen Motor und überhaupt.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

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