Bentley Continental GT Speed im Fahrbericht
Kommt hier der britische Alleskönner?

Beim neuen Bentley Continental GT Speed ist der Name Programm. Egal wie schwer oder breit, der Motor schiebt, als wäre es fünf vor Tea-Time.

Bentley Continental GT Speed, Frontansicht
Foto: Hersteller

Ohne die deutsche Sprache wäre die Weltliteratur in etwa so aufregend wie eine Palette H-Milch im Niedrigpreis-Supermarkt. Doch sobald es um Begriffe der Naturwissenschaft geht, klingen alle Begriffe meist sehr nach „Dipl.-Ing“. „Geschwindigkeit“ beispielsweise wäre doch ein arg holpriger Name für ein besonders potentes Automobil.

„Speed“ dagegen zischen sich Enthusiasten verschwörerisch zu, wenn das Topmodell der Bentley Continental-Baureihe an ihnen vorbeidonnert. Und kaum mehr als ein Zischen dringt in den Innenraum, wenn das unbedeutende 2,3 Tonnen schwere Coupé Bentley Continental GT Speed mit 250 km/h und mehr über die Autobahn brennt.

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Bentley Continental GT Speed mit 800 Nm Drehmoment

Erst bei 330 km/h ist Schluss, und dabei sei es laut Hersteller unerheblich, ob den Zweitürer nun der kühle deutsche Herbst oder der trocken-heiße Nahost-Sommer umschließt – zumindest solange die Temperatur nicht mehr als 40 Grad beträgt. Eigentlich ebenso unerheblich: Gegenüber seinem Vorgänger leistet der Bentley Continental GT Speed mit 625 jetzt 15 PS mehr, das Drehmoment steigt von 750 auf 800 Newtonmeter, und die Beschleunigung von null auf 100 km/h sinkt um 0,3 auf 4,2 Sekunden. Kurzum: Der Brummer stürmt tierisch vorwärts.

Etwas mehr Beachtung beim Bentley Continental GT Speed verdient dagegen die neue Achtstufenautomatik, die den Auftrag, die absurde Kraft zu verwalten, mit der Genauigkeit eines deutschen Beamten ausführt – relativ betrachtet allerdings mit Lichtgeschwindigkeit. Und im Sportmodus verändert der Bentley die Tonlage; wummert, klingt rau wie nach stilvollem Wasserpfeifen-Genuss. Selbst jetzt würde der doppelt aufgeladene W12-Motor nie aufdringlich werden und schützt die Zuhörer ebenso vor peinlichem Stakkato, wenn er sich dem Begrenzer nähert – selbst im manuellen Modus schaltet das Getriebe selbsttätig hoch, und das schon bei 6400/min.

Bentley Continental GT Speed mit sportlicher Askese

Aber was, bitteschön, rauscht denn da so penetrant im Bentley Continental GT Speed? Ach so, die Sitzlüftung, sie ist mit das Lauteste am scheinbar unerschütterlich verarbeiteten Coupé. Überhaupt verschont der Bentley seine Passagiere mit sportlicher Askese: Sie sitzen ungeachtet ihrer Statur bequem, ein bisschen hoch vielleicht, genießen diskrete Klimatisierung, aktuelle Unterhaltungselektronik sowie hohen Federungskomfort. Die adaptiven Dämpfer lassen den GT Speed selbst in sportlichster Stufe nicht unsensibel über Bodenwellen hinwegholzen, sondern federn lediglich etwas trockener an und reduzieren zugleich die Seitenneigung.

Gleich zwei Autos in einem sei der Continental GT Speed daher, jubiliert Bentley, ein „exceptional supercar“ zum einen und ein „everyday grand tourer“ zum anderen. Nur: Ausgerechnet in Kurven bringt er diese Eigenschaften irgendwie durcheinander, denn zu sehr drückt das Gewicht auf die Agilität. Obwohl die Federraten vorne um 45 und hinten um 33 Prozent härter als beim Standard-Continental ausfallen und zudem die Stabilisatoren 50 Prozent dicker sind, schubbert der Brite schnell über die 21 Zoll großen Vorderräder. Immerhin: Sowohl die zwar nicht besonders direkte, aber gefühlvolle Lenkung als auch die Bremsanlage mit (optionalen) Carbon-Keramik-Scheiben vermitteln das Vertrauen, um den Brocken flott einen Pass hinaufzuwuchten.

Triebwerk wiegt fast 300 Kilogramm

Verstörend kraftvoll und allradangetrieben sicher auf die Gerade hinausfeuern, dabei fühlt der Bentley Continental GT Speed sich wiederum besonders wohl. Hier läuft der Speed ungeachtet der riesigen Räder stoisch geradeaus – was ja in diesem Fall auch gewünscht ist – und schraubt sich mit geradezu unverschämter Lässigkeit in ferne Tempo-Sphären. Jetzt bloß nicht ablenken lassen und etwa beginnen, die herrlichen Schleifmuster in den Aluminium-Zierleisten oder gar die Einstiche der zahllosen Ziernähte zu zählen.

Und wer einmal das in die Mittelkonsole integrierte Brillenetui herausnimmt, bekommt eine vage Ahnung davon, warum der Bentley Continental GT Speed so schwer geriet. Gleiches gilt vermutlich auch für die Lüftungsausströmer, die allerdings nicht zur Entnahme vorgesehen sind und daher an Ort und Stelle bleiben. Das Monumental-Triebwerk unter der Haube muss sich dagegen mit seinen 298 Kilogramm nicht unbedingt verstecken – mit seiner Leistung erst recht nicht. Und dafür gibt es wohl kaum eine bessere Modellbezeichnung als „Speed“.

Technische Daten
Bentley Continental GT Speed Coupé 6.0 W12 4WD Speed
Grundpreis206.584 €
Außenmaße4806 x 1944 x 1394 mm
Kofferraumvolumen358 l
Hubraum / Motor5998 cm³ / 12-Zylinder
Leistung460 kW / 625 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit330 km/h
Verbrauch14,5 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten