Mitfahrt Mercedes EQE SUV 500 4-Matic und 53 AMG
Verlust der SUVigkeit

2023 startet Mercedes mit dem EQE SUV auf den E-Markt. Von zwei Modellen konnten wir uns bereits einen nachhaltigen Fahreindruck verschaffen.

Mercedes-Benz EQE SUV 500 4Matic
Foto: Mercedes / Patrick Lang

Vom vierten Auto auf der EVA-II-Plattform versprechen sich die Mercedes-Verantwortlichen Einiges, bedient es doch gleich zwei wichtige Bereiche. Einerseits das SUV-Segment und andererseits die Elektro-Sparte. Das selbstbewusste Lächeln von EVA-II-Chief-Engineer Drummond Jacoy, der uns zur Mitfahrt begrüßt und sich hinter das Steuer des EQE SUV 500 4Matic schwingt, suggeriert zwei Dinge: Offenbar ist er mit dem Ergebnis der Entwicklungsarbeit zufrieden und außerdem wurde wohl eine ansprechende Route durch den Naturpark Obere Donau ausgesucht.

Der große E-Ratgeber

Die Leistungsdaten kennen wir von der Limousine – 300 kW (408 PS) und 858 Newtonmeter Drehmoment. So opulent das klingt, so unaufgeregt setzt sich der E-SUV in Bewegung. So lautlos wie mühelos gleiten wir von der asphaltierten Freifläche am Eingang des Test- und Prüfgeländes in Immendingen, um uns alsbald auf engen Landstraßenabschnitten wiederzufinden. Ein kurzer verstohlener Blick nach rechts. Feuchte Stirn? Angestrengter Blick? Fehlanzeige.

Dynamik- und Gelände-Vorteile

"Der EQE SUV ist etwas kürzer geraten als die Limousine. Neun Zentimeter weniger Radstand, zehn Zentimeter weniger Außenlänge. Wir wollten damit klassische SUV-Proportionen schaffen und außerdem bieten diese Abmessungen Vorteile im Gelände und bei dynamischer Fahrt", erklärt Jacoy gelassen. Und tatsächlich: Der immer noch 4,86 Meter lange und immerhin 2,14 Meter breite SUV fühlt sich erstaunlich kompakt und wendig an. Auch wenn die schmale Frontscheibe kein allzu großes Sichtfeld nach vorn bietet.

Das Niveau des Geräuschkomforts bedarf, wie bei den Elektromodellen von Mercedes üblich, keiner Rüge. Aerodynamisch optimiert schneidet der EQE SUV mit einem für seine Größe beeindruckenden cW-Wert von 0,25 durch den Fahrtwind, ohne dass ein Rauschen ans Ohr der Insassen dringt. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, schmeißt einfach die neue Dolby-Atmos-Audioanlage an und lässt jeden Kinobetreiber mit donnernden Bässen und knackigen Höhen vor Neid erblassen.

Wo wir grade bei audiovisuellem Entertainment sind: Mit Zync ist ein neuer Kooperationspartner an Bord, der Filme, Serien und TV-Inhalte hochauflösend auf das Beifahrer-Display des Hyperscreens wirft (ohne Hyperscreen werden die Inhalte auf dem zentralen Display dargestellt). Damit der Film-Genuss den Fahrer nicht in Versuchung führt, trackt eine Kamera dessen Augen und schwärzt die Cockpit-Leinwand, sobald der Blick in Richtung Beifahrer wandert. Irgendwie gemein, aber der Sicherheit ungemein zuträglich. Übrigens: Zync landet via OTA-Update auch auf Bestandsfahrzeugen der EQ-Familie.

Mercedes-Benz EQE SUV 500 4Matic
Mercedes
Hier gibt es NICHTS zu sehen! Laufen auf dem Beifahrer-Screen Filme, schaltet sich das Display ab, sobald der Fahrer seinen Blick dort hinwandern lässt.

Neue Technik debütiert

Mit dem EQE SUV führt Mercedes die sogenannte DCU (Disconnect Unit) ein. Die sorgt dafür, dass die Vorderachse entkoppelt wird, wenn die Fahrsituation das erlaubt. Das automatische Trennsystem schaltet bei geringer Last auf Hinterradantrieb und verhindert sonst übliche Schleppverluste durch den ruhenden E-Motor. Der Effizienz des SUV kommt das mit rund fünf Prozent zugute. Ebenfalls neu an Bord ist eine Wärmepumpe, die künftig alle Modelle auf EVA-II-Basis erhalten sollen. Dadurch steigt die Reichweite an kalten Tagen, da das System das Heizen der Kabine unterstützt.

