Land Rover Defender
Abschiedstour am Ende der Welt

Zum Abschied des Land Rover holten wir einen Defender direkt vom Band in Solihull, verfrachteten ihn ans Ende der Welt und erlebten ein letztes Abenteuer mit dem zähen Briten.

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Foto: Craig Pusey

An Lastenkränen schwanken Fahrgestelle unter der Hallendecke, gusseiserne Motorblöcke und Getriebegehäuse, groß wie Felsbrocken, werden auf Anhängern herbeigekarrt. Bei all dem Gedengel und Gehämmere wunderte es nicht, wenn eine Dampflok oder so etwas Ähnliches herauskäme. So etwas Ähnliches trifft es recht exakt, denn am Ende steht da ein Defender – letzter direkter Nachfahre des Land Rover, Herrscher über ein zerfallenes Weltreich und noch ebenso leitergerahmt und aluvernietet wie vor 67 Jahren.

Land Rover Defender in Rente mit 67

Ende Dezember, wenn die Produktion nach gut zwei Millionen Exemplaren und fünf Evolutionsstufen (’58: Serie II, ’61: IIA, ’71: III, ’84: 90/120, seit ’90: Defender) endet, werden seine Weggefährten ihn feiern. Und, oh, was für eine schöne Feier das wird. Sie werden erzählen können, wie es früher war, die beiden Teile herzeigen, die sich seit dem Debüt des Land Rovers am 30. April 1948 auf der Amsterdam Motor Show nicht geändert haben (die Halteöse zum Festzurren des Verdecks und Alu-Vierkantprofile an den hinteren Radkästen). Dann werden sie ein paar Pints auf den Defender trinken und danach ein paar gegen die Wut auf die EU. Die ist ja eh an allem schuld, und dieses Mal sogar wirklich. Sie schickt den Land Rover Defender mit neuen Verordnungen in die Rente mit 67. Mit der Abgasnorm Euro 6 hätte sich der Defender wohl noch arrangieren können, mit den Vorschriften zum Fußgänger-Unfallschutz konnte er das nicht. Oder mochte nicht – schließlich ist es seit 67 Jahren die Bestimmung dieses Autos, alles zu überwinden, was sich ihm in den Weg stellt.

Wir wollen nun nicht mehr von früher reden, sondern noch mal etwas mit dem Land Rover Defender erleben. Und da rollt unser Defender auf dem Band auf uns zu. Wir hatten um einen grünen gebeten, bekamen einen roten versprochen, der dafür nun erstaunlich schwarz lackiert dasteht. Von hinten drängeln die nächsten der letzten Defender, das ist nun also nicht der passende Moment für eine Grundsatzdiskussion. Wir kleben die Nummernschilder an, klettern rein, starten, fahren aus der Halle und biegen dann links ab, Richtung Ende der Welt.

Land Rover Defender mit 360 Nm

Großbritannien endet ja dauernd. Von einem Stück der 17.820 Kilometer Meeresküste (oder 12.429 oder 31.368 km, je nachdem, wer wie misst, auch bekannt als Küstenlinien-Paradoxon) ist kein Ort weiter als 70 Meilen entfernt. Wir wollen von Solihull aber an Britanniens offizielles Ende, ins 280 Meilen entfernte Land’s End in Cornwall. Das sorgsame Presseteam schickt uns einen Discovery der Land Rover Experience mit – samt Seilwinde. Wir überlegen kurz, wie weit man etwa reisen müsste, bis es gelingt, sich in einem Defender festzufahren. Und dass Land Rover Defender und Discovery wohl ausreichten, um das gesamte Empire zurückzuerobern – von Western Samoa über Sansibar bis Kanada. Andererseits kann ein wenig Vorsicht nicht schaden – schließlich hat sich das britische Straßennetz über Jahrzehnte ebenso widerstrebend weiterentwickelt wie der Defender. Viele Straßen sind so einspurig, dass einem nicht mal einer auf der falschen Seite entgegenkommen kann, weite Strecken bedeckt nur Schotter.

Wobei sich schon auf den ersten Meilen auf der M 5 nach Südwesten zeigt, wie unveränderbar untauglich der Land Rover Defender für feste Wege ist – mit torkeligem Geradeauslauf und tollpatschigem Handling später auf den kleinen Küstenstraßen. Immerhin geht hier alles im vierten und fünften Gang, weil der Diesel ab 1.000 Umdrehungen wuchtig loslegt. Überhaupt ist der Defender das letzte Auto, in dem du noch Maschinist bist. Beim Schalten rangelst du die Kupplung nieder, zerrst am langen Schalthebel, bis sich endlich der Gang knarzend verzahnt.

