Porsche 911 Carrera GTS Cabrio
Auf Ahnen-Forschung nach Gmünd

Porsche gehört zu Stuttgart wie der Eiffelturm zu Paris? Fast richtig, die eigentlichen Wurzeln der Marke liegen nämlich in einer österreichischen 2.600-Seelen-Gemeinde. Wir sind mit dem neuen 911 GTS in die Heimat seiner Urahnen gereist.

Porsche 911 Carrera GTS Cabrio, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Kein Bahnanschluss, kein Flughafen, und die Autobahn wird auch erst ein paar Jahrzehnte später fertig. Es gibt geeignetere Standorte für den Aufbau einer Automobilproduktion als das Örtchen Gmünd in Kärnten. Trotzdem muss es dem damals bereits knapp 70-jährigen Ferdinand Porsche und seinen Ingenieuren wie das Paradies vorgekommen sein, als sie 1944 in einer stillgelegten Sägerei ihr Konstruktionsbüro eröffneten. Die Idylle sollte Schutz vor alliierten Bombern gewähren – ganz einfach aus Mangel an lohnenden Zielen.

Und an neue Autos war anfangs ohnehin noch nicht zu denken. Bis Kriegsende hielt sich die Mannschaft mit Auftragsentwicklungen für Seilwinden und sonstige landwirtschaftliche Gerätschaften über Wasser. Schon wieder für Fremdfirmen, wie bereits zuvor in Stuttgart. Und wie eigentlich immer sind es andere, die Anerkennung für Porsches geniale Ideen ernten – ob Daimler, Lohner, VW oder Steyr. Da passt es ins Bild, dass es nicht Ferdinand, sondern seinem Sohn Ferry vorbehalten ist, das erste Auto unter eigenem Namen herauszubringen. Seinen 356/1 entwickelt er 1947/48 als Einzelstück mit Gitterrohrrahmen und Mittelmotor, womit er sich vom späteren Serien-356 stärker unterscheidet, als es die von Erwin Komenda entworfene typische Porsche-Karosserie vermuten lässt.

Nur 52 Gmünd-Porsche

Bis 1950 entstehen in Gmünd 44 Coupés und acht Cabrios mit Kastenrahmen und Heckmotor. Eine höhere Stückzahl lässt die Mangelwirtschaft, in der es keinerlei Teile einfach so zu kaufen gibt, nicht zu. Motor, Achsen, Instrumente und Lichter stammen von VW, meist werden ausgemusterte Wehrmacht-Kübelwagen ausgeschlachtet. Die Hülle aus Aluminium wird von Hand über einem Holzmodell getrieben, geübte Karosseriebauer benötigen dazu gerade einmal 90 Stunden pro Auto.

Porsche 911 Carrera GTS Cabrio, Heckansicht
Hans-Dieter Seufert
Auftakt in Stuttgart: Wir übernehmen den miamiblauen Carrera GTS in Stuttgart.

All dies kann man trocken in Büchern oder im Internet nachlesen. Wir fahren lieber selbst ins Porsche-Museum nach Gmünd, das sich den Ursprüngen der Marke widmet. Museumsgründer Helmut Pfeifhofer ging in den 1940er-Jahren zusammen mit den Kindern der Porsche-Konstrukteure in die Schule und ist daher eng mit der Marke verbunden. Praktischer Nebeneffekt unserer Tour: Es gilt, die GTS-Variante des 911 zu testen, und wo würde das besser gehen als auf den Serpentinen des nahe gelegenen Katschbergs, über den bereits Ferry seine nur 40 PS starken 356er quälte – an Rampen mit zum Teil über 30 Prozent Steigung.

911 GTS mit klanggewaltigem Sechszylinder

Unser miamiblaues Cabrio hat keine Mühe am Katschberg, nicht nur weil die steilen Passagen inzwischen entschärft wurden: Angesichts von 450 PS (30 PS mehr als beim Carrera S) bedeutet „bergauf“ schlicht ein paar Millimeter mehr Gas. Auch wegen der 550 Newtonmeter Drehmoment, die turbotypisch früh anliegen. Ab 2.000/min legt sich der Dreiliter-Sechszylinder guttural röchelnd ins Zeug, posaunt angriffslustig aus seinem Klappenauspuff, um das Cabrio in kurzweiligen 3,5 Sekunden auf Tempo 100 zu wuchten.

Weder an Klanggewalt noch an Kraft mangelt es dem Boxermotor, auch von einem Turboloch ist nicht viel zu spüren – trotz größerer Lader samt leicht erhöhtem Ladedruck. Im oberen Drehzahlbereich dauert es nur einen Wimpernschlag bis zum vollen Schub. Der ist jedoch gar nicht nötig, um hier in den Alpen Spaß zu haben. Auf Kommando seiner direkten und gefühlvollen Lenkung geht der GTS faszinierend neutral und ausbalanciert durch Kehren, die er auf Wunsch mit enormem Tempo, aber nur geringer Seitenneigung durcheilt.

Porsche 911 Carrera GTS Cabrio, Seitenansicht
Hans-Dieter Seufert
Alle Carrera GTS verfügen über die breite Karosserie, die sonst nur den Allradversionen des 911 und dem GT3 RS vorbehalten ist.


Die geringe Wankneigung verdankt der GTS unter anderem seiner breiten Karosserie und der um 44 Millimeter vergrößerten Spurweite an der Hinterachse. Während sonst nur Allrad-911er in den Genuss der breiten Backen kommen, sind sie ebenso Bestandteil des rund 14.000 Euro teuren GTS-Pakets wie die 20- Zoll-Räder mit Zentralverschluss, das Sport-Chrono-Paket oder die modifizierte Aerodynamik: Ein tieferer Frontspoiler verringert zusammen mit dem weiter ausfahrenden Heckflügel den Auftrieb bei hohem Tempo – angesichts der Spitzengeschwindigkeit von 308 km/h keine übertriebene Maßnahme.

Alltagstauglich wie ein Golf

Darüber hinaus begeistert der 911 auch als GTS mal wieder mit seinen alltagstauglichen Manieren. Selbst auf Straßen in mäßigem Zustand schüttelt er seine Insassen nicht über Gebühr durch, die serienmäßigen Adaptivdämpfer sprechen feinfühlig auf kurze Querrippen an. Die Kombination aus Agilität und Komfort überzeugte schon bei den ganz frühen 356ern und zeigt bis heute, was in Porsches Grundkonzept steckt. Im Gegensatz zu Mittelmotor-Sportlern lässt das ganz hinten untergebrachte Aggregat zudem noch Platz für zwei Notsitze.

Von der Mühelosigkeit des Fahrens im aktuellen 911 konnten Porsche-Piloten der Anfangszeit jedoch nur träumen. Die selbst im Stand leichtgängige Servolenkung, das Doppelkupplungsgetriebe mit Automatikmodus oder das bestens isolierte Verdeck, das bis Tempo 50 auf Knopfdruck öffnet und schließt, haben inzwischen einen Perfektionsgrad erreicht, der kaum noch Steigerungspotenzial erkennen lässt. Zudem kann heute jeder 911 bis zur letzten Lüftungsdüse zum Unikat individualisiert werden, wie die 100-seitige Preisliste verrät.

Porsche 911 Carrera GTS Cabrio, Impression
Hans-Dieter Seufert
Der Katschberg diente schon Ferry Porsche als Testrevier: Die damaligen Straßen waren jdoch steiler.

