Maxus eDeliver 9 (89 kWh)
Was kann der Elektro-Transporter aus China?

Der Maxus eDeliver 9 ist ein elektrischer Transporter aus China, der gegen Fiat Ducato und Co. antritt. Fahrbericht des Kastenwagens mit 89 kWh großem Akku.

8/2022, Maxus eDeliver 9
Foto: Bernd Conrad

Nachmittags am Schnelllader im Industriegebiet. Ein Sprinter, bedruckt mit den Logos eines großen Paketzustell-Dienstleisters, hängt am Kabel, daneben der Maxus eDeliver 9. Das unbekannte Logo, hinter dem sich Typ-2- und CCS-Anschlüsse des elektrischen Kastenwagens verstecken, weckt das Interesse des Sprinter-Fahrers. Marke und Modell sind ihm unbekannt. Damit geht es ihm vielleicht wie Ihnen, geschätzte Leser. Sorgen wir also für Aufklärung.

Der große E-Ratgeber

Maxus ist eine Marke des chinesischen Autoherstellers SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation). Der Staatskonzern ist lokaler Joint-Venture-Partner von Volkswagen und mit einer Reihe eigener Marken aktiv. In Europa verkauft SAIC Pkw unter der einst britischen Marke MG Motors. Nach Deutschland werden die Maxus-Nutzfahrzeuge von einer Importgesellschaft, die sich beispielsweise auch um die Marke SsangYong kümmert.

Der Maxus Deliver 9 ist aktuell der größte Transporter im Modellprogramm der Marke. Unter dieser Bezeichnung wird der Konkurrent zu Fiat Ducato, Ford Transit, Mercedes-Benz Sprinter und Co. mit Dieselmotor verkauft. Daneben gibt es den vollelektrischen eDeliver 9. Zwei Radstandvarianten und Karosseriehöhen bieten die Chinesen an, dazu kommt ein Plattformfahrgestell für individuelle Aufbauten. Die Anordnung des Akkus im Fahrzeugboden macht diese Flexibilität möglich. Für Vortrieb sorgt ein Elektromotor mit maximal 150 kW (204 PS), der die Vorderräder antreibt.

In Verbindung mit dem längeren Radstand, im Nutzfahrzeugsprech also in Form des Testwagens als L3H2, bietet Maxus den eDeliver 9 auch mit einem 89 kWh großen Lithium-Eisenphosphat-Akku an. In dieser Konfiguration steigt die Reichweite im Vergleich zu den Varianten mit 52 oder 72 kWh (Plattformfahrgestell immer mit 65 kWh), was den Einsatzradius des Kastenwagens erhöht.

290 Kilometer erfahrene Reichweite

296 Kilometer verspricht der Hersteller nach WLTP-Norm, im Stadtmodus gar 353 Kilometer. Um das nachzuprüfen, haben wir den Maxus eDeliver 9 auf einer für den Verteiler- und Zustellverkehr typischen Strecke bewegt. Zehn Prozent Autobahn simulieren die Fahrt vom Depot oder Firmenzentrum an den Stadtrand. 60 Prozent der Fahrten gingen über Landstraßen und durch Vororte, 30 Prozent betrug der Anteil des Stadtverkehrs. Vor allem hier lässt sich die höchste der drei über den Getriebe-Wählhebel einstellbaren Rekuperationsstufen nutzen. In ihr verzögert der Maxus ohne Fuß auf dem Fahrpedal kräftig. Ein reines "One-Pedal-Driving", also das Fahren mit nur einem Pedal, gelingt aber nicht. Für die letzten Meter bis zum Stillstand muss der Fahrer die Bremse betätigen. Praktisch: Auch nach dem Verlassen des ausgeschalteten Fahrzeugs und einem erneuten Start merkt sich das System die zuvor genutzte Stufe der Energierückgewinnung, sie muss also nicht jedes Mal neu aktiviert werden.

8/2022, Maxus eDeliver 9
Bernd Conrad
Am Schnelllader wurden maximal 71,1 kW Leistung erreicht.

