Lexus RZ 450e
Was kann der E-SUV mit E-Lenkung?

Für den vollelektrischen Lexus RZ greifen die japanischen Ingenieure auf eine Technik zurück, die fast schon vergessen schien: die elektrische Lenkung ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkeinrichtung und Vorderrädern. Wir durften ausprobieren, wie sich der elektrische Lexus so lenkt.

Lexus RZ 450e
Foto: Lexus

Der elektrisch gelenkte Lexus RZ verfügt auf Wunsch über kein konventionelles Lenkrad. Zur Vorgabe der gewünschten Fahrtrichtung dient ein Yoke, eine Steuereinrichtung, wie sie in ähnlicher Form auch in Flugzeugen zum Einsatz kommt. Das sei möglich, sagen die Lexus-Ingenieure, weil ein Übergreifen nicht nötig ist. Bis zum Anschlag reichen nach links und rechts je 150 Grad Lenkwinkel. Bei der Konkurrenz gebe es ähnliche Systeme, vergessen die Ingenieure nicht zu erwähnen, doch bei denen sind mehrere Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag notwendig, daher sei das kein echter Steuerknüppel.

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Schauen wir mal. Zum Anprobieren stehen zwei tarnfolierte Lexus RZ-Prototypen bereit, einer mit dem sogenannten One Motion Grip-System mit Yoke, eines mit konventioneller Lenkeinrichtung. Schauplatz des Geschehens: die Renn- und Teststrecke Castelloli in der Nähe von Barcelona. Eine Runde zum Kennenlernen hinter dem Pacecar im herkömmlich gelenkten RZ. Die Strecke bietet langsame und schnelle Kurven, Bergauf- und Bergab-Passagen, alles, was man sich so wünscht.

Bei hohem Tempo kaum Unterschiede

Das Pacecar, ein Lexus NX 450h+, ist recht zügig unterwegs, der Lexus RZ beschleunigt E-Auto-typisch zügig und ansatzlos aus der Boxengasse in Richtung der ersten Bergauf-Rechts, fühlt sich gut und stabil an. Die Lenkung zeigt sich nach ein paar Kurven auf der komfortablen Seite des Spektrums: leichtgängig, recht direkt und präzise, aber nicht sonderlich rückmeldungsfreudig.

Lexus RZ 450e
Lexus
Die Form des Yoke (engl. für Joch) genannten Lexus-Steuerknüppels erinnert an einige Lösungen aus dem Flugzeugbau.

Umstieg in den RZ mit One Motion Grip. "Beim schnellen Fahren sind die Unterschiede zur normalen Lenkung am geringsten", hatte Chief Engineer Lexus Electric Takashi Watanabe angekündigt. Da unterscheide sich der Lenkwinkel nur minimal. Leicht unruhiges Losfahren, nach ein paar Metern scheint die Eingewöhnungsphase abgeschlossen. Mit minimalen Lenkbewegungen lässt sich der RZ um den Kurs chauffieren, das wirkt aus der Fahrerperspektive ein wenig wie bei Bordkameras während Motorsport-Übertragungen. Die Rückmeldung passt ebenfalls, die Lenk- und Rückstellkräfte erhöhen sich bei höherem Tempo. Beim harten Anbremsen bleibt der Wagen fast ohne Fahrerinput in der Spur.

Auf dem Rangierparcours wird es schwieriger

Nach der Boxenausfahrt lauert die härtere Prüfung: der Rangierparcours. Hier zeigt die elektrische Lenkung ihre Tücken. Mit zunehmendem Lenkeinschlag steigt nämlich der Lenkwinkel überproportional, dazu sind auch Ansprechen und Rückstellmoment variabel. So auf Anhieb den richtigen Lenkeinschlag um eine sehr enge Kehre links und die nächste wieder nach rechts zu finden, bleibt auch nach mehrmaligem Durchfahren des Parcours schwierig.

Das sieht von außen eckig und unharmonisch an, hinter dem Yoke macht sich etwas Unruhe breit, weil der Lexus RZ wie von einem Anfänger gelenkt um die Ecken eiert. Das erinnert etwas an erste Fahrübungen im Autoscooter. Gerade in diesem Bereich den Sweet Spot zwischen maximalem Lenkwinkel, passendem Rückstellmoment und Ansprechverhalten zu finden, sei eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung gewesen, gesteht Ingenieur Watanabe.

Lexus RZ 450e
Lexus
Mit zunehmendem Lenkeinschlag steigt der Lenkwinkel überproportional

Seit zehn Jahren beschäftigt man sich bei Lexus und der Konzernmutter Toyota mit der Entwicklung einer rein elektrischen Lenkung – ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkeinrichtung, in diesem Fall dem Yoke, und dem Lenkgetriebe an der Vorderachse. Anders als bei dem ähnlichen System, das vor acht Jahren beim Infiniti Q50 debütierte, gibt es hier auch keine mechanische Backup-Verbindung für den Fall, dass die elektrischen Systeme ausfallen. Damals war das Notfallsystem in einigen Ländern noch gesetzlich vorgeschrieben. Das gilt nun nicht mehr.

Vorteile der One Motion Grip-Lenkung

Bedenken ob der Sicherheit eines rein elektrischen Systems räumt Watanabe aus. Ähnlich wie in der Luftfahrt üblich, verfügt der Lexus über redundante Prozessoren an Lenkeinheit und Lenkgetriebe. Dazu gibt es eine Batterie, die ausschließlich der Notfallversorgung vorbehalten ist und die sicherstellt, dass die Lenkung in jedem nur denkbaren Fall bis zum Stillstand mit elektrischer Energie versorgt wird.

Die Vorteile der One Motion Grip-Lenkung sind rasch aufgezählt: einfachere Anpassung an teil- und vollautonomes Fahren, weniger Störeinflüsse durch Fahrbahn-Unebenheiten, höhere Seitenwind-Stabilität, bessere Handlichkeit beim Rangieren und in engen Kurven oder auch verbesserter Blick auf die Instrumente.

Zum Abschluss darf die elektrische Lenkung ihre Fähigkeiten auf einer Rutschfläche mit dem Gripwert von nassem Asphalt vorführen. Es gilt mit ausgeschalteten Fahrhilfen ein simuliertes Ausweichmanöver zu fahren. Mit durchdrehenden Rädern spurtet der 230 kW starke E-Wagen (e-TNGA-Plattform des Toyota bZ4X) auf das Hütchen-Hindernis zu, übersteuert beim Einlenken recht spontan. Mit einer zackig-kurzen Lenkbewegung wird das Heck eingefangen, der Konterschwung genutzt, um die Pylonen zu umkurven. Da passt es wieder, obwohl manche Probanden die bei schnellen Lenkbewegungen steil ansteigenden Lenkkräfte bemängeln.

One Motion Grip soll es beim ab Herbst 2022 auf den Markt kommenden Lexus RZ nur optional geben. Rund ein Viertel der Käufer, so wird bei Lexus geschätzt, werden sich für die Elektrolenkung entscheiden. Schauen wir mal.

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Fazit

Nach Infiniti wagt sich nun also auch Lexus an eine rein elektrische Lenkung, sogar noch radikaler. Denn Lexus verzichtet auf eine Backup-Lenksäule und ein herkömmliches Lenkrad. Beim schnellen Fahren und Lenken bietet das System einfache Bedienung, leichte Eingewöhnung und beachtliches Spaßpotenzial. Das sehr nervöse und widerstandsarme Agieren bei großen Lenkwinkeln bleibt jedoch auch nach mehreren Versuchen gewöhnungsbedürftig.