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Mazda MX-5 im Fahrbericht
Mit dem Japan-Roadster unterwegs auf der Transfagarasan

Die Transfagarasan ist wie ein Destillat der besten Alpenpässe – auf wenigen Kilometern reihen sich hier die interessantesten Kurvenradien aneinander. Das macht die Straße in den Bergen Transsilvaniens zum Revier für den Mazda MX-5. Wir fahren den erstarkten Zweiliter.

Mazda MX-5, Exterieur
Foto: Dino Eisele

In Siebenbürgen, auch Transsilvanien genannt, sprießen in knorrigen Landschaften nicht nur knorrige Bäume, sondern auch knorrige Dörfer. Da ist die Zeit nicht etwa stehen geblieben, wie klischeehaft geschriebene Reiseführer behaupten, sie hat gerade erst an Fahrt aufgenommen – zumindest im automobilen Sinne. Klein- und Kompaktwagen parken an praktisch jeder Ecke, drängen Eselkarren in den Hintergrund des Straßenbilds; man muss Glück haben, um einen vor die Fotolinse zu bekommen.

Nur einen regional zugelassenen MX-5 haben wir auf unserem Kurztrip nicht entdeckt. Kann ja noch kommen, sobald sich herumspricht, dass der Mazda-Roadster das ideale Auto für die Transfagarasan ist.

Das Web plappert’s aus

Transfagarasan? Ja, das ist eine früher unter der Ladentheke geraunte Passstraße, die gerade zum willfährig ausgeplapperten Online-Tipp herabdeklassiert wird. Da ist ekstatisch die Rede von „der schönsten Hochgebirgsstraße der Welt“ oder sogar generell „der schönsten Straße der Welt“, der einzigen übrigens, „die wirklich so richtig knallt“. Wir haben uns von der Schwarmintelligenz nicht abschrecken lassen und sind trotzdem hingefahren.

Die Transfagarasan führt über das Fagaras-Gebirge in den südlichen Karpaten und hat das Potenzial, zumindest unter Motoristen die ewige Klischeeattraktion Dracula langfristig abzulösen. Denn ja – oh, wie gruselig –, der als blutrünstig beschriebene Fürst Vlad III. Draculea lebte wohl tatsächlich eine Zeit lang auf einer Burg unweit der Westseite der Passstraße. Wir wären ja prinzipiell zu einem Afternoon-Tea in seinen Gemächern erschienen, hatten aber leider keine Zeit: Wir mussten mit unserem MX-5 Kurven fahren. Und Kurven fahren. Und …

Mazda MX-5, Exterieur
Dino Eisele
Wie eine ideale Bergrennstrecke aussehen könnte? Genau so wie hier!

Denn dafür stehen wir hier, mitten in Rumänien. Und dafür haben wir Sibiu in aller Herrgottsfrühe verlassen, um vor dem Pulk der (noch) meist einheimischen Ausflügler am bedeutendsten Fotopunkt der Strecke anzukommen. Von hier oben erinnert die weithin überblickbare Passage an eine Carrerabahn, die in eine Modelleisenbahnlandschaft ohne Modelleisenbahn hineinmodelliert wurde.

Auf der Kopfkinoleinwand erscheint das Bild von gedankenversunkenen Riesenkindern, die hier in den Bergen beim Sandkastenspielen ihren Spaß hatten. Doch das kehrt die tragische Realität um: Nicht jeder der Arbeiter hat die Schufterei auf 2.000 Metern Höhe zu Beginn der 1970er-Jahre freiwillig erledigt. Und nicht jeder hat den Ausbau des ehemaligen Trampelpfads zur asphaltierten Gebirgsstraße überlebt.

Widmen wir also den Helden des alpinen Straßenbaus einen Moment des stillen Gedenkens, danken wir ihnen für diese Meisterleistung und schicken einen inbrünstigen Fluch hinterher in Richtung Hölle, wo Diktator und Menschenschinder Nicolae Ceausescu schmoren möge. Als Auftraggeber hat er (auch) die Leben der Bauarbeiter auf dem Gewissen – viele von ihnen waren zwangsverpflichtete junge Soldaten.

Andachtsergeben stehen wir am Abhang und verfolgen die Straßenführung in ihren kunstvollen Schlaufen, fahren ihnen mit der Nase nach, sortieren in Gedanken die Gänge, als wäre die Transfagarasan eine Bergrennstrecke: vom Zweiten, klack, über den Dritten, klack, bis hinauf in den Vierten. Ja genau, bis in den Vierten, denn viele Passagen sehen sehr flüssig aus, und einige der lang gezogenen Kurven nimmt man im Geiste entschlossen voll, bis die Nase irgendwo am Horizont die Spur verliert. Dann blicken wir noch kurz in die Weite und lösen uns schließlich aus der Ergriffenheit der Gedanken, die einen hier oben so weit weg tragen.

Selbstverständlich offen

Wir steigen in den kleinen Roadster. Natürlich fahren wir offen. Sofern man über eine Garage zum Wegschließen verfügt, rührt man ohnehin wochenlang das Verdeck nicht an – weil so ein MX-5 eben offen ganz selbstverständlich er selbst ist, geschlossen jedoch irgendwie overdressed wirkt. Allerdings lässt sich das Zuviel an Kleidung leicht entfernen: kurz das Dach entriegeln, schwungvoll nach hinten befördern und mit einem kräftigen Händedruck einrasten. Persenning? Gibt’s nicht, braucht man nicht.

Es gibt übrigens einiges, was man bei einer durchdachten Konstruktion nicht braucht. Während sich viele Cabrios den Wind so gut es geht vom Leib halten wollen, hält sich der MX-5 alles vom Leib, was den Wind abhält. Wir kreieren für ihn das Wort Freizugigkeit, weil sich dem Zug praktisch nichts in den Weg stellt.

Mazda MX-5, Exterieur
Dino Eisele
2 km? Kleine Untertreibung – sie bezieht sich auf die Kurven in der Schlüsselstelle.

Wenn man es sich recht überlegt, dann werden die meisten anderen Automodelle vor dem Hintergrund dieser Simplizität zu Gadget-Cars, die den eigentlichen Sinn der freudvollen Fortbewegung nie durchdringen werden. Dazu steht ihnen schon ihre eigene Üppigkeit im Weg – und sie nimmt stetig zu. Dagegen zeigt der Mazda, dass er sich selbst hervorragend weiterentwickeln und dabei ganz er selbst bleiben kann.

Dennoch ist der Roadster kein Retro-Modell. Er fährt in der Gegenwart und hält die Gedanken seines Fahrers in der Gegenwart. Im MX-5 wird man ganz ohne Meditationsübungen zum achtsamen Fahrer. Das unmittelbare Erleben des Augenblicks gelingt deshalb so gut, weil der kleine Zweisitzer keine überzogenen Glückserwartungen schürt wie etwa Supersportwagen. Wer nur 1,1 Tonnen auf die Waage bringt, muss kein Leistungsprotz sein; der MX-5 war es nie und wird es (wohl) nie sein. Ihm reichen dezente Leistungssteigerungen wie etwa jüngst beim Topmodell von 160 auf 184 PS. Die 24 zusätzlichen Pferde reißen das Leichtgewicht allerdings fühlbar kräftiger voran. Im Test sprintete der Mazda aus dem Stand eine halbe Sekunde schneller als bisher auf Tempo 100 – eine Marginalie, schon klar. Was aber hier auf alpiner Höhe ungemein hilft: mehr Druck ab dem mittleren Bereich. Und mehr Biss.

Das MX-5-Momentum

Dank eines neuen, leichteren Zweimassen-Schwungrads dreht der größere der beiden erhältlichen Vierzylinder seit seiner Verjüngungskur in den CAD-Abteilungen und auf den Prüfständen beflügelter hoch – bis auf 7.500 Umdrehungen hinauf.