290 Kilometer haben wir bei Außentemperaturen um 20 Grad mit dem genannten Fahrprofil erreicht, womit – zumindest mit dem unbeladenen Transporter – der Normwert also beinahe erreicht wird. Die gleiche Runde mit eingeschalteter Klimaanlage verringerte den Radius um zehn auf 280 Kilometer. Dabei wurde der eDeliver 9 nicht zu selten auch mit Höchstgeschwindigkeit bewegt. Kein Wunder, die liegt bei Landstraßentempo 100 km/h. Dann fährt der Chinese sanft in den Begrenzer. Der Elektroantrieb, dessen länger anliegende Nennleistung bei 70 kW (95 PS) liegt, sorgt für ausreichend flotte Fahrleistungen. Danach folgt ein Boxenstopp zum Nachladen. Das gelingt bei Wechselstrom dreiphasig mit 11 kW, am Schnelllader haben wir kurzzeitig eine maximale Leistung von 71,1 kW abgelesen. Auch hier folgt die Realität der Werksangabe, in 45 Minuten kann der Akku von 20 auf 80 Prozent Speicherkapazität nachgeladen werden.

Das Fahrwerk schluckt grobe Verwerfungen im Asphalt und auch die Polsterung der Sitze unterstützt den Fahrkomfort. Geräusche aus der Aufhängung und dem Laderaum, bei manchen Kastenwagen vor allem im leeren Zustand ein ständiger Begleiter, sind nicht wahrnehmbar.

Ordentlicher Innenraum

Die Verarbeitung der Kunststoffe im Fahrgastraum gibt keinen Anlass zur Kritik, nichts klappert oder knistert. Für den Berufsalltag würden sich Maxus-Fahrer aber gewiss mehr Ablagen für Packlisten, Tourenplan und Co wünschen. Über den USB-Anschluss lässt sich ein iPhone mit dem Infotainmentsystem verbinden, das zehn Zoll große Display zeigt dann auf Wunsch Inhalte von Apple CarPlay an. Android Auto ist nicht an Bord, entsprechende Smartphones können nur über den Umweg einer App gespiegelt werden.

8/2022, Maxus eDeliver 9
Bernd Conrad
Verarbeitung und Materialgüte im Cockpit sind gut. Es fehlt aber an Ablagen.

Die Ladekabel für Wallbox oder städtische Ladesäule sowie die Haushaltssteckdose finden unter den aufklappbaren Polstern der Beifahrer-Doppelsitzbank ihren Platz. Womit wir wieder beim Thema Laden sind. Wichtig bei der Konfiguration des Transporters: Die Nutzlast sinkt mit dem großen, schweren Akku. Der Maxus eDeliver 9 L3H2 mit 89-kWh-Akku kann bis zu 785 Kilogramm schultern. Zum Vergleich: Das kürzere Basismodell mit 52 kWh Speicherkapazität bietet eine mögliche Zuladung von 1.125 Kilogramm.

Preise auf dem Niveau der Konkurrenz

8/2022, Maxus eDeliver 9
Bernd Conrad
Branchenspezifische Ausbauten bieten Maxus-Händler in Zusammenarbeit mit Spezialisten an.

Format und Verarbeitung des Maxus eDeliver 9 liegen auf dem Niveau seiner Mitbewerber. Das gilt auch für die Preise. Ab 56.490 Euro netto (67.133,10 Euro mit Mehrwertsteuer) gibt es den chinesischen Kastenwagen mit 52 kWh großer Batterie. Der Fiat E-Ducato startet mit 90 kW (122 PS) starkem Antrieb und 47 kWh-Akku bei 55.400 (65.926) Euro. Ford spendiert dem e-Transit 77 kWh Speicherkapazität und einen Elektromotor mit 135 kW (184 PS), verkauft den Kastenwagen ab 59.800 (71.269,10) Euro.

Das Upgrade des Maxus eDeliver 9 mit großem Stromspeicher für maximale Reichweite ist nicht günstig. Mit 89 kWh und längerer Karosserie steht er ab 75.490 (89.833,10) Euro in der Preisliste. Der Importeur gibt eine Fünfjahres-Garantie bis 100.000 Kilometer auf den Neuwagen, auf die Batterie acht Jahre bis zu einer Fahrleistung von 160.000 Kilometern.

Umfrage
Wie halten Sie von Autos aus China?
3770 Mal abgestimmt
Die werden immer wichtiger
Die sollte man boykottieren
Billiger geht's nicht

Fazit

Mit dem eDeliver 9 bietet die chinesische Marke Maxus einen modernen Transporter im Segment von Ducato, Sprinter und Co. an. Antrieb und Reichweite können auf den ersten Eindruck überzeugen. Damit will sich der Maxus eDeliver 9 also in Szene setzen und gleichzeitig auf Schnäppchenpreise verzichten. Das wachsende Händler- und Servicenetz der Marke dürfte helfen, neue Kunden zu gewinnen.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten