Fahrbericht Mercedes EQC 400 (2019)
Stromer unter einem guten Stern

Jetzt geht‘s richtig los: Mit dem endlich verfügbaren EQC nimmt die Elektro-Offensive von Mercedes so richtig Fahrt auf. Kann der eCrossover halten, was der Stern im Kühler verspricht?

Fahrbericht Mercedes EQC 400
Foto: Daimler AG/Dirk Weyhenmeyer

Oslo ist nicht von ungefähr die Lieblingsstadt der E-Mobilitäts-Fans, das bemerkst du bereits im Flughafen-Parkhaus. An den unzähligen Ladesäulen im Parkdeck 3 saugen einige Dutzend i3, Kona, Tesla oder Outlander Strom aus dem DC-Lader, sogar ein paar Audi e-tron sind bereits darunter. Und weiter hinten: eine Flotte Mercedes EQC, in Grau, Silber, Schwarz und Weiß, bereit für eine Probefahrt durch das E-Auto-Paradies.

80 kWh im Akku, 408 PS für den Ernstfall

Fahrbericht Mercedes EQC 400
Daimler AG/Dirk Weyhenmeyer
(Fast) alles wie gehabt: Wer im Cockpit einer aktuellen A-Klasse klar kommt, hat auch den EQC schnell im Griff.

Wir wählen einen silbernen, nicht die zum Start verfügbare Version 1886, und auch keinen mit Designo-Interieur. 75 Prozent verspricht die Ladeanzeige, das reicht locker, verspricht der Mercedes-Mitarbeiter, der die Route für die Testfahrt ins Navi tippt. Mehr als 300 km haben wir also zum Verstromen im 80-kWh-Akku-Pack im Wagenboden. Die Hardware ist ja bekannt, zwei Asynchronmaschinen mit zusammen 408 PS und 760 Nm, je einer an Vorder- und Hinterachse, zusammen mit der 658 kg schweren Hochvoltbatterie in eine leicht veränderte GLC-Bodengruppe eingebaut. Was bislang noch nicht bekannt war, ist der Preis. Ab 71.281 kostet der EQC, damit genau 59 900 Euro ohne Mehrwertsteuer, knapp unter der Fördergrenze für E-Autos.

Unsere Highlights

Die ehemalige Getriebestruktur gibt Crash-Sicherheit

Mercedes EQC
Daimler
Der EQC steht auf einer modifizierten GLC-Bodengruppe. Die bietet keinen Platz für ein durchgängiges Akku-Pack.

Der technische Unterbau entspricht ja im Wesentlichen jenem des GLC, aber mit einigen Änderungen. Die erläutert Rainer Justen, zuständig für die passive Sicherheit des EQC, an einem Chassis samt Batterieblock, nur ohne den Rest der Karosserie.Die Crashstruktur, welche Insassen und Lithium-Ionen-Akkus in der unteren Etage schützt, ist so gut zu erkennen. Und auch die Rohrkonstruktion im Getriebetunnel unter der Mittelkonsole. Ein Getriebe hat der EQC an dieser Stelle nicht, erklärt der Mercedes-Ingenieur, das Rohrgebilde sorgt dennoch für entsprechendes Verformungsverhalten im Ernstfall. Die Mittelkonsole im EQC ist also nicht ohne Grund so breit, sagt sich der Tester beim Losfahren, die Platzverhältnisse im Wagen sind luftig, aber keinesfalls üppig.

Norwegen ist Elektroautoland

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Daimler AG/Dirk Weyhenmeyer
Norwegen ist Elektroautoland. Ladesäulen gibt es sogar auf dem Land fast überall.

Das Interieur erinnert stark an A-Klasse und CLA, was ja nicht schlecht ist, die Bedienung samt MBUX der neuesten Generation ebenso. Hey Mercedes, bitte mein Telefon koppeln. Dann können wir wirklich los. Oder das, was man in Norwegen so nennt: Innerorts 50, außerorts ist meist 80 angesagt, nur auf Autobahnen 90 oder 100 km/h. Bald bummelt der EQC über eine malerische Landstraße nach Norden, zapft bei Durchschnittstempo 70 nur zaghaft Energie aus dem Lithium-Ionen-Block.