Dass es sich bei den 44 Coupés und acht Cabrios aus Gmünd-Produktion ebenfalls um Einzelstücke handelt, hat freilich andere Ursachen. Trotz des hohen Könnens der Blechklopfer weist doch jede der handgefertigten Karosserien kleinere Abweichungen auf. Zudem orientierte sich die Ausstattung zwangsläufig am vorhandenen Material, was sich anschaulich an der Beleuchtung zeigt: Wenn mal keine Blinker zur Hand waren, wurden wie beim Käfer einfach Winker eingebaut, also ausklappbare Zusatzärmchen, die von außen Richtungswechsel anzeigen. Die Gmünd-Porsche gingen überwiegend in den Export nach Schweden, in die Schweiz oder nach Italien. In Deutschland ist das Geld 1948 kurz nach der Währungreform mit Einführung der D-Mark noch knapp, auch in Österreich haben die meisten Menschen andere Sorgen.

Generationen unter einem Dach

Einer der Ur-356 hat es jedoch zurück nach Gmünd geschafft und steht heute unrestauriert neben seiner Holzform im Museum. Helmut Pfeifhofer hat das Coupé in den 1970er-Jahren ganz im Osten Österreichs kurz vor der Grenze zur Slowakei entdeckt, wo es in einem Garten verwitterte. Pfeifhofers Ausstellung informiert auch über die Weiterentwicklung des bis 1965 gebauten 356.

Der Standort Gmünd wird bereits 1951 aufgegeben, schon im Jahr zuvor verlagert Porsche die Produktion nach Stuttgart-Zuffenhausen, wo die Erfolgsgeschichte ihren Lauf nimmt. Ferdinand Porsche erlebt sie nicht mehr, er stirbt bereits im Januar 1951. Inzwischen verkauft Porsche fast eine Viertelmillion Autos pro Jahr, die 52 Gmünd-Autos würden heutige Produktionsanlagen in rund einer Stunde ausspucken.

Info: Wo alles begann – Das Porsche-Werk in Gmünd

Vom früheren Porsche-Werk ist nur noch das Konstruktionsgebäude mit vorgelagertem Pförtnerhäuschen erhalten. Auf dem Gelände waren zwischen 1944 und 1951 bis zu 300 Mitarbeiter beschäftigt, unter anderem mit dem Bau des 356.

Ferry Porsche, Porsche 356
Archiv

Auf den Reißbrettern wurden jedoch auch der Cisitalia-Rennwagen mit Allradantrieb, Seilwinden für Skilifte, Traktoren und sonstige landwirtschaftliche Geräte entwickelt. Das Bild zeigt den ersten 356 mit Gitterrohrrahmen und Mittelmotor. Daben stehen (von rechts) Ferdinand Porsche, sein Sohn Ferry sowie Erwin Komenda, der die Grundzüge des typischen Porsche-Designs sowie den VW Käfer entwarf. Das Konstrukteursgebäude liegt direkt an der Maltataler Landstraße, rund zwei Kilometer vom Museum in Gmünd entfernt, und ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Geschichte erfahren: Das Porsche-Museum in Gmünd

Nicht nur Porsche-Fans, auch Liebhaber historischer Handwerkskünste kommen im 1982 eröffneten Porsche-Museum auf ihre Kosten. Neben diversen 356 werden auch viele neuere Serien- und Rennmodelle ausgestellt, teils Leihgaben aus dem Zuffenhausener Werksmuseum. Gründer Helmut Pfeifhofer hat die Leitung inzwischen an seinen Sohn Christoph übergeben.

Über die Tauernautobahn A 10 ist Gmünd auch von Deutschland aus schnell erreichbar, das Museum in der Riesertratte 4a in 9853 Gmünd ist im Sommer von 9 bis 18 Uhr und im Winter von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt für Erwachsene beträgt acht Euro, Kinder bezahlen 3,50 Euro. Weitere Informationen und Bilder finden sich unter: www.auto-museum.at

Technische Daten
Porsche 911 Carrera GTS Cabriolet Carrera GTS
Grundpreis142.991 €
Außenmaße4499 x 1852 x 1291 mm
Kofferraumvolumen145 l
Hubraum / Motor2981 cm³ / 6-Zylinder
Leistung331 kW / 450 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit308 km/h
Verbrauch8,4 l/100 km