Porsche 911 GT3 Cup, 911 GT3 R und 911 RSR Tracktest
Drei bissige 911er für die Rennstrecke

Abgas-Skandal, Elektromobilität, autonomes Fahren: Es gibt Tage, da vergisst du einfach, was da draußen in der Automobilindustrie gerade los ist. Zum Beispiel beim Tracktest mit den drei 911-Helden aus der Porsche-Rennabteilung.

Porsche 911 GT3 Cup, Porsche 911 GT3 R, Porsche 911 RSR, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

EuroSpeedway, monsunartiger Regen in der Niederlausitz. Die Boxentore bleiben vernagelt. Heute ist Dienstag, Freitag wird geheiratet. Gut, dass ich die Durchwahl des Standesamts Hamburg-Altona im Kopf habe. Nur für den Fall der Fälle, dass die Sturmflut auf dem Lausitzring anhält. Man muss Prioritäten im Leben setzen – für einen Ritt in den 911-Helden aus der Porsche-Rennabteilung namens GT3 Cup, GT3 R und RSR kann man auch eine lang geplante Hochzeit kurzfristig verschieben.

Porsche 911 GT3 RSR, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Der Platztausch von Motor und Getriebe stellt eine Revolution beim 911er dar. Dass der Boxer nun vor der Hinterachse sitzt ermöglichte aber auch den Einbau eines größeren Diffusors.

RSR: Revolution Mittelmotor

Anders als im echten Rennsportleben dürfen die Renn-Elfer mit dem Gastfahrer heute erst bei Trockenheit auf die Piste. „Wir sind im Nassen noch deutlich schneller als mit dem alten Auto. Wir hatten ein bisschen Bedenken, ob wir die sehr gute Regen-Performance des Heckmotorkonzepts auch mit Mittelmotor halten können“, erzählt Marco Ujhasi, Gesamtprojektleiter GT-Werksmotorsport bei Porsche.

Wie bitte? Mittelmotor im Elfer? Seit seiner Markteinführung vor mittlerweile 53 Jahren ist der 911 über Fahrzeuggenerationen so eng mit dem Boxer-Heckmotor verbunden wie Großbritannien mit der Monarchie. Jetzt schneidet Porsche die alten Zöpfe ab. Während in GT3 Cup und GT3 R das Aggregat weiter im Heck sitzt, wurde im RSR für die GT-Le-Mans-Klasse die Position von Motor und Getriebe getauscht. Der Motor wanderte vor die Hinterachse. Über Zahlen zur neuen Gewichtsverteilung hat die Porsche-Mannschaft ein Schweigegelübde abgelegt.

„Wir haben gesehen, dass wir, wenn wir langfristig erfolgreich sein wollen, mehr tun müssen. Bei allen Vorteilen, die ein Heckmotor zum Beispiel beim Bremsen oder der Traktion hat, hat er in jedem Reglement natürlich nicht nur Vorteile“, erklärt Frank-Steffen Walliser, Leiter Motorsport und GT-Fahrzeuge bei Porsche.

Der erste Elfer mit Mittelmotor? Nein, Rennsportfans erinnern sich sofort an den 911 GT1, der erstmals 1996 samt Mittelmotortechnik antrat und 1998 einen Doppelsieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans feierte. Was damals wie ein platt geklopfter Elfer aussah, bestand in Wahrheit hinter dem originalen 911-Vorderwagen ab der B-Säule aus Elementen des legendären Gruppe-C-Prototyps Porsche 962.

Der RSR-Motorstart: filmreif!

Urplötzlich kommt die Sonne über dem Lausitzring wieder raus. Während sich der Ehemann in spe in den Rennanzug zwängt, starten zwei Ingenieure den RSR. Was dann folgt, ist noch filmreifer als die blitzschnell abdampfende Rennstrecke draußen: Apokalypse beim Motorstart des RSR.Dreimal Anlasserrasseln, den richtigen Öldruck sicherstellen, dann bellt der Vierliter-Sauger mit einem jähen Urschrei auf und rotzt zur Begrüßung eine dichte Abgaswolke in die Box. Anschließend verfällt der Mittelmotor-Elfer in zorniges Leerlaufröcheln. Dann die ersten Warmlaufgasstöße – aufbrüllend, Marke King Kong, versteht sich. Ein Spaßvogel hat ein Phonmessgerät mitgebracht. 122,3 dB – bei untertourigen Leerlauf-Gasstößen macht der RSR so auch manchen Airbus neidisch. Ach ja, fast hätte ich die kleinen Flammen vergessen, die bei den Gasstößen aus den Endrohren züngeln.

Porsche 911 GT3 Cup, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Das 991-Facelift der zweiten Generation wird 2017 zunächst im Carrera Cup Deutschland und im Supercup eingesetzt; ab 2018 dann Einsatz in allen 20 weltweiten Porsche-Markenpokalen

Und wie fährt er sich? Halt, die erste Runde auf dem Lausitzring dreht heute nicht die Warmlaufdiva RSR, sondern der 911 GT3 Cup. Der 911-Renner für die nationalen und internationalen Markenpokale Carrera Cup und Supercup gibt sich viel seriennäher und bodenständiger als das Technik-Highlight 911 RSR.

Boxengasse, maximal 60 km/h, noch regiert der rechte Daumen den GT3 Cup. „Pit Speed“ lautet die Aufschrift neben dem roten Knopf auf dem Lenkrad, der 485 boxernde Wildpferde wie hinter einem Gatter im Zaum hält. Gehemmt gurgelnd trabt der GT3 Cup im Speedlimiter dahin. An der weißen Linie der Boxengassenausfahrt herrscht dann auf Knopfdruck plötzlich Enthemmung. Hochdrehzahljohlend stürzt sich der Markenpokalheld auf die Strecke.

Im GT3 Cup sitzt der Motor noch dort, wo ihn ein gewisser Ferry Porsche Anfang der 60er im Ur-Elfer einst platziert hat. Richtig, im Heck.
Der Vierliter-Sauger mit starrem Ventiltrieb und zentraler Öleinspeisung gibt sich hier seriennah. Dass er in der Rennversion nur 485 PS und nicht die 500 PS seines GT3-Straßenbruders haben soll, will man kaum glauben. Garstig schnappt der Sauger zu und dreht bis zum Begrenzer bei 8.500/min hoch. Dann reicht ein Fingerschnippen an der Lenkradwippe, und der Cup wirft unter Volllast und ohne Kupplungsbetätigung den nächsten Gang ein.

Ebenso spielerisch wie der GT3 Cup hochdreht und schaltet, fährt sich der leer geräumte Renn-Elfer auch. Die Abmagerungskur auf 1.200 Kilo (Straßen-GT3 mit PDK: 1.430 kg) sowie ein straffes Rennfahrwerk mit motivierten Negativsturzwerten verleihen dem GT3 Cup eine glasklare Rückmeldung. Jedem Lenkbefehl folgt er messerscharf. Jeder Curb meldet sich puristisch-stößig in der hydraulischen Lenkung zurück.

Unter Last drückt der Cup dann vergleichsweise schnell mit dem Heck. Kurz Gegenlenken und weiter geht die Ideallinienjagd. Ohne Fahrhilfen wie ABS und Traktionskontrolle ist der Cup das wohl schnellste Fahrschulauto der Welt – für den Rennnachwuchs versteht sich.

Und was gibt’s für Fortgeschrittene? „Grello“ zum Beispiel. Der Spitzname, den der gelbgrüne und schon mehrfach in der Nürburgring-Langstreckenmeisterschaft siegreiche GT3 R des Porsche-Werksteams Manthey-Racing trägt, ist ein Mix aus „Green“ und „Yellow“. Dass sein Revier normalerweise nicht die Lausitz ist, verrät schon die Nordschleifen-Grafik auf dem Lenkrad. Außerdem finden sich hier mit zehn Knöpfen nicht nur zwei Knöpfe mehr als auf dem Cup-Lenkrad, sondern auch noch zwei jeweils zehnfach verstellbare Drehregler für die Traktionskontrolle und verschiedene Motorkennfelder.

Porsche 911 GT3 R, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Fühlt sich auch in der Lausitz pudelwohl: Der gelbgrüne 911 GT3 R von Manthey-Racing trägt den Spitznamen „Grello“ (Mix aus „Green“ und „Yellow“) und startet sonst auf der Nordschleife

GT3 R: nicht nur für die Profis

Während man sich im GT3 Cup mit relativ bissig zupackender Sintermetall-Kupplung beim Anfahren noch etwas konzentrieren muss, kann „Grello“ dank Launch Control kinderleicht aus der Box beschleunigt werden. Vollgas, Kupplung kommen lassen, und der GT3 R sprintet los. Nicht nur wegen der abwürgeresistenten Anfahrautomatik, sondern auch dank Traktionskontrolle und ABS merkt man, dass dieser 911-Renner nicht nur für Vollblutprofis, sondern auch für ambitionierte Amateurfahrer entwickelt wurde.

