Opel Astra TCR (2016) im Tracktest
330 PS und Slicks für Opels Kompakten

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Mit dem TCR legt Opel einen richtig heißen Astra auf, satte 330 PS stark, nur etwa 1,2 Tonnen leicht. Okay, er kostet rund 100.000 Euro und bekommt ausschließlich auf Rennstrecken genügend Auslauf - also ab damit auf den Grand Prix-Kurs des Nürburgrings.

Opel Astra TCR 2016, Tracktest, Tourenwagen, 04/2016
Foto: Thorsten Weigl / Opel

Mit blockierenden Vorderrädern rodelt der Opel Astra TCR auf die Kurzanbindung des Grand Prix-Kurses zu, dass Zentraldisplay blinkt hektisch rot. Stimmt, da war doch was: Kein ABS. Mist. Also etwas Druck vom Pedal, die Räder drehen sich wieder, gerade rechtzeitig, um auf der letzten Rille einzulenken.

Dann früh und voll aufs Gas, leichtes Zerren in der Lenkung beweist, dass die Sperre arbeitet, der Astra brüllt auf die nächste kurze Gerade raus. Glück gehabt. Das von den vielen Assistenzsystemen degenerierte Autofahrerhirn muss erst mal wieder neu kalibriert werden, man sitzt ja nicht jeden Tag in einem Rennwagen.

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Opel Astra TCR rollt auf Slicks

Was dagegen zu erahnen war: Dass an diesem zwar sehr sonnigen Morgen in der Eifel die profillosen 18-Zoll-Hinterreifen des Opel nicht soweit auf Temperatur kommen können, um optimal zu arbeiten. Der erste Quersteher in der Mercedes-Arena überraschte also nicht, ließ sich ebenso parieren. Wie genau? Na, ein bisschen Gefühl schadet sicher nicht, doch vor allem hilft der Astra auch in seiner scharfen Rennvariante dem Fahrer mit einer hervorragenden Ergonomie.

Opel Astra TCR 2016, Tracktest, Tourenwagen, 04/2016
Thorsten Weigl / Opel
Nicht anfassen: Von ein paar Knöpfen im Cockpit sollen wir lieber die Finger lassen.

Tiefe Sitzposition? Klar, eine Frage der Ehre - und des tiefen Schwerpunkts. Doch die Einstellmöglichkeiten von Sitz und Lenkrad ermöglichen es auch Fahrern, deren Statur nicht der des Norm-Rennpiloten entspricht, sich perfekt in den Opel zu integrieren und alle nötigen Informationen ablesen zu können.

Dazu zählt speziell der Schaltblitz, denn der Zweiliter-Turbomotor erreicht schneller sein Limit 6.700 Umdrehungen, als es die Akustik vermuten lässt. Der Vierzylinder mit seinem quadratischen Bohrung-Hub-Verhältnis scheint ein ziemlich entspanntes Triebwerk zu sein, arbeitet mit tiefer, heiserer Stimme, die sich mit steigender Drehzahl nur wenig erhebt. Zusammen mit dem Singen des sequentiellen Renngetriebes komponiert der Opel einen Soundtrack, der wohl selbst bei einem Langstreckenrennen dem Fahrer kein Gewinde in den Gehörgang fräst.

TCR-Rennen mit starker Konkurrenz

Apropos: Wo setzt Opel den kompakten Renner eigentlich ein? Momentan testet die Mannschaft noch, will sich aber im Laufe dieses Jahres noch in den Rennbetrieb einklinken. Die Touring Car Racer Series wird sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Bühne ausgetragen, Hersteller wie Seat, VW und Honda tummeln sich dort bereits innerhalb des vergleichsweise strikt Budget-reduzierten Reglements.

Um eine Saison in Deutschland zu bestreiten, addieren sich zum Fahrzeug noch Kosten in Höhe von rund 120.000 Euro. Klingt nach viel Geld? Stimmt - außerhalb der Motorsport-Welt. Innerhalb dagegen liegt diese Summe am unteren Ende der Skala für ein professionell aufgebautes Fahrzeug dieser Leistungsklasse.

Die Kunden und deren Teams scharren bereits mit den feuerfesten Schuhen und warten sehnsüchtig darauf, ihren Astra zu bekommen, doch Opel muss noch ein paar Hausaufgaben erledigen: Der Motor soll mehr Drehmoment über ein breiteres Drehzahlband abgeben, heißt es. Zusätzlich möchte Opel noch die Gewichtsbalance des Fahrzeugs optimieren.

Opel Astra TCR 2016, Tracktest, Tourenwagen, 04/2016
Thorsten Weigl / Opel
Bitte anschieben: Die Sintermetall-Kupplung erfordert viel Gas zum Anfahren. Klingt nicht gesund, muss aber sein.