Auf Gebirgsausflüge übersetzt heißt das: Der Roadster krallt sich den Kurvenausgang jetzt forscher, weil er sich wuchtiger aus dem Scheitelpunkt drückt. Das verstärkt das MX-5-Momentum – jenes Gefühl, zu driften, obwohl da gar nichts rutscht.

Paradox? Ja, zugegebenermaßen. Aber es beschreibt das emotionale Erfolgsgeheimnis des Roadsters schlechthin: Man fühlt sich in ihm (deutlich) schneller, als man es tatsächlich ist. Und die Kurven werden spektakulärer, als sie es sind. Wobei die Streckenführung hier oben tatsächlich begeistert.

Man fährt schon auf Sicht äußerst dynamisch, weil sich die Kurven dankenswerterweise nicht zuziehen. Weil ihre Radien anders als viele Alpenpässe nicht nur die Spitzkehre kennen, sondern auch weite Bögen. Und weil die Straßen angenehm breit ausgebaut sind – für den schmalen MX-5 sogar sehr breit. Es scheint, als sei hier ein autoaffiner Planer am Werk gewesen.

Dennoch ist die Transfagarasan vor allem eine Passstraße in großer Höhe. Auf bis zu 2.000 Metern über dem Meeresspiegel zeigt sich das Wetter erstaunlich wandlungsfähig. Die Berge Paltinu und Caprei trennen die beiden Seiten der Gebirgsstraße. Und ein etwa 800 Meter langer Tunnel verbindet sie.

Mazda MX-5, Motor
Dino Eisele
Der Vierzylinder-Reihenmotor leistet 184 PS und knackt die Hunderter-Marke in 6,5 Sekunden.

Er unterquert den Berggipfel und wirkt als Wetterscheide: Die Hochtäler des Nordens gelten als kühler, die spektakulär abfallende Südseite dagegen als wärmer. Es kann passieren, dass sich die eine Flanke in dichten Nebel hüllt, während die andere unter einem stahlblauen Himmel liegt – so war es bei unserem Besuch.

Doch glücklicherweise tendiert das Wetter im Fagaras-Gebirge zu pubertären Stimmungsschwankungen, weshalb man sich weder auf Vorhersagen noch auf den ersten Eindruck verlassen sollte. Es empfiehlt sich also durchaus, einfach weiterzufahren – natürlich sofern es die Sicht erlaubt, denn hier oben dickt sich die Luft zuweilen auf die Dichte von Erbsensuppe ein. Hat man aber Glück, und der Nebel bleibt auf Stärke von Rinderkraftbrühe, dann sollte man sich bis zum schwach befunzelten Bâlea-Tunnel durchlöffeln und sein Glück auf der anderen Seite versuchen.

Instagram zuvorkommen

So haben wir das gemacht und sind tatsächlich in ein paar satte Sonnenstrahlen gefahren. Da wurde es uns noch wärmer ums Herz als ohnehin. Denn obwohl der MX-5 stets sein Bestes gibt und den Fußraum auf Wunsch so richtig einheizt, sind die wärmenden Strahlen von oben dem Gebläse an Behaglichkeit doch deutlich überlegen.

Auch das ist schließlich der Vorteil eines kleinen Innenraums: Sollte jener einmal von eisiger Zugluft ausgekühlt sein, dann wärmt ihn ein sanfter Sonnenhauch ruckizucki wieder auf.

Wärme? Sonnenhauch? Im eisigen Dracula-Land? Ja, liebe Leser: Vergessen Sie die Stereotypen von Transsilvanien einfach. Drücken Sie Ihre innere Reset-Taste und spielen Sie mit einer Urlaubsfahrt über die Transfagarasan einen neuen Emotions-Track ein. Besser möglichst bald – bevor sich demnächst halb Instagram diese Bergstraße hochfotografiert.

Technische Daten
Mazda MX-5 G 184 Sports-Line
Grundpreis30.890 €
Außenmaße3915 x 1735 x 1230 mm
Kofferraumvolumen130 l
Hubraum / Motor1998 cm³ / 4-Zylinder
Leistung135 kW / 184 PS bei 7000 U/min
Höchstgeschwindigkeit219 km/h
Verbrauch6,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten