Lancia Thesis 2.4 und Maserati Quattroporte IV V8
Edle italienische Youngtimer für kleines Geld

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Mainstream geht anders: Lancia Thesis und Maserati Quattroporte locken alle automobilen Feingeister. Unschlagbar viel Exklusivität für wenig Geld gibt es obendrauf.

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Foto: Achim Hartmann

Differenzen oder Gemeinsamkeiten? Identische Komponenten, aber unterschiedliche Positionierungen? In der Autowelt von heute dreht sich vieles um Gleichteilestrategien und Synergien. Baugleiche Plattformen, gleiche Produktionsanlagen, aber beim Design total anders. Ein Phänomen, das längst kein Phänomen mehr ist, weil von vielen Herstellern praktiziert.

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Achim Hartmann
Diese Designs sind selten auf deutschen Straßen. Der Lancia wirkt sehr eigenständig, der Maseratie dezent aber dennoch ungewöhnlich.
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So auch aktuell bei Fiat. Dabei leistete man sich im gleichen Konzern noch vor zehn bis fünfzehn Jahren den Luxus, zwei charakterstarke Limousinen anzubieten, bei denen höchstens ein paar Schraubenmaße übereinstimmten. Vorhang auf für Lancia Thesis und Maserati Quattroporte: Hier das eigenwillig designte Komfortauto aus Turin, ein Gegner von BMW 5er und Mercedes E-Klasse und technisch eng mit dem Alfa 166 verwandt. Dort die schlicht gezeichnete Sportlimousine mit geballter Biturbo- Power, der man ihre Leistung kaum ansieht. Gegner? BMW M5, Alpina und AMG.

Lediglich 2.400 gebaute Quattroporte IV

Und so erscheint ein Vergleich dieser beiden Italo-Limos wegen ihrer unterschiedlichen Technik und Positionierung überaus reizvoll. Aber auch deswegen, weil sich beide Marken seither in völlig konträre Richtungen entwickelt haben. Lancia ließ 2002 bis 2009 nur 18.600 Thesis vom Stapel, davon fanden nur 1.400 Exemplare den Weg nach Deutschland. Viel zu wenig, um von einem Erfolg zu reden. Danach benötigte die Turiner Traditionsmarke zwei Jahre, um einen Thesis- Nachfolger auf die Räder zu stellen. Der 2011 präsentierte Thema jedoch war ein umgestrickter Chrysler 300C und verabschiedete sich 2014 glücklos – ein Synonym für die gesamte Marke, die aktuell nur noch den Kleinwagen Ypsilon verkauft.

Noch weitaus exklusiver als der Thesis: der Maserati Quattroporte. Die vierte Generation kam 1994 und wurde bis 2001 lediglich 2.400-mal gebaut. Nur die Götter wissen, wie viele deutsche Käufer sich überzeugen ließen. Aber: Um gegen etablierte Premium- Wettbewerber bestehen zu können, wurde unter Fiats Gnaden jüngst viel Geld in das Unternehmen aus Modena gesteckt. Fazit: Maserati lebt, Lancia stirbt.

Zurück zu unseren Fotomodellen: Quicklebendig stehen beide Viertürer für eine Ausfahrt bereit. Start mit dem Lancia Thesis. Ausgebleichte Lancia-Embleme an Front und Heck sind ein Schönheitsfehler, mehr nicht. Die Türöffner funktionieren elektrisch, ein opulenter Innenraum lädt zum Einstieg. Automatisch fährt der Sitz zurück, sodass Großgewachsene bequem Platz finden. Auch das Lenkrad summt auf leichten Fingerdruck in die richtige Position. Offenporiges Holz, Einstiegsleisten aus Edelstahl, feudales Leder, schöne Instrumente und die Materialqualität überzeugen. Liebe zum Detail? Absolut, hier hat sich Lancia wirklich Mühe gegeben.

Lancia-Thesis-Motor
Achim Hartmann
Der 175-PS-Diesel im Thesis knurrt sympathisch und schiebt gut vorwärts.

Sonor grummelnd erwacht der 175 PS starke Fünfzylinder-Diesel zum Leben. Wählhebel von P auf D, und los geht’s. Gediegen setzt sich der 4,90 Meter lange Italiener in Bewegung. Schon zwei Ampelkreuzungen später die Erkenntnis: Komfort ja, Sport nein. Das elektronisch geregelte Skyhook-Fahrwerk und die indirekte Lenkung prägen. Gewöhnungsbedürftig: Die Fünfgangautomatik überbrückt den Drehmomentwandler erst ab der dritten Stufe.