Kunden in den USA kommen außerdem in den Genuss des neuen "Automated Lane Change", der auf Autobahnen langsamer vorausfahrende Fahrzeuge auf der eigenen Spur eigenständig überholt und das Auto bei aktiver Navi-Zielführung auch auf die Abbiegespur manövriert, wenn die Autobahn verlassen werden soll. In Deutschland gibt es dafür bislang allerdings keine Zulassung. Auch der Drive Pilot, also das teilautonome Level-3-System von Mercedes bleibt dem EQE SUV vorenthalten. Es wird bis auf Weiteres nur in S-Klasse und EQS-Modellen zum Einsatz kommen.

Ein Andenken von AMG

Zeit zum Umstieg auf das AMG-Modell des EQE SUV. The Big One – der 53er mit 460 kW (625 PS) und 950 Newtonmetern Drehmoment. Für einen amtlichen Raketenstart stellt das System gar 505 kW (687 PS) bereit, um in 3,5 Sekunden über die Tempo-100-Marke zu fliegen. Muss man das anzweifeln? Bei einem so großen und schweren Fahrzeug vielleicht schon. Aber EVA-II-Projektchef bei AMG, Jens Hüser, tritt zur Einstimmung kurz das rechte Pedal durch und die entstandenen g-Kräfte vertreiben jegliche Skepsis. "Wir hätten gerne, dass du als Andenken den Abdruck des AMG-Logos auf den Kopfstützen an deinem Hinterkopf mit nach Hause nimmst", lacht Hüser und verstohlen tasten die Finger nach, ob er Recht behalten sollte.

Mercedes-AMG EQE 53 SUV
Mercedes
Die Beschleunigung im Mercedes-AMG EQE 53 SUV stanzt dir das Markenlogo von der Kopfstütze auf den Hinterkopf - na ja, fast vielleicht.

Doch dann kehrt erstmal Ruhe ein. Sanft wie sein Serien-Bruder gleitet der EQE 53 AMG über die Straßen. Ein 48-Volt-Bordnetz sorgt für aktive Wankstabilisierung, die Verstelldämpfung radiert Fahrbahnunebenheiten aus der persönlichen Wahrnehmung. "Wenn du früher ein Auto fahrdynamisch besonders anfetten wolltest, dann hast du die Kiste einfach bockhart gemacht und den Komfort so gut wie ganz geopfert. Heute bietet die Technik ausgefeilte Möglichkeiten zur charakterlichen Spreizung per Knopfdruck", schwärmt der Ingenieur. Wie zum Beweis springt die Anzeige auf Sport+ und der EQE SUV verliert jegliche SUVigkeit.

Gulli-Deckel und Fugen verwandeln sich plötzlich von optischen Unterbrechungen auf der Straße zu spürbaren Verwerfungen in der Oberfläche. Die Fahrbahn-Anbindung strafft sich, neigungsbefreit umstürmt der E-AMG die Kurven. Das garantiert Fahrspaß ganz ohne StVO-Verstöße. Wer mag, konfiguriert sich im Infotainmentsystem noch die passende Soundkulisse dazu.

Oh, Tannenbaum!

So richtig zur Sache geht es dann auf dem abgesperrten Mercedes-Prüfgelände. Dort tobt der EQE 53 durch den sogenannten "Tannenbaum". Eine Serpentinen-Auf- und Abfahrt, die aus der Luft betrachtet wie ein, naja, Tannenbaum aussieht. "Geradeaus brettern ist für lustvolle Fahrer ja nie das ganze Vergnügen. Aber so eine Kehre mit 50 km/h zu nehmen, wenn das Heck drückt und sich die Reifen in den Asphalt beißen – das bringt erst so richtig Freude", benennt Hüser das Offensichtliche, während er das 2,6 Tonnen schwere Kraftpaket behände durch die Radien zirkelt.

So bleibt uns am Ende auch nichts anderes übrig, als mit einem Lächeln auf dem Gesicht auszusteigen. Ja, der EQE SUV ist ein, wie der wenig kreative Name schon sagt, SUV. Aber die Segment-Zugehörigkeit beschränkt sich auf deren nutzbare Eigenschaften wie die erhöhte Sitzposition, den gesteigerten Komfort und das Platzangebot. Dem Fahrer bleibt dabei jedoch immer das wohlige Wissen um die Tatsache, dass die ambitioniert-sportliche Einlage nur einen Knopfdruck weit entfernt ist.

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Fazit

Mercedes verspricht sich viel vom EQE SUV. Dank seiner kompakteren Abmessungen soll er mehr Freunde finden als der ausladende große Bruder aus der EQS-Reihe. Das Platzangebot eines ausgewachsenen SUV bleibt bestehen, Komfort und Sportlichkeit wollen die Stuttgarter vereint wissen. Die erste Mitfahrt beweist: Der Plan geht auf. Und wer einen SUV möchte, der sich bei Bedarf so gar nicht nach SUV anfühlt, findet seine Heimat bei AMGs EQE 53 SUV.