Mitsuoka im Fahrbericht
Kuriositäten-Kabinett auf japanisch

Schrägere Typen als die Modelle von Mitsuoka dürfte es selbst auf dem japanischen Markt kaum geben. Jetzt plant der Kleinserienhersteller, seine skurrilen Fahrzeuge in Europa anzubieten. Endlich ein Grund, zwei von ihnen Probe zu fahren: den völlig wirren Sportwagen Orochi sowie das eingedampfte Jaguar-Imitat Viewt auf Nissan-Micra-Basis.

Mitsuoka, Händler
Foto: Arturo Rivas

Ein echter Aufreißer ist er also, ein Frauenliebling, ja ein Frauenheld geradezu. Nein, nicht Katsuyoshi Kasahara, Vertriebsmanager bei Mitsuoka, zumindest wäre darüber nichts bekannt. Nein, der Viewt hat es den Damen angetan. "Tatsächlich wird dieses Modell überwiegend von Frauen gekauft, und zugleich ist es unser erfolgreichstes Modell", sagt Kasahara. Gleich vier davon stehen vor dem Verkaufsraum der Mitsuoka-Niederlassung. Ein älteres Ehepaar, er Typ reifer Künstler, sie reife Geisha mit weiß gepudertem Gesicht, streift gerade um das dunkelgrüne Exemplar mit brauner Innenausstattung in Leder.

Rund drei Viertel der gesamten Monatsproduktion von 40 Fahrzeugen entfallen auf den Viewt, einen 4,51 Meter langen Viertürer, der aussieht, als sei er ein Jaguar Mk II, der noch in den Kindergarten geht. Darunter steckt übrigens ein Nissan Micra, der von Mitsuoka komplett gekauft, zerpflückt und neu zusammengesetzt wird. Dach und Kofferraum fertigt Mitsuoka in Stahl, den Vorderwagen aus Kunststoff. Jetzt ist der Micra also eine Stufenheck-Limousine mit einem großen, aber beinahe unmöglich beladbaren Kofferraum, da mitten darin die Quertraverse des Basisautos wuchert.

Dafür lässt sich durch den Spalt zwischen Hutablage in Edelholzoptik und Rückbank das Gepäck beaufsichtigen, wenn es denn einmal verstaut ist. Ansonsten wirkt das Interieur ziemlich schnieke, Leder mit Keder in Kontrastfarbe selbst auf dem Armaturenbrett, dazu Metall- und Holzoptik, wenngleich alles das Aufpreis kostet - zum Grundpreis von über 15.400 Euro, was in Japan rund dem Doppelten eines Micra entspricht.

Ein Jaguar-Klon von Mitsuoka auf Nissan Micra-Basis

Und wie fährt sich der kleine Lord? Ja nun, wie ein Micra eben, was für eine Überraschung. Ein wirklich braves Auto mit einer etwas hölzern ansprechenden Federung, aber irgendwie lullt einen dieses exotische Ambiente ein, schnell findet man das ganz lustig, ja sogar liebenswert - alles Eigenschaften, die sich britische Automobile seit jeher zunutze machen, damit sich ihre Besitzer ob der mechanischen und elektronischen Unzulänglichkeiten nicht freiwillig zu Fish and Chips in die Fritteuse werfen.

Aufgrund seiner japanischen Seele dürfte der Viewt seinen Besitzern jegliche Verzweiflung aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit ersparen. Er muss sie lediglich davon überzeugen, dass die Kombination aus einem 1,2-Liter-Saugmotor und stufenloser Automatik die beste aller möglichen ist, was ein gutes Stück Arbeit bedeuten dürfte – zumal Mitsuoka nun seine Modelle auch in Europa anbieten will. Wirklich? Oh ja! Vertriebsmanager Kasahara berichtet: "Ab 2015 haben wir einen Händler in Großbritannien, aus Deutschland liegen uns Anfragen größerer Händlergruppen vor." Dazu zählt die Mitsuoka-Gruppe übrigens selbst, verkauft hauptsächlich Importmarken wie Audi, VW, Fiat und Chevrolet. Nur zehn Prozent des gesamten Geschäfts entfallen auf den Bau und Verkauf der eigenen Produkte.

Mitsuoka Orochi: Platte Riesenschlange

Der Orochi zählt nicht mehr dazu, alle 130 Exemplare des Sportwagens sind vergriffen. Mitsuoka Orochi – was für europäische Ohren klingt wie ein fürchterliches Fleckfieber, bedeutet nichts anderes als Riesenschlange, was wiederum den eigenwilligen schwarzen Strich in den Scheinwerfern erklärt. In einem selbst entwickelten Rohrrahmen-Chassis hängt ein 3,3-Liter-V6 aus dem Toyota-Konzern, der milde 238 PS leistet und ein maximales Drehmoment von 328 Nm bei 4.400/min an die Fünfstufenautomatik weiterreicht. Gemessen am, sagen wir mal, außergewöhnlichen Design erscheint der Orochi eher als Mogelpackung – was der Hersteller auch zugibt, indirekt zumindest. "Viele der Käufer hatten vorher einen Lamborghini oder Ferrari, doch der war ihnen zu kompliziert."

"Auf eine spektakuläre Optik wollen sie aber dennoch nicht verzichten", sagt der Vertriebsmanager. Nun, es müssen eher kleinwüchsige Menschen sein, die so denken, denn der Orochi bietet innen kaum mehr Platz als eine Bento-Box, jenes japanisches Kästchen für Mittagessen. Das Armaturenbrett drückt aufs Knie, das Lenkrad auf die Oberschenkel, der Dachhimmel auf den Kopf und der aus den frühen Neunzigern geklaute Einrichtungsstil aufs Gemüt.

Aber sonst, ja sonst fährt sich der Orochi ziemlich kultiviert und unkompliziert, abgesehen von einer latenten Unübersichtlichkeit. Keine Kaltstart-Fanfaren, kein Hochdrehzahlsägen, kein knallhartes Fahrwerk, dafür jede Menge Aufmerksamkeit, gelegentlich durchmischt von blankem Entsetzen – doch das in asiatischen Gesichtern richtig zu interpretieren, fällt dem Europäer ja eher schwer. Indes dürfte sich seine Trauer darüber in Grenzen halten, dass der Orochi nun nicht in die für Mitsuoka neuen Märkte exportiert wird. Obwohl: "Der Sportwagen kam so gut an, dass wir über einen Nachfolger nachdenken", verrät Kasahara. Übrigens: Die 80.000-Euro-Riesenschlange ging ausschließlich an männliche Käufer – oder solche, die sich für männlich hielten.