Knurriger Diesel im Lancia

Dank 380 Newtonmeter schiebt der Thesis kraftvoll an, unterstützt vom sympathischen Knurren des Common-Rail-Diesels mit der krummen Zylinderzahl. Achtung: Der bis März 2006 gebaute 2.4 Multijet 20V trägt nur die gelbe Plakette. Er hat keinen Partikelfilter, leider gibt es auch keine Nachrüstlösung. Erst der 185 PS starke Nachfolger bekam den Filter ab Werk und darf somit in die Umweltzone. Der Thesis-Fond bietet nicht so viel Platz wie Reihe eins, dafür kann man via Taste in der hinteren Mittelarmlehne den Beifahrersitz elektrisch verstellen. Außerdem gibt es eine Sonnenjalousie, einen Skisack und eine separate Klimaregelung. Respekt!

Raus aus dem Lancia-Fond und rein in die erste Reihe des Maserati Quattroporte. Stopp, erst muss die Karosserielinie näher bewundert werden. Selten wurden 336 PS, acht Zylinder und zwei Turbolader so dezent auf nur 4,55 Metern Länge verpackt. Das Auge streicht über die schlichte Form und bleibt an ungewöhnlichen Details wie den hinteren Radläufen und dem bulligen Heck hängen. Ein Dank an Marcello Gandini, dieses Design hat Klasse. Aber auch hier: nachlässige Qualität an einigen Stellen.

Mängel im edlen Maserati Interieur

Wenn man sich im Interieur umsieht, spürt man gleich: Anders als der Thesis ist der Maserati kein digitales Auto, analoge Technik dominiert. Dafür betören feinste Materialien: Connolly- Leder, Alcantara und Kirschholz verströmen den Duft von feinster italienischer Designerware. Leider ist der Klarlack auf dem Holz milchig. „Das haben viele Quattroporte IV“, bemerkt der Maserati-Experte Florian Ebersoldt. Modelle bis Baujahr 1998 hatten Ulmenholz an Bord und sind davon nicht betroffen. Leider wurde zu diesem Zeitpunkt auch die herrliche Analoguhr im Cockpit gegen einen schnöden Digitalwecker getauscht. Unverändert: die unorthodoxe Sitzposition. Egal wie man Sitz oder Lenkrad verstellt, so richtig passen will das Arrangement nicht. Speziell nicht, wenn man größer ist als der Durchschnittsdeutsche.

Maserati-Quattroporte-IV-Interieur
Achim Hartmann
Das Interieur im Quattroporte wirkt sehr exklusiv und edel. Leider wird bei vielen Modellen der Klarlack über dem Holz milchig.

Dafür passt der Punch des Motors. Einmal kurz am Schlüssel gedreht, schon erklingt der doppelt aufgeladene 3,2-Liter-V8. Da der Vierventil-V8 aus eine Ära stammt, als Turbolöcher noch größer ausfielen, teilt sich die Kraftentfaltung in zwei Erlebnisbereiche auf: unten wenig, darüber viel. Kurz Luftholen, dann pressen beide IHI-Lader massenhaft Gemisch in die Brennräume, und der Dreizack-bewehrte Italo prescht davon. Dabei benimmt sich der mit rotem Schrumpflack verzierte V8 akustisch eher dezent.

270 km/h Vmax im Quattroporte

Fast so, als wolle er sich nicht gegenüber der schlichten Hülle hervortun. Wer das kunstvolle Zusammenspiel aus Gas, Kupplung und Schalthebel beherrscht, sprintet mit dem Evoluzione in knappen sechs Sekunden auf Tempo 100. Die Vmax liegt bei 270 km/h. Dank 80-prozentigem Sperrdifferenzial bringt der Quattroporte die Kraft gut auf die Straße. Wenn das Heck quer kommt, muss man aber auf dem Gas bleiben, sonst droht ein unschöner Konterschwung. Kein Wunder auch, dass die Verbrauchswerte bei engagierter Fahrweise im Schnitt um Faktor zwei über denen des Diesel-Lancia liegen.

Zugegeben, ein unfairer Vergleich. Dafür kann man mit dem Maserati unbedenklich alle germanischen Umweltzonen ansteuern. Aber nein, fürs innerstädtische Posen von Ampel zu Ampel ist er nicht das richtige Auto. Wo der Thesis die (verwunderten) Blick auf sich zieht, bleibt der Maserati Quattroporte unter dem Radar der umherflanierenden Passanten. Zu unauffällig, zu selten – kaum einer erkennt die veritable Sportlimousine mit dem rassigen Stammbaum. Pures Understatement. „Den Maserati kauft man für sich, nicht für die anderen“, bringt es Florian Ebersoldt auf den Punkt.

Fazit

Beide Limousinen machen klar: Weg vom Einheitsbrei, denn exklusiver geht’s kaum. Der Maserati Quattroporte verpackt seine unbändige Power äußerst dezent. Dafür darf der extrovertierte Thesis als der letzte echte Lancia überhaupt gelten.