Auch wegen des recht umfassenden Verzichts auf Komfort erweist es sich als konditionsfördernd, 280 Meilen in einem Land Rover Defender zu fahren. Anders als das Mercedes G-Modell hat er sich nie darum bemüht, sich bei Kunden einzuschmeicheln. Eigentlich erträgst du ihn nur, wenn du ihn wirklich brauchst. Dass er sich für nichts zu schade ist, zeigt schon die Preisliste, welche die Vorzüge der unterschiedlichen Karosserieversionen thematisiert. So empfiehlt sie den Pickup zum Transport von "losen, schmutzigen, übel riechenden Gütern und Vieh".

Unser kurzer Station drängt mit der Wucht von 360 Nm weiter nach Südwesten, vorbei an roten Telefonzellen, an Reiterinnen, Softeisbuden, Strandhütten und Fish-’n’-Chips-Shops. Wir stoppen an einem Pub kurz vor Land’s End. Im Kamin prasselt ein Feuer, warmes Bitter und süßer Cider sickern aus Zapfhähnen. Dabei erzählen sie die Geschichte der drei Leuchtturmwärter der Flannan Isles oben in Schottland, die im Dezember 1900 verschwanden. Man fand nur einen umgekippten Küchenstuhl im Leuchtturm und sah drei schwarze Vögel über den Klippen. Von allen Theorien, die es über das Schicksal der drei Männer gibt, klingt diejenige als die plausibelste, wonach sie von einem Geisterschiff entführt wurden.

Wir sollten nun wohl weiter. Weil wir jemanden kennen, der jemanden kennt, der ein paar Dutzend Morgen Land hier hat, biegen wir auf einen Schotterpfad ab, der hinter einem verlassenen Minendorf durch einen Fluss führt und danach streng bergan. Nun endlich braucht der Land Rover Defender mal mehr als seinen permanenten Allradantrieb. Mit der Getriebeuntersetzung kraxelt er im zweiten Gang aufwärts mit dieser unaufhaltsamen Entschlossenheit, mit der er schon weite Wüsten, tiefe Täler und komplette Kontinente bezwang. Und die sich in keine Elektronik einprogrammieren lässt.

Nationales Symbol vor dem Ruhestand

Einst entstand der Land Rover Defender aus einem nach dem Krieg übrig gebliebenen Willys Jeep. Wohl in keinem anderen Land als Großbritannien hätte die Idee des damaligen Rover-Chefentwicklers Maurice Wilks so lange überlebt. Aber hier ersetzt man nichts, solange es funktioniert, selbst wenn es alt und etwas klapprig wird – Autos nicht und auch keine Häuser oder Monarchen. Weil Tradition nur durch Treue entsteht – na gut, durch Skepsis vor Neuem dann wohl auch.

Der Defender ist ein nationales Symbol, wenngleich sich das Land viel mehr geändert hat als der Rover. Galt es vor ein paar Jahren noch als familiäres Sonntagsvergnügen, im Garten den Müll zu verbrennen, wird nun alles recycelt. Und während Seine Lordschaft früher selbst bei der Treibjagd niemals einen Reiterhelm getragen hätte, darf man heute ohne Warnweste kaum mehr duschen. Ja, vielleicht schätzen die Briten den Land Rover Defender so sehr, weil er all das am besten kann, was über die Jahre verboten wurde. Und er beherrscht all das am nicht-so-besten, was heute so wichtig für ein Auto erscheint, sparsam oder schnell sein etwa oder sich mit Telefonen zu koppeln.

Man könnte ihn daher ewiggestrig nennen. Was aber nicht stimmt, denn der Land Rover Defender ist ein Ewigvorgestriger. Der Letzte, den es gibt. Gab, müssen wir schon fast sagen, als wir ordentlich durchgerüttelt in Land’s End ankommen und stolz feststellen, dass wir den Defender dem Ereignis würdig ordentlich eingematscht haben. Wir parken ihn auf den Klippen, als die Sonne etwas unfeierlich hinter den Horizont plumpst. Egal, denn das hier ist – um Winston Churchill zu zitieren – nicht das Ende des Defender, sondern nur das Ende vom Anfang. Drei Viertel aller je gebauten Land Rover rumpeln noch durch die Weltgeschichte. So wird auch der Defender noch lange überdauern. An diesem und jedem anderen Ende der Welt.