Porsche 911 Targa 4S und 911 S 2.2 Targa
Zwei Genießerautos im Fahrbericht

Dann machen wir ’nen Henkel dran und fühlen uns wunderbar: Der neue Porsche Targa hat endlich wieder einen Bügel. Deshalb verabreden wir den neuen und den ersten Targa miteinander und erobern noch mal die legendäre Targa Florio.

Porsche 911 Targa 4S, 911 S 2.2 Targa, Impression
Foto: Hans-Dieter Seufert

Sie fragen sich, wie der Porsche mit dem Henkel zu seinem Namen kam? Zu der italienischen Bezeichnung Targa, was auf Deutsch Schild heißt? Glaubt man Wikipedia, dann hieß das erste Cabrio auf Basis des 1965 noch jungen Elfers so, weil es ein sogenanntes Sicherheitscabrio war: Den Porsche Targa zierte ein mächtiger Überrollbügel, quasi als Schutzschild im Falle eines Überschlags. Damals grassierte in Zuffenhausen noch die Angst, so ein obenrum allzu nacktes Cabrio könnte auf dem enorm wichtigen US-Markt als zu gefährlich eingestuft werden. Also machte Porsche einen Henkel dran, freute sich, dass der klasse aussah, und nahm natürlich mit, dass eine der berühmtesten Rennstrecken der Welt, die Targa Florio, ebenso den Schild im Namen trug. So steht es geschrieben im allwissenden Online-Lexikon und ist so kreativ wie haarscharf an der Wahrheit vorbei.

Der Schwabe Harald Wagner, dem damals der Name bei Porsche eingefallen war, hatte nach eigenem Bekunden keine Ahnung, dass Targa übersetzt Schild bedeutet. Wie der Carrera sollte das Cabrio einfach den Namen einer berühmten Rennstrecke erhalten, eben Targa Florio. Und aus Angst vor infantilen Abkürzungen wie Flori wurde der hintere Teil gekappt und es blieb bei Porsche Targa. Targa klang schon so genug nach Bella Italia, Cappuccino, Pizza, Emozione und dem Traum-Urlaubsland der Deutschen in den Sechzigern. Außerdem hatte sich Porsche bis dahin schon legendäre Schlachten mit Ferrari auf dem – aus heutiger Sicht – verrückt gefährlichen, 72 km langen Rundkurs im Norden Siziliens geliefert. Die 718er und später die legendären 908er rasten zehn Runden durch verschlafene Orte, über engste Straßen und an frenetisch jubelnden Zuschauermassen vorbei. Dass es dabei nur vergleichsweise wenig Tote gab, grenzt an ein Wunder. Ferrari ließ Lokalmatador Nino Vaccarello auf dem 512 S sogar mit 560 PS ins Rennen. Porsche verzichtete besonnenerweise auf den Einsatz des Überrenners 917, holte aber trotzdem die meisten Siege.

Wenn du jetzt glaubst, diese uritalienische Liebe zu Autos wäre mit dem Ende des Rennens 1977 erkaltet, dann park einfach mal einen 1971er Porsche Targa und seinen nagelneuen Urenkel Typ 991 vor einer Kaffeebar in Cerda, dem ersten Ort nach dem alten Starthaus. Nimm einen tiefen Schluck des unglaublich leckeren Cappuccinos (ein Euro, erste Bar am Ortseingang), blicke beseelt über die Landschaft und halte nebenbei kommunikative Sizilianer davon ab, den Wagen zum Volkseigentum zu erklären.

Der neue Porsche Targa ist wieder da, wo der alte schon war. Nach dem 964er-Elfer hatte der Targa 1995 seinen Bügel verloren und war zum besseren Glasschiebedachträger mutiert. Das zog sich drei Baureihen so hin, bis man in Zuffenhausen endlich wieder auf den Henkel kam. Berauscht von dem Wunsch nach ganz großem Klappkomfort – und vielleicht auch etwas zu viel Konsum des Hollywood-Films „Transformers“ –, entwickelte Porsche eine Art Technik-Overkill für ein kleines Stück Stoffdach.

Porsche Targa benötigt 19 Sekunden für das Öffnen des Verdecks

Früher war das Dach viel simpler, nur die Bedienung nicht. „Es regnet, es regnet, der Targa wird nass“, so lyrisch stieg Kollege Henry Keller 1967 in einen herrlich geschriebenen auto motor und sport-Test des Sicherheitscabrios ein. Wie wahr: Bis das Verdeck des 1971er-Targa händisch gezogen, gedrückt, reingehämmert und geklappt ist, hat sein patiniertes Sitzleder schon eine ordentliche Regendusche hinter sich.

Beim neuen Porsche Targa zückt der Besitzer lässig die Funkfernbedienung wie Clint Eastwood im Italo-Western den Revolver und startet per Knopfdruck den eindrucksvollen Arbeitsnachweis Weissacher Ingenieure. Gönnen wir uns dieses sirrende Hightech-Spektakel in Zeitlupe: Zuerst fließt die hintere Glaskuppel über das Heck, kippt sodann etwas nach hinten. Im gleichen Moment springen zwei Klappen aus dem oberen Teil des Bügels wie die Arme von Bumblebee, dem Chevrolet Camaro-Roboter aus „Transformers“. Sie geben die Kinematik des Softtops frei. Dieses wird entriegelt und sodann korrekt wie ein schwäbisches Betttuch gefaltet hinter der Hecksitzbank abgelegt. Spätestens jetzt ergreift den Betrachter Mitleid mit dem verantwortlichen Ingenieur. Dann zieht der Weissacher Bumblebee seine Klappärmchen wieder ein und lässt die Heckscheibe zurücksirren. Exakt 19 Sekunden dauert das Schauspiel. 19 Sekunden, in denen selbst die sizilianischen Zuschauer mal ruhig sind.

Zwischen den Modellwelten

Was für ein irrer Aufwand für ein kleines bisschen Frischluft. Der Porsche Targa wird zum Tekkie, behält aber zum Glück seinen Charme des Besonderen. Bewusst hält er sich mit seiner Frischluftluke raus aus den oft so dogmatisch geführten Diskussionen darüber, wie sehr der Sturm in einem echten Cabrio toben sollte. Er ist keines. Der Targa spielt zwischen den Modellwelten, vermittelt Solidität, Windgeräuscharmut und Open-Air-Gefühl zugleich – und sieht klasse aus. Dank des ausklappenden Windabweisers über dem vorderen Dachholm ist auch das typische Schiebedach-Wummern kein Thema. Aber was schreiben wir da: Er ist ja auch kein Schiebedächler – mehr.

Doch bleiben wir beim Design. Das Urmodell, dessen Hellblaumetallic nahtlos in den Mittelmeerhimmel fließt, ist einer der schönsten und elegantesten Porsche überhaupt. Kein Wunder, dass das Cabrio zu seiner Zeit mit 40 Prozent Verkaufsanteil den Rekord der Targa-Reihe aufstellte. Neupreis damals 32.200 Mark, wird er in diesem Zustand heute eher für 80.000 Euro gehandelt. Es ist ein wenig unfair, dass die Leichtigkeit des Urmodell-Designs dem bemühten Neuen etwas die Schau stiehlt. Der Überrollbügel des Alten glänzt mit gebürstetem Edelstahl, die Alu-Druckguss-Elemente des 991er müssen für die Reminiszenz an die klassische Optik lackiert werden.

Der Alte sieht nicht nur filigraner und graziler aus, er wiegt auch fast eine halbe Tonne weniger als der vergleichsweise wuchtige 991er. So muss sich die starke, trockensumpfgeschmierte Version S für ihre aus 2,2-Litern Hubraum erboxten 180 PS sicher nicht schämen.

Anfangs möchte man den Alten noch knuddeln, wenn er da im Stand unschuldig vor sich hin schnattert. Dabei ist es besser, ihn gleich mit einem festen Tritt zu behandeln: Die Pedalkräfte sind für heutige Verhältnisse ungewöhnlich hoch, die ungewöhnlich angeordnete Fünfgang(!)-Schaltung mit dem zweiten Gang oben will beherzt geführt werden. Hände und Füße spüren herbe Mechanik, die einen fordert.

Bis 4.000 Touren hapert es aber noch etwas mit dem rechten Sportwagen-Status. Er sägt zwar schon ambitioniert in hellen Tönen aus dem – seufz – luftgekühlten Heckaggregat, aber die Beschleunigung korreliert noch nicht mit dem Ton. Dann plötzlich wird der Sechszylinder euphorisch wie Stuttgart bei der Meisterschaft des VFB – so lang ist’s gar nicht her. Statt des Sägens flutet plötzlich ein Schreien die Targa-Luke, die Drehzahlnadel beeilt sich auf einmal gen 7.000, und Meister Himmelblau packt auf der Targa Florio 908-Gene aus. Ein wechselhafter Charakter, der übrigens auch für die Lenkung gilt. Um die Mittellage kann der Pilot sie lässig einige Zentimeter ausschlagen, ohne dass der Wagen davon größere Notiz nimmt. Doch ab einem bestimmten Winkel greift sie zu und vermittelt trotz der dünnen Rädchen sogar überraschend viel Präzision. Die aber auch notwendig ist in schnellen Kurven. Was schrieb Henry Keller damals noch zum Verhalten im Grenzbereich: „Manche Leute sagen, der Targa gehe etwas plötzlich vom Unter- ins Übersteuern über, aber da kann es sich nur um Nuancen handeln.“ Humor hatte der Herr Keller.

Porsche 911 Targa 4S PDK: Zur Perfektion gereift

Hier zeigt sich der Unterschied der Generationen. Bei einem Tempo, bei dem der Fahrer des Urmodells mental schon seine Habseligkeiten vererbt hätte, ist der Pilot des neuen Porsche Targa geneigt, noch entspannt Radiosender zu wechseln. Der Elfer ist über die Jahrzehnte wie ein ganz großer Rotwein zu einer Perfektion gereift, die atemberaubend ist. Ob das entsprechend mehr Spaß macht, sei zur Diskussion gestellt, aber so komfortabel – Pardon! – sauschnell zu sein, beeindruckt. Nehmen wir den Zustand der Targa Florio, der einer vor 20 Jahren achtlos weggeworfenen Öldose gleicht. Der Belag löst sich auf, unter dem Asphalt bewegt sich sichtbar die Erde – und die Straße gleich mit. Brutale Schläge wechseln mit harten Abrisskanten von Unterspülungen. Wenn es gar zu wild wird, stellt der Sizilianer zumindest eine Panino-Länge vorher ein Plastikschild hin – wie fürsorglich.

Porsche Targa ist ein Allwetter-, nein Allstraßenauto

Das kümmert den neuen Targa nicht. Was sagt Porsche noch mal? Der Targa sei ein Allwetterauto, weil man ihn auch im Winter offen fahren könne und es ihn folgerichtig nur mit Allradantrieb und damit um 4,4 Zentimeter breiterer Spur hinten gibt. Der Porsche Targa ist aber auch ein Allstraßenauto, das trotz Sportwagen-Daseins einen Hauch zu trocken, aber sehr lässig die sizilianischen Asphaltsünden wegfedert und dämpft. Vor allem die neuen Elfer kommen auf den Punkt wieder zur Ruhe wie der Milchschaum in der Bar in Cerda. Wenn der verdienten alten Karosse schon der Tsunami droht, hat der Neue fast noch Flaute.

Es hat was Berauschendes, wie dich der Porsche Targa beim Einlenken an der ganz engen Leine führt. Wie adaptive Dämpfer und vollvariable Quersperre (beides Serie beim 4S) Bodenkontakt und Traktion erzwingen und die elektromechanische Lenkung die üppigen Karosserie-Kilos wegunterstützt und zentimetergenaues Positionieren erlaubt. Frustrierend bleibt für den Fahrer nur die Frage, ob er an den gewaltigen Kurventempi überhaupt noch einen Anteil hat. Selbst das Doppelkupplungsgetriebe verlangt kaum noch menschlichen Eingriff.

Hat er, nur gefühlt viel distanzierter als früher. Das Tempo mag gewaltig gestiegen sein, das Gefühl nicht. Wer nur auf Geschwindigkeit schielt, sollte sich sowieso keinen der beiden kaufen – heute wie damals nicht. Der Porsche Targa ist das Genießer- und nicht das Ich-bin-Erster-Modell.

Zum Thema Genuss brüllt der 400 PS starke 3,8-Liter-Direkteinspritzer-Boxer gleich noch mal sein klappengesteuertes, tiefbassiges Hallali und ballert für einen Sauger grandios aus den tiefen Drehzahllagen, um gefühlt einen Wimpernschlag später die 7.000er zu beackern. Dabei ist es weniger die schiere Beschleunigung, die einen packt, sondern die Mischung aus Ton und Gasansprache. Hoffentlich bleiben uns solche Sauger noch länger erhalten als die in totaler Auflösung begriffene Targa Florio.

Bleibt noch der Preis, der sich seit den Siebzigern fast verachtfacht hat: 124.605 Euro sind viel Geld für einen noch relativ nackten Porsche Targa, aber angemessen für die Freude an der Fahrt. Und so schließt der Autor mit den Worten von Henry Keller: „Das wär’s. Ich hoffe, dass mein Bericht niemanden daran hindern wird, einen Targa zu kaufen. Oben auf – hinten zu; hinten auf – oben zu: Das ist ein schönes Spiel.“

Fazit

Die einen nennen ihn nur ein halbes Cabrio, die anderen den vielleicht schönsten automobilen Kompromiss der Welt. Der neue Targa begeistert durch Komfort und Dynamik gleichermaßen – gar so viel Elektromechanik war aber jetzt nicht nötig.

Technische Daten
Porsche 911 Targa 4S Porsche 911 Targa S 2.2
Grundpreis127.605 €
Außenmaße4491 x 1852 x 1291 mm4163 x 1610 x 1320 mm
Kofferraumvolumen125 l
Hubraum / Motor3800 cm³ / 6-Zylinder
Leistung294 kW / 400 PS bei 7400 U/min
Höchstgeschwindigkeit294 km/h205 km/h
Verbrauch9,2 l/100 km