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Wenn er dürfte, könnte der E-Mercedes in 5,1 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h sprinten oder mit 180 km/h über die Bahn bügeln.Wir rollen anfangs über eine Osloer Stadtautobahn, Tempo 80 sind angesagt, und die vielen Videokameras lassen es ratsam erscheinen, sich daran zu halten. Das hier ist Elektroautoland, rund um die Mitte der Hauptstadt scheint ein Drittel der Autos elektrisch zu fahren. Gefühlt jedenfalls, in echten Zahlen sind es rund zwölf Prozent. Mildes Tempo beim Verkehr, niedrige Strompreise dank Wasserkraft und massive steuerliche Förderung helfen etwas nach. So dümpelt der EQC vom Flughafen nach Norden, der Bordcomputer zeigt rund 20 kWh Durchschnittsverbrauch, weniger werden es selbst bei betont sparsamer Fahrweise nie.

Straff aber geschmeidig über den Asphalt

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Der EQC steht auf einer leicht veränderten GLC-Bodengruppe. Entsprechend großzügig fallen die Stauräume aus.

Bald schlängelt sich die Straße über Hügel und durch Flusstäler. Hier kann der EQC zeigen, was an guter alter Fahrzeugtechnik in ihm steckt, etwa ein Fahrwerk mit Stahlfedern vorn und niveauregulierender, luftgefederter Hinterachse. So schwebt der Elektro-Crossover zwar nicht S-Klassen-sänftig über den Asphalt, bleibt jedoch stets geschmeidig. Das fühlt sich schon mal gut an. Zudem bleibt der EQC zuverlässig in der Spur, wenn das Kurvengeläuf engmaschiger und die Fahrweise etwas engagierter wird. Dabei helfen der sehr tiefe Schwerpunkt durch den 650 kg schweren Akkupack im EQC-Keller sowie die feinfühlige Lenkung: angenehmes Ansprechen, wenig Bewegung um die Hochachse, das passt.

Praktisch: Die „Reichweiten-Kartoffel“

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Daimler AG/Dirk Weyhenmeyer
Das ist die Reichweiten-Kartoffel, mit der im Navi des EQC visualisiert wird, wie weit man käme, würde man die komplette Akku-Kapazität ausreizen.

Die Schaltwippen am Lenkrad dienen als Rekuperationstasten, keine neue, aber eine gute Idee. In fünf Stufen lässt sich der Grad der Rekuperation per Fingertipp einstellen, von Segeln bis Einpedal-Fahren ist alles drin. Mit bis zu –0,25 g verzögert der EQC, etwas weniger als etwa beim E-tron. Rund 20 Prozent Reichweite lassen sich durch Rekuperieren gewinnen. Bei WLTP-Verbrauch sind so um die 400 km Reichweite möglich, das wird auf dem Navi-Display oder dem Smartphone sehr plakativ dargestellt. Das ist die Reichweiten-Kartoffel, sagte der Mercedes-Mann bei der Abfahrt. Die Kartoffel umflockt im Norden Lillehammer, so weit wollen wir gar nicht. Obwohl wir könnten.

Ladestationen gibt es in Norwegen reichlich

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Der Bremsassistent des EQC reagiert selbstständig auf stehende oder querende Fußgänger, bzw. Radfahrer.

Bevor die Reichweiten-Kartoffel zur Reichweiten-Kirsche schrumpft, ist ohnehin der Besuch einer Schnelllade-Station vorgesehen. Mit dem Leihwort aus der Botanik wird intern die Reichweitenanzeige im Display (und mit der entsprechenden App auch am Smartphone) beschrieben. Hier in Norwegen ist das ja kein Problem, Ladestationen gibt es selbst auf dem Land reichlich. Wir docken den Mercedes an, in 40 Minuten soll er am DC-Lader von zehn auf 80 Prozent Batteriekapazität nachladen. Die Anzeige am Ladesäulen-Display pendelt um die 100 kW Ladeleistung, Zeit für einen Kaffee aus dem Tankstellenshop. Denkste. Zwei Tesla bleiben neben der Säule stehen, nicht um nachzuladen.

Die Fahrer steigen aus, umkreisen neugierig den EQC, fragen höflich, ob sie den Wagen fotografieren und dabei in den Innenraum linsen dürfen. Wird auch Zeit, dass so ein Auto von Mercedes kommt, sagt einer, bevor er in seinem Model X entschwindet. Die Kartoffel reicht inzwischen über Lillehammer im Norden hinaus, so weit wollen wir gar nicht mehr. Also abstöpseln und weiter fahren. Dann ist MBUX wieder gefragt. Hey Mercedes, navigiere uns zum Hotel. Mal sehen, wie weit die Kartoffel bis dahin schrumpft.

Fazit

Gute Reichweite, angenehmer Komfort, kräftiger Antrieb – beim EQC wurde vieles richtig gemacht.

Technische Daten
Mercedes EQC
Grundpreis66.069 €
Außenmaße4762 x 1884 x 1624 mm
Kofferraumvolumen500 bis 1460 l
Höchstgeschwindigkeit180 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km