Während die Dosierung der Bremsanlage im GT3 Cup viel Gefühl und zunächst etwas Übung bedarf, muss sich bei „Grello“ auch der Gastfahrer keine Sorgen machen. Sorgen um plötzlich auftretenden Gummigeruch oder gar Michelin-Rauchfahnen aus den Radkästen beispielsweise. Mit späten Bremspunkten kann im GT3 R die Ideallinie sofort attackiert werden. Dank ABS sind vor allem auf der Bremse die Unterschiede zwischen Profi und Amateurpilot hier verschwindend gering.

Nicht nur die ABS-Regelung, sondern auch die insgesamt neutralere Balance sowie das höhere mechanische Gripniveau machen den GT3 R im Vergleich zum GT3 Cup im Grenzbereich einfacher fahrbar. Nicht zu vergessen: Unter anderem dank Radhausentlüftungen in den vorderen Kotflügeln, einem großen Frontsplitter und dem monströsen Heckflügel hat der GT3 R auch deutlich mehr Abtrieb als das Cup-Auto.

9.200, 9.300, 9.400 Touren – während das sequenzielle Sechsgang-Klauengetriebe ähnlich wie im GT3 Cup die Gänge per Wippenzug pneumatisch hoch- und runterprügelt, dreht der Vierliter im R noch höher. Das Mechanikkonzert fräst so durchdringend, als ob der Boxer-Saugmotor nicht im Heck, sondern direkt im Nacken des Piloten sitzen würde. Ohne reglementbedingte Balance-of-Performance-Zügel würde das Hochdrehzahlaggregat auf bis zu 590 PS kommen. Nach Einbremsung der Regelhüter bewegt sich die Leistung meist um die 500 PS.

Boxenstopp, erneuter Autotausch. Raus aus dem GT3 R von Manthey-Racing, rein in den Werks-RSR, der von Porsche nicht nur in Le Mans, sondern auch in der internationalen WEC-Meisterschaft sowie der nordamerikanischen IMSA-Serie eingesetzt wird. Schnell mit einer Turnübung über das massive Türkreuz in den Schalensitz hangeln.

„Die Fahrerposition und Ergonomie ist im RSR hundertmal besser als im GT3 R, da du noch ein bisschen mehr liegst. Im RSR hat man außerdem eine sehr gute Kühlung, die auf den Helm und auf den Sitz gerichtet ist. Dazu ist der Reifenverschleiß beim Hinterherfahren besser geworden. Der Vorderachsgrip baut nicht mehr so schnell ab“, hatte Porsche-Werksfahrer Kévin Estre vorab geschwärmt.

Die Sitzposition wird im RSR nicht über einen verstellbaren Fahrersitz justiert, sondern mittels einer verstellbaren Pedalerie angepasst. Im Vergleich zum GT3 Cup und zum GT3 R sitzt der Fahrer hier rund 50 Millimeter weiter hinten gen Fahrzeugmitte. Was ist sonst noch charakteristisch für das RSR-Cockpit? Neben den Belüftungsschläuchen, die sich wie eine Schlange durch das Interieur winden, fällt sofort das komplexere Lenkrad als im GT3 Cup und im GT3 R auf. Nicht nur mit seiner Form, sondern auch mit seinem mittigen Display, zehn Knöpfen sowie fünf Drehreglern erinnert es fast an die aktuellen Formel-1-Lenkräder.

Porsche 911 GT3 RSR, Interieur
Hans-Dieter Seufert
GT-Motorsportchef Walliser (r.) und Werksfahrer Estre erklären den RSR

RSR bei 9.500?

Die KreissägeSchaltwippe ziehen, und schon wirft das sequenzielle Sechsgang-Klauengetriebe mit Getriebegehäuse aus Magnesium und Schaltbetätigung per elektrischer Schaltwalze krachend die erste Fahrstufe ein. Das neue Getriebelayout bietet schnellere Schaltzeiten sowie erhöhte Robustheit und längere Laufzeiten. Aus dem Display wird aus dem mittigen „N“ für Neu-tral jetzt eine „1“ für den ersten Gang. Ready to race. Die Kohlefaser-Rennkupplung schnappt anschließend weit weniger bissig zu als das Sintermetallpendant – der RSR lässt sich erstaunlich einfach anfahren.

