Mercedes EQE SUV
Elektro-GLE - gleitet schön, toucht nervig

Mit dem EQE hat Mercedes nun auch im Kernsegment der Marke einenen elektrischen SUV im Programm. Der hat seinem Limousine-Pendant einige neue technische Features voraus, die wie die aufwändig optimierte Aerodynamik Verbrauch und Reichweite optimieren sollen. Erste Erkenntnis aus dem Fahrersitz: Der Mercedes EQE wird seinem Käufer viel Freude bereiten – trotz einiger Ärgernisse.

Ein sonniger Sonntagnachmittag an der Küste westlich von Lissabon ist nicht der beste Zeitpunkt, um ein neues Auto kennenzulernen. Die Städter stauen sich auf dem Weg ans Wasser und verstopfen die Straßen. Hohe Geschwindigkeiten sind kaum möglich auf den schmalen Straßen. Da bleibt viel Zeit, sich auf den Innenraum des EQE 350 4-Matic zu konzentrieren.

Unsere Highlights

Unter dem Panoramadach entsteht im knapp fünf Meter langen SUV ein luftiges Raumgefühl. Bequem sind die Sitze vorn wie hinten, an Ablagen herrscht kein Mangel und die Materialqualität macht einen guten Eindruck. Unser Testwagen ist mit den Standard-Instrumenten ausgerüstet, das heißt: kein MBUX Hyperscreen mit nochmals größerem Monitor in der Mitte und dem zweiten Monitor vor dem Beifahrersitz. Doch das muss kein Verlust sein. Erstens spart man beim Verzicht auf diese Option rund 8.500 Euro (das kostet der Hyperscreen zumindest in der EQE Limousine). Und zweitens liegen in der Standard-Ausführung viele nicht unwichtige Tasten direkt unter dem Monitor, während sie beim Hyperscreen vor die Mittelarmlehne wandern und damit aus dem Sichtfeld des Fahrers.

Nerviges Touchen, brillante Monitore

Überhaupt die Bedienung: Es darf, wie es das Interieurdesign und sicher auch die Kostendisziplin wollen, getoucht werden. Kennt man von der Limousine, muss man aber nicht gut finden. In den Türtafeln finden sich zwar zur Sitzeinstellung noch die Konturen der einmalig praktischen Schalter in Form eines Sitzes. Die bewegen sich aber nicht, sondern sind starr ausgeführt und reagieren auf Fingerdruck – oder auch nicht. Im Lenkrad dann die bekannten Touchflächen für die Expedition in die unbekannten Tiefen der Menüs. Ein ständiges Ärgernis, wie wir nicht müde werden zu sagen. Mercedes räumt mittlerweile selbst ein, dass es bessere Lösungen gibt. Man habe schon ein neues Lenkrad fertig entwickelt, flüsterte uns ein Entwickler zu, und warte lediglich auf das entscheidende Go, um es einbauen zu dürfen.

Dafür glänzen die Digitalinstrumente mit großer Brillanz, und die Funktionalität im Großen ist dann wieder versöhnlich: Vorn wie hinten kommt man durch große, weit öffnende Türen mühelos rein und raus, die Heckklappe öffnet weit und gibt den Weg frei zu einem 520 Liter großen Kofferraum, der sich durch eine dreiteilig klappbare Lehne auf bis zu 1.675 Liter Volumen über einer ebenen Ladefläche erweitern lässt.

Auf 22-Zöllern unterwegs

Bei dem durch Kaffeefahrt-Ausflügler gebremsten Tempos ist die komfortorientierte Auslegung des Luftfeder-Fahrwerks allerdings gut erkennbar. Im Comfort-Modus dämpft der EQE mit hohem Abrollkomfort sanft wiegend über Bodenwellen und steckt Querrinnen gelassen weg. Nur ein- oder zweimal rumpelt der Testwagen mit seinen großen 22-Zoll-Rädern (die Serie startet mit 19-Zöllern) eher hör- als fühlbar durch ein tiefes Schlagloch. Doch da hätten Klassenkameraden wohl auch ihre Probleme. Im Dynamik-Modus strafft sich das Chassis dann merklich, ohne zum Härtefall zu werden.

Mit 215 kW Motorleistung ist der 350 der zweitstärkste EQE SUV. Als Allradler 4-Matic bietet er mehr Drehmoment als der Hecktriebler (765 statt 565 Nm). Das sind angesichts der zu bewegenden Masse nun keine Werte, die einem Tränen der Ergiffenheit in die Augen treiben. Hinter dem Lenkrad wächst schnell die Überzeugung, dass der EQE SUV damit ausgesprochen harmonisch motorisiert ist. Wenn sich auf den gewundenen Sträßchen entlang der Westküste Portugals eine kleine Lücke auftut, reicht ein beherzter Tritt aufs Fahrpedal, um mit kräftigem Druck im Rücken zu überholen. Mit ein bisschen Glück kann man den Schwung noch mit in die nächste Kurve nehmen, in die der Mercedes seiner leichtgängigen, aber nicht gefühllosen Lenkung so willig folgt, dass sein Gewicht schnell vergessen ist. Dass er dabei ein wenig wankt, stört nicht. Es passt vielmehr zur Anmutung eines geräumigen Familienautos, das nicht auf Sportler macht. Eher stört gelegentlich die A-Säule. Sie nötigt den Fahrer in Linkskurven gern mal dazu, sich etwas vorzubeugen. Man will ja schließlich sehen, wer oder was einem entgegenkommt.