Opel Astra TCR innen erstaunlich schick

Woran es nichts mehr zu optimieren gibt: Am Ambiente im Cockpit, kein Scherz. Hier herrscht kein Bastelbudenflair, stattdessen schwingt sich ein mit schwarzen, struppigem Alcantara überzogener Armaturenträger durch den Innenraum, der allerdings keine Armaturen mehr trägt. Das Zentraldisplay sitzt auf der Lenksäule, in der Mitte des oben und unten angeditschten Lenkrads stecken einige Knöpfe, von denen ich tunlichst die Finger lassen soll, wie mir der Teammanger eindringlich zu verstehen gab, kurz bevor mit schleifender Sintermetall-Kupplung und viel Gas aus der Boxengasse hoppelte.

Die guten Arbeitsbedingungen schaffen schnell Vertrauen, jagen aber glücklicherweise nicht den Respekt aus dem Oberstübchen. Der Turbomotor lässt sich prima auf Drehmoment im großen Gang fahren, selbst die Links-Rechts-Kombination am Ende der Mercedes-Arena geht eigentlich auch gut im dritten der Sechsgänge, doch das merke ich erst bei auf dem Beifahrersitz bei Profi-Rennfahrerin Jasmin Preisig. Ich hätte auch selbst drauf kommen können, denn bereits bei 2.500 Umdrehungen liefert das Aggregat ein maximales Drehmoment von 420 Newtonmeter.

Opel Astra TCR mit guter Traktion, viel Haftung

Sei es drum. Aus der Tiefe des Raums (eine kleine Floskel für die Fussballfreunde unter Ihnen) gelingt es leicht, den Astra mit der elektromechanischen Servolenkung auf den Punkt an die Curbs zu positionieren, von Runde zu Runde folgt der erste Gasstoß im Kurvenverlauf früher, die Traktion ist von höchster Kleisterhaftigkeit. An der Hinterachse allerdings noch immer nicht ganz, wie sich im Bilstein-Bogen herausstellt, denn wieder will das Heck mal nachsehen, was da vorne so los ist. Dann raus auf den Advan-Bogen, der geht eh‘ schon voll im fünften, dann noch kurz in den sechsten, vor der Schikane wieder zwei Gänge runter, begleitet von furchterregenden Schlägen des Getriebes und dem Wimmern der Zahnräder – eine typische Motorsport-Sinfonie, herrlich.

Die Kupplung muss nur zum Anfahren betätigt werden, sonst nicht, also scheppert’s eben, die Technik kann das ab. Beim Anbremsen des scharfen Rechtsknicks nach Start-Ziel flüchtet der Respekt dann doch ein wenig in Richtung Angst, hier will ich definitiv nicht mit blockierenden Vorderrädern geradeaus segeln, hier ist das Tempo beim Anbremsen einfach zu hoch, liegt bei etwa 210 km/h. Bei Entwicklungsfahrten verendete bereits ein Astra TCR kläglich kaltverformt, und da saß ein Profi am Steuer.

Opel Astra TCR 2016, Tracktest, Tourenwagen, 04/2016
Thorsten Weigl / Opel
Ganz frisch: Die Konkurrenz von VW oder Honda hat schon drei Jahre Erfahrung in der TCR-Serie gesammelt.

Die Konkurrenz hat Entwicklungsvorsprung

Kaufen kann diesen Astra allerdings prinzipiell jeder der Motorsport betreiben möchte, er muss sich dann mit Fahrzeugen von Seat, VW, Honda und bald auch Alfa Romeo, Ford und Kia messen. Derzeit sind in der TCR Seat und VW die Hersteller, die es zu schlagen gilt, ein Erfahrungsvorsprung von drei Jahren mit diesem Reglement spült sie regelmäßig bis ganz nach oben auf das Siegerpodest.

Bei der Erprobung selbst nutzt Opel - wie jeder anderer Hersteller auch - verschiedene Strecken, um so unterschiedliche Eigenschaften des Fahrzeugs überprüfen zu können. So beansprucht Oschersleben beispielsweise aufgrund der hohen Curbs das Fahrwerk, die Nordschleife des Nürburgrings dagegen den Antrieb.

Heute allerdings bleibt der Astra auf der 3.618 Meter langen Variante der Grand-Prix-Strecke, haftet dort immer besser, allein das Durchschalten der Gänge auf den schnellen Geraden macht einen wuschig, die Beschleunigung laminiert deinen Körper von Runde zu Runde fester in die verdammt enge Sitzschale, was du aber erst merkst, wenn du wieder raus willst aus dem Astra.

Willst du aber nicht, stattdessen immer wieder die Rohheit der Mechanik spüren und hören, ja, das ist die legale Droge für Benzinköpfe. Allmählich verlagert sich der Bremspunkt nach hinten, die Steuerelektronik zwischen den Ohren kommt besser mit der Idee zurecht, degressiv mit dem Pedal umzugehen.

Die Rauchschwaden vom ersten Verbremser haben sich längst aus dem Cockpit verzogen, der Astra bleibt am Stück. Auch wenn noch immer gleißendes Sonnenlicht die gesamte Eifel überspült, müssen ja nicht gleich Helden gezeugt oder geboren werden.

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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