Grün, Gelb, Rot – im oberen Bereich des Lenkrads sitzen 16 Leuchtdioden, die bei steigender Drehzahl von außen nach innen in verschiedenen Farben aufleuchten. Beim optimalen Schaltzeitpunkt flammen alle Leuchtdioden blau auf. Und wie klingt der RSR bei bis zu 9.500 Touren? Stellt euch einfach die größte Kreissäge der Welt vor.

Sauger: bewusste Entscheidung

Der RSR schreit nicht nur herrlich frivol, er geht mit seinen 1.243 Kilogramm auf dem einsamen Lausitzring so motiviert voran, als ob ihm das Starterfeld aus Le Mans am Heckflügel sowie am Monsterdiffusor kleben würde. Ohne Air Restrictor kratzt die Leistung vermutlich die 600er-Marke, mit Restrictor sind es rund 510 PS.

Warum setzt Porsche nicht wie ein Großteil der RSR-Konkurrenz auf einen Turbo? „Wir haben uns ganz bewusst für einen Saugmotor entschieden. In unserem Fall ist der Sauger 40 Kilo leichter als ein vergleichbarer Boxer-Turbo. Das Packaging eines Turbomotors ist bei unserem immer noch kürzeren Radstand noch nicht ideal. Außerdem geht der Luftwiderstand hoch, das Auto verliert durch einen Turbo also auch an Aeroeffizienz, da der Ladeluftkühler durchströmt werden muss“, erklärt GT-Motorsportchef Walliser.

Im Vergleich zum GT3 R fühlt sich der RSR noch präziser an, da sein Fahrverhalten noch etwas neutraler und fahrstabiler abgestimmt wirkt. Dass er dabei auf dem 3.442 Meter langen Grand-Prix-Kurs des Lausitzrings nur neun Zehntelsekunden schneller als der „Grello“ ist, liegt am heutigen Kutscher. Die Fahrbarkeit des RSR ist auch für den Amateur grandios – bis auf die Bremse. Ohne ABS bremsen Profis einfach besser.

Das heißt, mit bis zu 80 bar Bremsdruck kräftig, aber nicht hastig aufs Pedal latschen und dann beim In-die-Kurve-Bremsen das Pedal regressiv lösen. Wer diese Bremstechnik beherrscht, wird erstaunt sein, wie lange es dauert, bis die Räder blockieren. Anders als im Cup-Auto war bei der homöopathischen Grenzbereichsdosis von drei Tracktestrunden im RSR aber glücklicherweise kein Reifen-aroma im Cockpit zu riechen.

Porsche 911 GT3 Cup, Porsche 911 GT3 R, Porsche 911 RSR, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Da fällt die Entscheidung schwer: Porsche hat mit dem GT3 Cup, GT3 R und dem RSR drei hervorragende 911er für den Renneinsatz im Angebot.

Am Ende des Tracktests zählen aber nur drei Dinge. 1. Alle drei 911-Rennwagen haben die Box ohne einen Kratzer wieder erreicht.2. Die persönliche „Traumautos, die man mal gefahren haben muss“-Liste ist um drei Helden reicher. 3. Die Hochzeit des Gastfahrers konnte drei Tage später planmäßig stattfinden– wenn auch mit einem immer noch leicht sägenden RSR-Tinnitus im Ohr des Bräutigams beim Jawort.

Fazit

Was für ein Feiertag!

Was soll ich hier jetzt ernsthaft als Fazit schreiben? Etwa so etwas: Wenn ich 1.727.404 Euro übrig hätte, würde ich alle drei 911-Rennhelden nehmen. So viel kostet nämlich das Trio aus der PorscheRennabteilung zusammen. Spaß beiseite:Wenn ich wirklich so viel Spielgeld übrig hätte, würde ich sofort zum Hörer greifen und den Langstreckeneinsatz mit dem„Grello“ oder mit einem anderen GT3 R des Porsche-Werksteams Manthey-Racing festzurren. Egal ob auf dem Lausitzring oder auf der Nordschleife, der GT3 R kann nicht nur von Profirennfahrern, sondern auch von ambitionierten Amateuren relativ einfach,und vor allem nach relativ kurzer Eingewöhnungsphase flott im Grenzbereich bewegt werden. Der Schlüssel zum Erfolg für alle Nicht-Profis im GT3 R: Neben der einstellbaren Traktionskontrolle ist es vor allem die Bremsanlage mit ABS, die es im GT3 Cup und RSR reglementbedingt nicht gibt.