Wendigkeit und Fahrspaß dank Hinterradlenkung

Für eine zweite Runde steht ein EQE SUV 500 4-Matic zur Verfügung, der mit 300 kW (408 PS) und 858 Newtonmetern schon beherzter antritt. Die Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h soll er in 4,9 statt 6,6 Sekunden wie der 350 4-Matic schaffen – und das ist auch spürbar. Wichtiger als die Erkenntnis, dass die Mehrleistung in jedem Geschwindigkeitsbereich spürbar ist, ist jedoch etwas anderes: Denn der 500er ist mit der Hinterradlenkung ausgerüstet, die mit bis zu zehn Grad Winkel arbeitet. Beim Rangieren fällt sofort der wesentlich kleinere Wendekreis auf, der laut Mercedes von 12,3 Metern auf 10,5 Meter schrumpft. Bei normalem Tempo führt sie zu sehr spontanen Reaktionen auch auf kleine Lenkbewegungen. Anfangs fühlt sich das ein wenig spitz und nervös an, ungewollt zackiges Einlenken inklusive. Doch nach einigen Kurven hat man sich daran gewöhnt, sticht wie mit einem viel leichteren Auto in die Kurven und drückt sich vergnügt tendenziell übersteuernd auf die kommende Gerade.

Das passt also alles ziemlich gut, wie es auch um die wichtigen Themen Reichweite, Laden und Verbrauch nicht schlecht bestellt ist. Die WLTP-Werte liegen zwischen 17,5 und 18,8 kWh pro 100 Kilometer, was bei einer nutzbaren Akkukapazität von 90 kWh Reichweiten von bis zu 596 Kilometern ermöglichen soll. Das Schnellladen läuft mit maximal 170 kW, die Navigation berechnet bei der Routenführung Ladestopps ein und zeigt darüber hinaus Ladepunkte im Umkreis.

Gesteigerte Effizienz durch optimierte Aerodynamik und Feinschliff im Antrieb

Technisch hat Mercedes alle Register gezogen, um den EQE SUV so effizient und reichweitenstark wie möglich zu machen. Ein Ausweis dafür ist der niedrige cw-Wert von bestenfalls 0,25, für den aerodynamischer Feinschliff betrieben wurde. Dachkantenspoiler und versenkbare Türgriffe sind da zu erwähnen, wie auch die (optionalen) Trittbretter unter den Türen. Sie allein verbessern den cw-Wert um 0,04 Punkte. Nicht auf den ersten Blick fallen die Spoiler in den Radhäusern auf. Allein der vor den Hinterrädern senkt je nach Radgröße den cw-Wert um 0,03 bis 0,11 Punkte, wobei das 19-Zoll-Standard-Rad die besten aerodynamischen Eigenschaften hat.

Bei der Effizienz-Optimierung ging es aber auch ans Eingemachte: So arbeiten die zehn Zellen des Akkus mit einer neuen, im EQS eingeführten Chemie. Die senkt den Kobaltgehalt unter die Marke von zehn Prozent und steigert mit einem optimierten Lademanagement die Effizienz. Dazu gehört nun auch eine Wärmepumpe (die in der EQE-Limousine noch nicht eingesetzt wird). Sie erhöht die Reichweite bei niedrigen Temperaturen um bis zu zehn Prozent. Und für die 4-Matic-Modelle hat Mercedes ein neues technisches Feature entwickelt, die sogenannte Disconnect Unit (DCU). Die entkoppelt Motor und Getriebe der Vorderachse immer dann und schickt sie in den Freilauf, wenn kein Allradantrieb erforderlich ist. Das geschieht unmerklich in nur 240 Millisekunden in die eine wie die andere Richtung. Auch so kommen wieder einige Kilometer Reichweite zusammen.

Der Verkauf startet voraussichtlich im Mai oder spätestens Juni. Dann kann man allerdings erst einmal nur vorkonfigurierte Autos ordern. Deren Preise dürften die Grundpreise deutlich übersteigen. Bereits das Basismodell EQE SUV 300 mit 180 kW (245 PS) und Hinterradantrieb liegt bei rund 83.500 Euro, der 350 plus (Heckantrieb) kostet gut 3.000, als 4-Matic gut 6.000 Euro mehr. Der 500 4-Matic kratzt ohne Extras an der 100.000er-Grenze. Und auch bei ihm sind weder Hinterradlenkung noch Luftfeder-Fahrwerk serienmäßig an Bord.

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Fazit

Der Mercedes EQE SUV spielt seine Rolle als komfortables und geräumiges Familienauto sehr überzeugend. Mit 1,8 Tonnen gebremster Anhängelast taugt er sicher auch vielen als Zugfahrzeug. Er fährt sich gut und verspricht durch große Reichweiten hohe Alltagstauglichkeit. Manche Detaillösungen im Bereich der Bedienung nerven allerdings, vor allem angesichts der nicht gerade bescheidenen Preise.